Am letzten Wochenende im April traf sich an der West-Universität von Temeswar eine Altherren-Runde. Die etwa Sechszigjährigen und andere, jüngere und ältere, auch Gerhardt Csejka, einer ihrer seinerzeitigen Mentoren, wollten über die glorreiche Jugend und Vergangenheit der ehrbaren Herren sprechen. Gewissermaßen sollte es, uneingestandenermaßen, eine Festschreibung dessen sein, was man selber möchte, dass die sogenannte Nachwelt über die Aktionsgruppe Banat weiß, denkt, schreibt.
Das Rezept nutz(t)en viele: bevor andere über dich Blödsinn schreiben, schreib lieber zuerst selber auf, was du wie interpretiert haben willst.
Für die Aktionsgruppe Banat ist es dazu schon fast zu spät. Der Interessensschub, den die Tischrede von Herta Müller bei der Nobelpreisverleihung ausgelöst hat für diejenigen, die ihr, wie sie in Stockholm selber betonte, den Weg zeigten, hat viele „Kenner“ der Aktionsgruppe auf den Plan gerufen. Die nicht nur Gescheites geschrieben haben. Also war die Gelegenheit nicht unwillkommen, die von der West-Universität und dem Münchner IGKS-Institut geboten wurde mit ihren „40 Jahre Aktionsgruppe Banat“. Dass Richard Wagner nicht kommen konnte, war ein Verlust, den sein Einführungsvortrag – er wird in der „Banater Zeitung“ veröffentlicht - nur teilweise kompensieren konnte. Rolf Bossert ist schon eine ganze Weile tot, wo Albert Bohn steckt, weiß niemand.
Aus familiären Gründen konnte Gerhard Ortinau nicht voll bei der Sache sein, Johann Lippet ist mit seiner eher zurückhaltenden Art nicht der Stimmungsmacher, Anton Sterbling agierte als freundlich-mitreißender Moderator mit leidlich Selbstironie im Sinne des überraschend gut besetzten Saals (wie viele der StudentInnen mussten wohl kommen?), Horst Samson zähmte seinen Showdrang, Balthasar Waitz kam ab und an aus sich heraus und las aus seiner ansprechenden Kurzprosa, Willi Totok, überraschend systematisch und objektstrebsam geworden, referierte über das, was ihm die schlimmsten Schmerzen verursachte und das er am besten kennt: die Securitate (auch von ihm veröffentlicht die BZ demnächst einen brisanten Beitrag).
Ernest Wichner, ganz Direktor des Berliner Literaturhauses, las ein sprachlich glänzendes Referat vor und Gedichte aus einem seiner Lyrikbände, die rumänischen Freunde – Daniel Vighi, Ion Bogdan Lefter – integrierten sich mit Verve in die Atmosphäre, die aus dem Hintergrund auch Viorel Marineasa sichtlich genoss.
Genossen scheinen die Anwesenden auch die Lesungen zu haben, urteilt man nach dem Beifall. Vielleicht hätte die Veranstaltung größere Breitenwirkung gebracht, wenn wir etwas betonter von der Nabelschau abgerückt und auf ein breiteres Publikum zugegangen wären – etwa durch mehr Lesungen in Rumänisch.
Immerhin war die seinerzeitige Anthologie von Peter Motzan, Vânt potrivit până la tare, für eine Generation rumänischer Literaten eine Offenbarung. Ion Bogdan Lefter hat sie just am Eröffnungstag in einer vervollständigten Neuauflage vorgestellt – wegen der Motzan nicht nach Temeswar gekommen ist...