Interessante Statistiken zum Lohn- und Wohlstandsgefälle in Rumänien hat die Bukarester Wirtschaftszeitung Ziarul Financiar Ende September veröffentlicht. Sie weisen wie fast alle volkswirtschartlichen Daten der vergangenen Jahre darauf hin, dass die Kluft zwischen den Wachstumspolen Bukarest-Ilfov, Klausenburg/Cluj-Napoca und Temeswar einerseits und den ärmlicheren Landesteilen im Süden und Osten des Landes immer größer wird. Dieser Entwicklung schaut der Staat eindeutig tatenlos zu, zieht man die Tatsache in Betracht, dass in den vergangenen fünfzehn Jahren der Anteil der Städte Bukarest, Klausenburg und Temeswar am rumänischen Bruttoinlandsprodukt unaufhörlich gestiegen ist und auch heute weiterhin steigt.
Dass dies so ist, zeigt auch die regionale Statistik der Nettodurchschnittslöhne, die in Rumänien verdient werden. Im Jahre 2015 kamen laut dem Nationalen Institut für Statistik die Bukarester auf einen Nettodurchschnittslohn von 2.696 Lei, im Kreis Ilfov meldete die Statistik einen Nettodurchschnittslohn von 2.267 Lei. Am drittbesten verdienen die Arbeitnehmer im Kreis Temesch, dort lag der Nettolohn bei 2.060 Lei pro Monat, während die Klausenburger im vergangenen Jahr im Schnitt um 35 Lei weniger verdient haben (2.025 Lei). Im Kreis Arge{ meldete die Statistik ein monatliches Nettoeinkommen von 1.943 Lei. Mit einem Nettodurchschnittslohn von 1.832 bzw. 1.822 Lei im Monat belegen die Kreise Prahova und Hermannstadt/Sibiu weitere Spitzenplätze, es folgen Jassy/Iaşi (1.798 Lei), Kronstadt/Braşov (1.783 Lei), Gorj (1.782 Lei), Konstanza (1.735 Lei), Dolj (1.672 Lei) und Arad (1.671 Lei). Relativ schlecht schneiden die nordwestrumänischen Kreise ab: Sălaj (1.493 Lei), Bistritz-Nassod (1.483 Lei), Sathmar/Satu Mare (1.465 Lei), Bihor (1.396 Lei), Maramureș (1.376 Lei), im Kreis Karasch-Severin lag der Nettodurchschnittslohn 2015 bei 1.459 Lei, um 85 Lei weniger als im Kreis Mehedinți (1.544 Lei). Der geringste Nettolohn verzeichnete im Durchschnitt der Kreis Neamț: 1.359 Lei.
Obwohl diese Zahlen allein nicht die auseinanderdriftende Entwicklung des Landes erklären können, so stellen sie doch einen wichtigen Indikator für die unmittelbare Zukunft dar, vor allem was die Binnenmigration und die Nachfrage nach Arbeitskräften anbelangt. Die wichtigen Industriezentren an der Westgrenze und in Siebenbürgen (Temeswar, Arad, Klausenburg, Großwardein/Oradea, Hermannstadt, Kronstadt) werden weiterhin Investitionen anziehen und deshalb auch Arbeitskräfte, die Binnenmigration müsste zunehmen. Dies gilt natürlich auch für die besser entwickelten Städte Südrumäniens, Piteşti und Ploieşti, und selbstverständlich für die Hauptstadt Bukarest und ihr immer weiter wachsendes Umland.
Den Trend bestätigt auch die Statistik der Topverdiener. Laut Revisal, dem staatlichen Arbeitnehmer-Register, gab es am 31. August 17.069 Bürger des Kreises Klausenburg, die einen Bruttolohn von mindestens 5.000 Lei bekamen, im Kreis Temesch waren es 14.518, im Kreis Ilfov 14.011, in Kronstadt 7.637, in Hermannstadt 6.504, in Prahova 6.135, dagegen im Kreis Karasch-Severin nur 585, in Covasna 540, in Mehedin]i 393 und im Kreis Vrancea, dem Schlusslicht in der Statistik, 357. Gab es zum Stichtag 31. August 6,192 Millionen Arbeitsverhältnisse in Rumänien, konnte in nur 254.556 Verträgen ein Bruttolohn von mindestens 5.000 Lei festgestellt werden, im Falle von knapp 60.000 von mindestens 10.000 Lei.
Rumänien bleibt also ein Land der Geringverdiener, keine fünf Prozent der Arbeitnehmer bekommen mehr als 5.000 Lei Brutto im Monat. Und die Besserverdiener sind natürlich dort anzutreffen, wo sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten einige Wohlstandsinsel herausgebildet haben und wo mehrere Faktoren (Grenznähe, Industrietradition, Universitäten, zum Beispiel) eine raschere Erholung nach dem Zusammenbruch der neunziger Jahre ermöglicht hatten.
Andererseits zeigt eine private Studie, erstellt von der Beratungsfirma Roland Berger und ebenfalls in der Bukarester Wirtschaftszeitung Ziarul Financiar veröffentlicht, dass es vor allem in Ostrumänien bergauf geht. In fast allen moldauischen Kreisen erzielten die dortigen Unternehmen hohe Wachstumsraten. Die Gesamtumsätze stiegen 2015 im Vergleich zu 2014 mit 17,1 Prozent in Botoșani, mit knapp 12 Prozent in Suceava und Bacău, mit 12,5 Prozent in Vrancea, mit 9,5 Prozent in Jassy, während im landesweiten Vergleich Rumäniens Firmen einen durchschnittlichen Umsatzplus von 4,5 Prozent meldeten (Klausenburg: + 12,8 Prozent, Karasch-Severin: + 6,5 Prozent, Temesch: + 5,8 Prozent, Kronstadt: + 7,9 Prozent, Bukarest: + 3,4 Prozent, Arad: + 1,5 Prozent). Bergab ging es nur in Hunedoara (- 8,6 Prozent), Teleorman (- 21,4 Prozent), Călăraşi (- 2,8 Prozent), Konstanza (- 3,1 Prozent), Covasna (- 6,3 Prozent) und Sălaj (- 1,1 Prozent). Das heißt, dass der Osten – lange Jahre stark unterentwickelt – sich nun auf Wachstumskurs befindet, jedoch von einer geringen Basis aus, während in Siebenbürgen und im Banat das Wachstum geringer ausfällt, dafür aber auf ein stärkeres Fundament ruht. Ausnahme bleibt der Kreis Hunedoara, das starke Minus hängt jedoch dort mit den Problemen des seit Anfang 2016 insolventen Complexul Energetic Hunedoara zusammen, dem Zusammenschluss des Kraftwerks Mintia und der Bergbauverwaltung des Schiltals