Monate der Pandemie, der Abschottung und des Verzichts auf soziales und kulturelles Leben liegen hinter uns. Und noch ist unklar, wann das gesellschaftliche Leben erneut gewohnte Rhythmen annimmt. Auch die Wirtschaft und implizite der Staatshaushalt wurden beeinträchtigt, Privatpersonen und Institutionen mussten Einschnitte hinnehmen. Über den Werdegang des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat DFDB in diesen Zeiten sprach BZ-Redaktionsleiter Siegfried Thiel mit dem DFDB-Vorsitzenden Dr. Johann Fernbach.
Inwiefern hat das Deutsche Forum durch die Corona-Krise eigentlich an Kulturtätigkeit, an finanzieller Unterstützung, an Image verloren?
Das Forum hat verloren, alle haben verloren. Eigentlich ist die Zeit stehen geblieben: hier bei uns, in Europa und weltweit. Wir hatten im Banater Forum auch für dieses Jahr schöne und große Projekte geplant, die mindestens zum Teil ausgefallen sind oder komplett abgesagt wurden.
Zählen Sie bitte einige auf...
Da wäre einmal die Gedenkfeier zur 75-Jahrfeier seit Beginn der Russlanddeportation, dann 30 Jahre Deutsches Forum im Banat, wozu wir auch mehrere hochrangige Persönlichkeiten eingeladen und viele davon bereits zugesagt hatten. Dann hatten wir für Ende Mai die 150-Jahrfeier der Lenau-Schule in Vorbereitung. Eine Großveranstaltung waren auch die Deutschen Literaturtage in Reschitza. All diese und viele andere Veranstaltungen konnten nicht planmäßig stattfinden. Wir wollen jedoch darauf nicht verzichten und werden die meisten Veranstaltungen im Herbst oder im kommenden Jahr neu ansetzen. Auch unsere Reise nach Ulm zu den Heimattagen der Banater Schwaben, zusammen mit Banater Journalisten, konnte in diesem Jahr nicht stattfinden.
Die Kulturtätigkeit des Forums wird über weite Strecken vom Staatshaushalt finanziert. Muss man sich wohl im neuen Kontext auch um die Finanzierung aus Bukarest Sorgen machen?
Möglicherweise gibt es auch von da aus Einschnitte. Aber durch die bereits verschobenen Projekte hatten wir in dieser Hinsicht vorerst keine Ausgaben. Aber auch sonst haben wir zu Vorsicht gemahnt und alle nicht unbedingt notwendigen Kosten zurückgefahren. Wir haben beschlossen, dass der Druck und der Ankauf von Büchern mit Verzögerung erfolgen wird. Der Kauf eines Flügels für das Banater Forum wurde verschoben.
Gewohnheit ist so etwas wie eine zweite Natur. Wie groß ist das Risiko, dass sich die deutsche Gemeinschaft durch die Einschränkungen sozusagen vom deutschen Forum, vom AMG-Haus abgewohnt? Können wir von einem Image-Verlust sprechen?
Image-Verlust? Na ja, so würde ich es nicht formulieren, denn ich bin überzeugt, dass die Mitglieder und Sympathisanten auch in Zukunft in unser Haus kommen, dass sie an Volksfesten und Brauchtumsfeiern, aber auch an Tagungen und Symposien teilnehmen werden, so wie dies auch bisher der Fall war. Die Bindung unserer Mitglieder zum Forum ist sehr stark und ich zweifle nicht daran, dass alles zumindest so ähnlich wird, wie vor der Pandemie. Aus Telefonaten mit Mitgliedern weiß ich, dass die Leute darauf warten, wieder zu den Chor- und Tanzproben gehen zu können, wieder an Volksuni-Vorträgen teilnehmen und wieder unsere Bibliothek besuchen wollen. Über die deutschsprachigen Medien haben wir sozusagen den Kontakt gehalten. Wir haben jeden Mittwoch unsere BZ mit vielen Unterhaltungs-Beiträgen für die Freizeit, aber auch mit Tagesinformationen, die die Brücke zwischen den Mitgliedern aufrecht erhält. Dazu kommen die deutschen Radio- und Fernsehsendungen mit guter deutscher Musik und mit Informationsthemen.
Wie laufen die Kontakte zu den anderen deutschsprachigen Institutionen in der Region?
Die Nachfrage für die deutsche Sprache ist ungebrochen. Allein die Lenau-Schule wird im kommenden Jahr fünf Vorschulklassen haben. Die Pandemie hat bei aller Problematik auch dazu geführt, dass sich alle das Internet näher bringen mussten, was als Fortschritt und Modernisierung gesehen werden kann. Unsere gute Beziehung zum deutschen Konsulat und zu den Wirtschaftsclubs ist weiter erhalten geblieben. Es besteht die Möglichkeit, dass in Zukunft das Deutsche Kulturzentrum in eine Filiale des Goethe-Instituts umgewandelt wird, wie dies in Klausenburg der Fall ist. Dies ist auch von Vorteil für die Finanzierungsmöglichkeiten des Kulturzentrums, was das Angebot vervielfältigen würde. Ich muss in diesem Kontext auch die katholische und evangelische Kirche erwähnen, die sich in der Bewältigung der Coronakrise vorbildlich verhalten, die Vorsichtsmaßnahmen eingehalten und übers Internet die Messen in unsere Wohnzimmer getragen hat. Die Banater Schwaben waren schon immer sehr gläubig. Wir fühlen alle die Bedeutung der Kirche und die heilige Messe im Gotteshaus fehlt uns auf jeden Fall.
