Die Freiheit sich zu äußern, war für viele junge Medizinstudenten eine angenehme Überraschung, als vor Kurzem an der Universität für Medizin und Pharmazeutik „Victor Babeş“ in Temeswar das Ereignis „Ars et Medica, Vita Longa“ veranstaltet wurde. Fünf Tage lang konnten sich die Studenten des ersten und zweiten Jahrgangs an verschiedenen Workshops und Konferenzen beteiligen und dabei lernen, wie sie die Kunst und das Menschliche in einem höchst pragmatischen Beruf einbinden können.
Kunst und Medizin können Hand in Hand gehen. Davon ist die Initiatorin der Veranstaltungswoche, Gabriela Luca, fest überzeugt. Die Anthropologin und Philologin ist Lektorin an der Medizinfakultät und wollte dies sowohl den Studenten, als auch den Professoren beweisen. Ärzte, Psychologen, Künstler und Schriftsteller hielten Workshops und machten aus der therapeutischen Wirkung der Musik, des Tanzes, des Zeichnens, des Theaters oder der Literatur auf den menschlichen Körper und auf die Psyche das Hauptthema der Begegnung. Dr. Ioan Bradu Iamandescu vom Colentina-Krankenhaus in Bukarest war einer der Gäste in Temeswar. Der Allergologe hatte einige der ersten Studien für Musik-Therapie in Rumänien unternommen. „Reinigung durch Kunst“ hieß ein anderer Workshop, der für Begeisterung unter den Medizinstudenten sorgte. Die Psychologin und zugleich Philologin Simona Olaru Poşiar führte die Studenten in die Welt von Unica Zürn. Die deutsche Schriftstellerin und Zeichnerin wurde im Laufe ihres Lebens mit paranoider Schizophrenie diagnostiziert. Wie sich dabei ihre Krankheit in ihrem Roman „Dunkler Frühling“ widerspiegelt, war für die jungen Mediziner sehr interessant. „Die angehenden Ärzte studieren Psychologie im ersten Studienjahr und Psychiatrie erst im sechsten. Dass sie die Psyche ihres Patienten verstehen, sollte für Ärzte sehr wichtig sein“, sagt Simona Olaru Poşiar. Die Psychologin sieht das medizinische Interview als sehr wichtig für ihre Studenten. „Ein Arzt hat meistens 15 Minuten, um die Anamnese seines Patienten, diesen wichtigen Baustein in der medizinischen Diagnostik, zu erheben. Sie haben also nur wenig Zeit, mit ihren Patienten in Verbindung zu kommen“, sagt die Lektorin.
Davon ausgegangen wurde ein weiteres Thema im Rahmen der Veranstaltung diskutiert: die sogenannte „sprechende Medizin“. „In der aktuellen Gesundheitspolitik ist der Begriff `Narrative-based Medicine´ ein Schlagwort geworden. Die Behandlung von Patienten durch heilende Worte hat schon Sokrates unterstrichen“, sagt Lektorin Gabriela Luca. „Worte haben einen starken Einfluss auf den Menschen. Im positiven Fall können Worte heilen und die Genesung fördern. Im negativen Fall können sie kränken, verletzen, psychosomatische Beschwerden hervorrufen oder traumatisieren“, setzt die Anthropologin fort. Hintergrund des Workshops in Temeswar war die Verbesserung des Dialoges zwischen Arzt und Patienten. „Die Ärzte sollen offener sein, sich trauen, über sich selbst zu erzählen und Geduld haben, dem Patienten zuzuhören“, betonte zum Schluss Gabriela Luca.
Auch andere Konferenzen zu ähnlichen Themen sollen demnächst an der Temeswarer Medizinhochschule veranstaltet werden. Eine ganze Woche „Ars et Medica“ könnte noch im kommende Studienjahr stattfinden. Ende Mai findet das Seminar „Intangible Bodies within the Body: Memories, Feelings and Forecasts“ statt. Dieses Seminar legt den Fokus auf die Kulturwissenschaft des Körpers, die unsichtbaren Charakteristiken des Körpers, die für unsere Gefühle, Erinnerungen und Strategien verantwortlich sind. Zu Gast in Temeswar wird u.a. Slobodan Dan Paich, Leiter und Hauptforscher der Artship Foundation aus San Francisco, sein.