Die Geschichte der Temeswarer Apotheken nimmt aus dem engsten Gässchen der Stadt, dem Johannes-Gässchen in der ehemaligen Festung, ihren Ausgang. Hier wurde 21 Jahre nach der Vertreibung der Türken durch die Heer von Eugen von Savoyen die erste Apotheke eröffnet. Es war damals eine Einrichtung, die der Temeswarer Bevölkerung vollständig unbekannt war. Um diese Zeit gab es in Hermannstadt schon eine Apotheke, die auf eine Vergangenheit von 250 Jahren zurückblicken konnte. Kronstadt und Bistritz hatten ebenfalls schon 200jährige Apotheken. Nur Temeswar war auf diesem und vielen anderen Gebieten des Fortschritts dazumal um Jahrhunderte zurückgeblieben.164 Jahre hatte der Halbmond jedem Vordringen der Kultur und des Fortschritts einen Riegel vorgeschoben.
1724, also acht Jahre nachdem Prinz Eugen die türkischen Machthaber mit seinem kaiserlichen Heere vertrieb, wurde in Temeswar der „Hl. Johannes von Nepomuk- Verein“ gegründet. Zu dessen Bestrebungen gehörte es, ein Krankenhaus und eine dazugehörende Apotheke ins Leben zurufen. Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten baute der Verein, dessen Präses der kommandierende Reitergeneral der Stadt, Graf Andreas von Hamilton war, in der Johannesgasse ein Gebäude , in welchem 1737 sechs Patres des Ordens der Barmherzigen Brüder einzogen. Sie waren die ersten Männer, die an die vom Fieber verseuchte Bevölkerung die ersten Arzneien verabfolgten. Es waren fast durchaus junge Patres, die ins Land kamen. Große stämmige deutsche Mönche aus dem Norden, die sich hier an der Pforte des Ostens an eine schwere Aufgabe wagten. Die gesundheitlichen Verhältnisse des Landes Banat waren dazumal schlimm. Vier Patres wurden schon ein Jahr später in den von der Pest heimgesuchten südlichen Provinzen von der Pest hinweggerafft. Es kamen wieder neue Mönche, die in das Krankenhaus und in die Apotheke „Zum Granatapfel“ einzogen.
Bis 1765 war diese die einzige Apotheke der Stadt und auch des ganzen Banats.
Um die Gründungszeit der ersten Temeswarer Apotheke war es noch üblich, dass in den Apotheken neben den damals bekannten Arzneien und Drogen auch noch Konfekt, das die Damen jener Zeit für ihre Jausen benötigten, zu haben war. Unter den „Arzneien“ der damaligen Zeit seien hier auch einige aufgezählt: Ochsengalle, die Leber von jungen Hunden, geröstete und zerstoßene Regenwürmer, Vipersyrup, in Lorbeeröl getauchte Mistwürmer, verschiedene tierische Fette wie Bärenfett, Hundefett, Katzenfett, Schlangenfett, Dachsfett usw. Ein Teil dieser Arzneien ist bis vor wenigen Jahrzehnten noch in Handel gebracht worden. Was die tierischen Fette anbelangt, so dürfte man manche von ihnen auch heute noch in Dorfapotheken erhalten. Dass eine Nachfrage danach besteht, beweist jener Landsmann, der eben erst vor einigen Tagen in einer Fabriker Apotheke „Fett von einem schwarzen Hund“ haben wollte.
Damals gab es noch nicht die vielerlei schmerzstillenden Mittel, denen wir uns heute bedienen können. Es ist kaum vorstellbar, dass die ständig vom Sumpffieber umlauerten Bewohner des Banats, kein Chininpulver einnehmen konnten. Die Chinarinde war jedenfalls schon entdeckt und die Apotheker bezogen sie aus Wien. Dann stellten sie sich an den Dreifuß in ihrer Apotheke und kochten die Rinde ordentlich aus. Die daraus gewonnene, Brechreiz erzeugende braune Brühe wurde dann von den Kranken aus Literngläsern getrunken. Brrr! Ungefähr ein Liter dieses Extrakts dürfte, nach dem Wirkungswert gemessen, mit einer einzigen kleinen Chininpille von heute verglichen werden.
Das in ganz Europa bestandene Gesetz, wonach der Apothekerberuf nur vom Christen ausgeübt werden konnte, wurde auch bei uns angewandt und war viele Jahrhunderte in Kraft, da in den vorhandenen Aufzeichnungen über Temeswarer und Siebenbürger Apotheken jüdische Apotheker nur in den letzten Jahrzehnten zu finden sind. Damals war der Verkauf von Arzneien auch kein einträgliches Geschäft und mancher der Apotheker musste sich einen Nebenberuf zulegen, um leben zu können. Da ist z.B. der Fall eines Kronstädter Apothekers: Er hatte auf Jahre von der Stadt das Aichamt gepachtet, wofür er 20 Gulden Pacht bezahlte.
Hans Till
Auszug aus „Temeschburg-Temesvar-Timișoara“, HOG Temeschburg 1994