Vor meinen Augen öffnet sich von der Fröbelgasse nach links, schmal und sehr lang, die Preyergasse. Die Straßenbahnlinien schnitten tiefe Wunden in den mit Katzsteinpflaster bedeckten Boden. Es ist dunkel. Die Straßenlampen, die Temeswar in Europa auf die Spitze brachten, spendeten spärlich Licht. Konspirativ schlich ich mich an der Hand meiner Mutter in den Abend hinein. Noch nie war ich so spät auf der Straße und die Stille faszinierte mich. Die Nähe meiner Mutter spendete mir Sicherheit und ich freute mich auf die Begegnung, die mich erwartete.
Ich habe in meiner Kindheit wenige Bitten geäußert. Ich könnte sie an einer Hand abzählen. Es lag bestimmt daran, dass ich wusste, wie schnell meine Eltern die erfüllen möchten, und dass ich mich unserer finanziellen Lage bewusst war. Ich glaube, dass mir die Verbindung zwischen Hebräisch lernen und Geld nicht einfiel. Infolgedessen sprach ich meinen Wunsch aus und er wurde, trotz staatlichem Verbot, gehört. Jetzt trippelte ich freudig und voller Erwartung die Straße entlang. Plötzlich blieb meine Mutter stehen. Sie schaute sich vorsichtig um und klopfte an ein Holztor. Wir traten ein. Eine kleine, zierliche, rothaarige Frau kam uns entgegen. Sie lächelte freundlich und stellte mir ihren Mann vor. Herr Herschkowitsch. Er schien mir sehr alt und sehr müde. Aber seine Augen waren freundlich. Ja, ich wollte mit ihm lernen. Zwei Unterrichtsstunden wurden mir gegönnt, dann verschwand Herr Herschkowitsch plötzlich. Erst vor kurzem erfuhr ich, dass er unerwartet und unschuldig inhaftiert wurde.
Ich musste mich von ihm und meinem Traum verabschieden.
Dies war der Anfang einer langen Reihe von Abschiednehmen in meinem Leben.
Die Trennung trug ein endgültiges Gesicht. Ein Wiedersehen war nie möglich. Die Gehenden betraten die Ungewissheit, während die Bleibenden, oft im Schmerz versteinerte Gestalten, zurückblieben. Fahrende, keuchende Züge verließen uns. . .
Namen, wie Zugvögel, durchstreifen meine Erinnerung.
Temeswars Bild wird für mich immer mit den Bildern seiner Menschen zusammenfließen.
Gestalten betreten Häuser, verlassen gemütliche Cafés, spazieren durch angelegte Parks. Ich höre noch ihre Stimmen und sehe noch ihre Gesichter. Frauen und Männer, spielende Kinder, Alt und Jung, alle zusammen bilden eine bunte Gemeinschaft. Sie lassen in meiner Erinnerung die Stadt auferstehen. Wäre es möglich, würde ich sprechende Gemälde malen. Es wäre so, als ob Breugels Gestalten tanzen würden und über ihr Schicksal berichten könnten.