Es gab kein Banater deutsches Dorf ohne seine Spitznamen (von spitz „verletzend“ im 17. Jahrhundert), auch noch Spottnamen. Der Hauptgrund, wird gesagt, war die große Häufigkeit eines Namens in der Dorfgemeinschaft, in der Verwandtschaft, ja gar in einer Familie. In einer kleinen, seit Jahrhunderten in sich geschlossenen Gemeinschaft wie die eines banatschwäbischen Dorfes, gab es jedoch viele Gründe, tausend Gelegenheiten für diese inoffiziellen, mündlichen Ersatznamen. Sie entstanden wohlweislich nicht in der Dorfkirche durch die hl. Taufe (in Nitzkydorf gab es aber auch lustige Ausnahmen), auch nicht im Rathaus durch die Eintragung in das Geburtsregister. Pardon, auch in diesem Amtsbuch kam es nur allzu oft zu Verballhornungen: Durch die Magyarisierungen in der Zeit des Königreichs Ungarn wurde der Nitzkydorfer Schwabe Hans zum Janos, die Barbara zur Borbala. Istenem, das musste eben so sein, erinnern sich die Alten. In der Zeit des Kommunismus werkelte und bastelte der rumänische Notär, unbewusst aber manchmal auch bewusst, an den schönen Namen der Banater Schwaben herum: Johann wurde in den Papieren Ionel oder sogar Nelu, der Michael wurde nicht mehr Mihaly, wie sein verstorbener Großvater, aber dafür von der Geburtsurkunde bis zur Heirats- und Sterbeurkunde ein Mihai. So waren eben die Zeiten, sagten die Leute.
Die Spitznamen wurden bekanntlich durch äußere Merkmale, Verhalten, Beruf, Funktion gebildet, immer durch andere (Personen, Gruppe, Gemeinschaft) oder gar durch die betreffende Person selbst. Bei den Banater Schwaben gab es und gibt es, hoffentlich noch lange Jahre, Spitznamen für Personen, für Familien oder bestimmte Gruppen, aber auch für bestimmte Gegenden, Regionen oder für einzelne Dörfer und Gemeinden.
Die Gemeinde Nitzkydorf in der Banater Hecke (lange Zeit in ihrer Geschichte bis kurz vor dem großen „Aus“, der Massenaussiedlung Anfang1990, mit einer durchschnittlichen Einwohnerzahl von etwa 2000 Einwohnern, zu 90 Prozent Deutsche) machte da keine Ausnahme. Die Nitzkydorfer Nobelpreisträgerin Herta Müller (übrigens war Müller seit jeher der meist verbreitetste Familienname des Dorfes) ging diese Sache in ihrer „Dorfchronik“ (Niederungen,1982). wie folgt, mit ihrem satirischen Unterton an: „In unserem Dorf heißen die Frauen Magdalena, was im Dorf Leni, oder Theresia, was im Dorf Resi genannt wird. Die Männer aus unserem Dorf heißen Matthias, was im Dorf Matz, oder Johann, was im Dorf Hans genannt wird. Die Familiennamen in unserem Dorf sind Berufsnamen: Schuster, Schneider, Wagner, und Tiernamen: Wolf, Bär, Fuchs. Außer diesen Namengibt es in unserem Dorf noch zwei andere Namen: Schauder und Stumper, von denen niemand weiß, woher sie kommen. Einige sogenannte Sprachforscher aus dem Banat haben durch sogenannte Sprachforschungen bewiesen, dass diese Namen durch Verformungen anderer Namen entstanden sind. Außer diesen Namen gibt es im Dorf noch Spottnamen, die im Dorf Spitznamen genannt werden: Schmalzbauer, Geizhals…“
Viel gründlicher geht der Band „Nitzkydorf im Banat. Chronik und Heimatbuch“,,München1994, darauf ein: “Besonders in alter Zeit, da die Familien noch kinderreich waren, gab es viele Leute gleichen Namens. So musste man sich mit Spitznamen aushelfen, die oft viel bezeichnender waren, als die amtlichen Namen es sein konnten. Sehr oft blieb dann dieser Name der Familie, oder er haftete dem Hause an. Und wer in das Haus heiratete oder es übernahm, erhielt auch diesen Namen.
Manche Spitznamen haben sich seit der Ansiedlung bis heute erhalten. So hat die Familie Dassinger den Spitznamen „Jokob“, weil einer der beiden Dassinger Einwanderer Jakob geheißen hat und wahrscheinlich Jakob gerufen wurde. Um die eine Dassingerfamilie von der anderen zu unterscheiden, hat man ihr den Namen „Jokobs“ gegeben. Und dieser Name ist bis heute, also 250 Jahre, geblieben, obwohl man jetzt diese Form des Taufnamens nicht mehr gebraucht. Einer der ersten Seffernick hat Sebastian geheißen. Da der Name ohne hin schwer auszusprechen ist, hat man sie nach dem Taufnamen “Paschtls“ genannt. Auch dieser Taufname wird heute nur mehr in der Form „Wastl“ gebraucht. Der erste Kräuter- „Einwanderer“ hatte mehrere Söhne. Der Älteste hieß Nikolaus. Ein jüngerer Sohn hieß Johann Georg. Als Spitznamen haben sich beide erhalten: Die eine Familie Kräuter heißt „Kreiternickel“, die andere „Hanjerchs“. Interessant ist auch die Herkunft des Namens “Orschl“. Im Haus Nr.96 (früher Nr.34) wohnte die Familie Matthias Kurtz und Ursula Petri. Die Tochter dieses Ehepaars heiratete den zugewanderten Johann Mikosovits .Seitdem blieb der Familie Mikosovits der Spitzname “Orschl“. Selbst der Gassenbrunnen vor ihrem Hause heißt „Orschlbrunnen“. Noch interessanter ist der Spitzname “Lugascher“ . Man würde meinen und gar darauf schwören, dass der Name doch nur von Lugosch herkommen kann. Doch nein, nicht so in Nitzkydorf: Einer der Einwanderer hieß Lukas Stumpf. Er starb1804. Seine Tochter Katharina heiratete 805 Bartholomäus Fetzer. Als ihnen1812 ein Mädchen geboren wurde, trägt der neue Pfarrer, dem die Familie unbekannt war, als Name der Mutter Katharina Lugasch ein. Dieser Spitzname ist einemTeil der Familie Fetzer bis zum heutigen Tag geblieben.“
Fortsetzung folgt
Redaktion: Balthasar Waitz