„ich, johann lippet, verfasser dieser biographie/ die nicht nur die meine ist und noch offen bleibt“, schreibt der junge Autor Johann Lippet 1980 ernst und programmatisch in seinem von der Kritik gelobten Debütband „biographie.ein muster“(Kriterion Verlag Bukarest).
Der Banater deutsche Autor, 1951 in Wels, Österreich, geboren und in Wiseschdia aufgewachsen, hat sein sich selbst und uns, den Lesern, gemachtes Versprechen gehalten. Der heute in Sandhausen bei Heidelberg als freischaffender Schriftsteller lebende Autor hat seither ein beachtliches Ouevre in Lyrik- und Prosabänden geschaffen und ist, was wichtig ist, seinem künstlerischen Credo und seinem Grundthema, der unendlichen Chronik seiner Banater Heimat, dessen Menschen und Biographien, treu geblieben.
Sein Banater Prosazyklus, der u. a. „Die Falten im Gesicht“, 1991, „Der Totengräber“, 1997, „Die Tür zur hinteren Küche“, 2000, „Das Feld räumen“, 2005, und den eigenwilligen, umfassenden Pseudo-Roman „Dorfchronik“,2011, wird nun mit „Der Altenpfleger“ ergänzt. Der Band vereint zwei lange Erzählungen „Damit sie nicht fröstelt“ und „Der Altenpfleger“.
Die erste, mit dem Untertitel „Ein Nachruf“, erschließt dem Leser die Lebensgeschichte und den typischen und doch so interessanten Werdegang einer Grundschullehrerin aus dem Banat bzw. aus Hatzfeld, die Ende der 80er-Jahre nach Deutschland ausgewandert ist. Der Ich-Erzähler und Journalist lernt diese Frau aus seiner alten Heimat zufällig kennen und schafft es, ihr ihre faszinierende Geschichte zu entlocken. Diese wird jedoch erst nach ihrem Tode entstehen, als Nachruf auf eine besondere Frau. „Sie ist tot, verstorben am 24. Juli 2001, ich war nicht auf ihrem Begräbnis“– so, in trügerisch nüchternem Ton, beginnt der Autor seine Erzählung.
Was versucht der Autor seiner Leserschaft beharrlich vorzuführen? Was Lippet schon im Großen gelungen war – in der „Dorfchronik“ lotete er sogar 179 Biographien und Familiengeschichten aus der kleinen schwäbischen Gemeinschaft seines Heimatdorfes Wiseschdia aus – schafft er nun auch im Kleinen. Dieser Autor ist ein subtiler Beobachter auch des völlig nebensächlich Erscheinenden. Mit seinem Flair für Erinnerungsarbeit deckt der Erzähler auch in dieser anonymen, kurzlebigen Biographie alle Bezüge zu einem Zeitabschnitt, zum Lebensraum Banat auf. Man hat stets das Gefühl, dass Lippet über uns alle schreibt.
Die Chronik eines gewöhnlichen Menschenlebens wird auch in „Der Altenpfleger“ als Schicksal eines an Demenz erkrankten Mannes aufgerollt. Der Mann stürzt in seinem Haus von der Treppe und stirbt. An dieses schreckliche Ereignis wird der Erzähler nach Jahren, nach all seinen Jahren als Altenpfleger durch einen Anruf erinnert.
Und so durchlebt der Ich-Erzähler noch einmal alle Stationen der zunehmenden menschlichen Hilfslosigkeit und wie er selbst an den Rand psychischer und physischer Ausdauer gelangt.
Der Autor Johann Lippet scheut seit je das Spektakuläre in der Sprache und Handlung. Auch seine Gestalten sind nicht die Außergewöhnlichen, die Helden. Auf eine ehrliche und subtile Art bringt er uns, seine Leser, jedoch zu einer Erkenntnis: Jeder Mensch ist eine Welt, jede Biographie ist trotz ihrer Vergänglichkeit so wichtig wie die große Geschichte und lesenswert.