Zu den Paradoxa der Stadt Reschitza gehört die Tatsache, dass sie ihren Grundbesitz seit der Wende erheblich erweitert, aber bis zum heutigen Tag keine einzige Neuerwerbung ordnungsgemäß ins Grundbuch eingetragen hat. Auch eine große Zahl, praktisch die Mehrheit, der durch die Verstaatlichungen durch die Kommunisten „erworbenen“ Grundstücke sind nie ins Grundbuch eingetragen worden. Zum Glück der nach dem zweiten Weltkrieg Enteigneten, die dadurch ihre heutigen Rückerstattungsforderungen leichter durchsetzen konnten.
Wenn im Kommunismus sowieso „alles dem Volk“ gehörte, warum es dann noch bei einer so altmodischen Institution wie dem im 18. Jahrhundert von Maria Theresia eingeführten Katasteramt zu registrieren – diese Aussage ließ mal Johann Maldet, ein langjähriger Stadtsekretär von Reschitza (damals wie heute ist der Stadtsekretär eine Art oberster Jurist der Stadt) in einem Gespräch fallen, zumal Grundbucheintragungen vom Antragsteller nicht nur zeitaufwändige Zusammenstellungen erforderlicher Dokumentationen, sondern auch die Begleichung von Kosten erfordern.
Eine Haltung, die von der Stadt Reschitza auch nach der Wende praktiziert wurde, wohl weil es in der über Jahrhunderte von Lohnabhängigen bewohnten Industriestadt nach wie vor ein unterentwickeltes Besitzbewusstsein gab.
Erst ein paar Reinfälle aus der Zeit nach der Wende, die die Stadt verkraften musste, und der heutige Bürgermeister Mihai Stepanescu, der aus einer Gegend stammt, die nie von Nationalisierungen betroffen war und wo die Bauern – wegen deren (von seinerzeitigen aus Teregova stammenden Parteibonzen fingrierter) Ertragsarmut, was sie vor Kollektivierungen „uninteressant“ machte – nie Grund und Boden verloren haben, mussten kommen, um ein Umdenken zu starten.
Man erinnert sich (ADZ und BZ berichteten): das Großprojekt des Gewerbegebiets beim Kilometerstein 7 an der Straße in Richtung Karansebesch musste gestoppt werden, weil „plötzlich“ (wie man inzwischen mit Sicherheit weiß: „stimuliert“ von einem stadtbekannten Immobilienhai) Besitzer von Teilgrundstücken des Geländes aufgetaucht sind, die die Stadt wegen Übertretung ihrer Besitzrechte verklagten. Alldas, nachdem in Terrassierungs- und Planierungsarbeiten großräumigen Umfangs binnen zwei Jahren bereits rund drei Millionen Euro „verbaut“ waren – Regierungs-, Kreisrats- und Stadtgelder (die EU-Finanzierung sollte gerade überwiesen werden...).
Oder die große Sporthalle des Wirtschaftskollegiums des Banater Berglands in der Reschitzaer Neustadt, deren Bau bis zur Klärung der Besitzverhältnisse an Grund und Boden gestoppt werden musste, weil das vor Beginn der selben nicht geklärt war. In beiden Fällen wusste der Mann von der Straße übrigens sehr genau, dass es sich um ehemalige Äcker und Heuwiesen der Einwohnerschaft des heute Reschitza eingemeindeten Câlnic handelt (im alten österreichischen Beamtenjargon heißt der Ort „Köllnick“), die auch im Grundbuch als Besitzer der selben eingetragen waren – nur die Juristen der Stadt hatten keine blasse Ahnung von elementarer Stadtgeschichte...
Hohe Geld-, aber auch Zeitverluste waren jedesmal die Folge. Und trotz furioser öffentlicher Drohungen der jeweiligen Bürgermeister (Liviu Spătaru und Mihai Stepanescu) ist den Schlampern nie etwas passiert.
Nicht viel anders die Lage des Naherholungsgebiets am Sekuler Stausee („Platoul Secu“), wo die Stadt mehrere Jahre benötigt hat, um die Besitzerlage per endgültigem Gerichtsurteil zu entwirren und im Grundbuch festschreiben zu lassen – aufgrund dieses nunmehr unanfechtbaren Gerichtsurteils (das aber von ehemaligen Besitzern, deren Besitztümer auf dem Grund des Stausees liegen, noch nicht widerspruchslos hingenommen ist – man erinnere sich an die Frau, die gelegentlich vor dem Reschitzaer Rathaus protestiert und Hungerstreiks erklärt, weil sie unzufrieden ist mit dem, was ihr die Stadt als Ersatz geboten hat),
Reschitza hat im Zuge der Privatisierung der großen Staatsbetriebe, vor allem des Hüttenwerks, nach der Wende unter dem Titel einer „Schuldenbegleichung“ (vor allem für nicht beglichene Grundstücks- und Immobiliensteuern des Staatsbetriebs), zahlreiche große Grundstücke aus dem ehemaligen Besitz der Reschitzaer Werke übereignet bekommen – und bisher nichts davon ins Grundbuch eingetragen. Die Stadt hat wohl auch großes Glück, dass die Nachkommen der alten Reschitzaer Familien, die unter Umständen einmal Besitzer von Teilstücken dieser Grundstücke waren, heute ausgestorben sind oder im Ausland leben, sonst wäre die Stadt von Rückgabeprozessen überzogen. Trotzdem war es keineswegs einer Stadtentwicklung dienlich, dass niemand sich um die endgültige Klärung der Besitzverhältnisse mittels Eintragung ins Grundbuch gekümmert hat.
Nun hat Bürgermeister Mihai Stepanescu auf seiner jüngsten Pressekonferenz angekündigt, dass die Stadt „in der folgenden Zeitspanne, die sicher ein Jahr überschreitet“ die Frage ihres Grundbesitzes zu klären beabsichtigt, „was natürlich arbeits- und kostenaufwändig sein wird.“ Stepanescu: „Was wir vorhaben ist neu für die Stadt. Eine so umfangreiche und kostenaufwändige Aktion haben wir noch nicht gestartet. Als Ziel sehen wir eine endgültige und komplette Katastrierung der Stadt. Das braucht Zeit. 2013 reden wir vom Beginn des Vorhabens. Wann es abgeschlossen sein wird, hängt von vielen – teils auch von uns unabhängigen – Faktoren ab.“