Die Vorbereitungen für Temeswar als Kulturhauptstadt 2021 müssten zurzeit voll im Gange sein, doch momentan sieht alles wie ein klein wenig „auf Eis gelegt“ aus. Kommentieren Sie bitte...
Um Sinn zu machen, müsste meiner Meinung nach alles um ein Jahr verschoben werden. Sehen Sie, die drei Städte, die heuer den Titel Kulturhauptstadt Europas tragen, haben sich vorbereitet und haben nun im Endeffekt gar nichts davon. Keine Veranstaltungen, keine Touristen, nur viel ausgegebenes Geld. Eine Überlegung wäre, für 2021 sechs Städte, die drei aus diesem Jahr sowie die rechtmäßigen aus dem kommenden, diesen Titel tragen zu lassen. Aber das bringt auch nichts, denn dann wäre das Angebot zu breit angelegt. Deshalb sehe ich es als gute Variante, alles um ein Jahr zu verschieben. Dies würde auch Temeswar die Möglichkeit geben, sich besser auf diesen Titel - und alles was damit zusammenhängt - vorzubereiten. Aber man sollte noch ein wenig abwarten und sehen, wie sich die Sachen in der Virus-Krise weiter entwickeln. Genauso kann man von Vorteil sehen, dass die Fußball-Europameisterschaft um ein Jahr verschoben wird. Rumänien wurde so ebenfalls eine Frist gewährt, seine Stadien fertig zu kriegen, seine Infrastruktur zu verbessern. Man kann diesen Aufschub durchaus auch als Chance sehen.
Wie geht es weiter im und mit dem Deutschen Forum?
Wir haben eine ganz heikle Aufgabe zu bewältigen, da in unserem Haus, wo die meisten Veranstaltungen stattfinden, also im AMG-Haus, auch das Seniorenheim in Temeswar untergebracht ist. Und es gilt als oberste Priorität, die Bewohner des Heimes zu schützen. In Temeswar und in Bakowa ist uns dies bisher hervorragend gelungen, im Altenheim in Sanktanna sind leider einige Bewohner letztendlich am Coronavirus gestorben. Um auf die Frage zurückzukommen: Natürlich wollen wir schon bald unseren Mitgliedern wieder etwas bieten können. Wenn die Meldungen in Sachen Covid 19 nicht mehr so beängstigend sind, können wir das Haus wieder für Besucher und Veranstaltungen öffnen. Natürlich mit den vorgegebenen Schutzmaßnahmen.
In den letzten Jahren hat man in Temeswar, Arad, Reschitza und in anderen Ortschaften des Banats von den Senioren- bis zu den Jugend-Kulturgruppen - durch ehrenamtliche Arbeit der Kulturgruppenleiter aus den Reihen des Forums – Traditionen und Brauchtum aufrecht erhalten können. Parallel dazu hat der Tanzlehrer Hansi Müller, vorwiegend in Zusammenarbeit mit den Bürgermeisterämtern, die banatschwäbische Kulturtätigkeit ausgebaut, indem er in Ortschaften Tanzgruppen gründete, in denen diese Tätigkeit bereits eingeschlafen war. In der Pandemie-Krise wurde Hansi Müllers kleine Tanz-GmbH finanziell beeinträchtigt, weil die Bürgermeister auf Sparprogramm schalteten und die Finanzierung abbrachen. Das Hilfswerk der Banater Schwaben unterstützte Hansi Müller, um vorerst über die Runden zu kommen, Wie sehen Sie seine Arbeit im Sinne der deutschen Kultur- und Brauchtumspflege?
Ja, das stimmt. Die Zahl der Kulturgruppen ist nicht nur konstant geblieben, nein, unter dem Strich gesehen, ist diese sogar angestiegen. Das geht auf eine kontinuierliche Arbeit unserer ehrenamtlich agierenden Leiter von Kulturgruppen zurück. Hansi Müller hat seinerseits eine sehr gute Arbeit geleistet. Dass er vorwiegend rumänischen Kindern unsere Tänze beibringt und diese Jugendlichen mit großer Freude die schwäbischen Traditionen pflegen, ist ein Gewinn für uns. Ich hoffe, dass alles bald wieder ins rechte Lot kommt und diese Tanzgruppen, zusammen mit den Kulturgruppen des Deutschen Forums aus dem gesamten Banat bald wieder ihre Tätigkeit so gestalten können, dass die banatschwäbischen Traditionen weiterhin gepflegt, beibehalten und überliefert werden.