Schon aus der Ferne sieht man sie glänzen. Die neuen Kreuze, die seit September 2014 auf den beiden Türmen der Wallfahrtskirche Maria Radna im Verwaltungskreis Arad stehen. Ungefähr 30.000 Menschen kamen hier dieses Jahr zum Fest Mariä Geburt zwischen dem 6. – 8. September – Gläubige aus Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Kroatien. Am letzten Tag des Festes wurden sie Zeugen der Segnung der neuen Kreuze, die in Nachhinein hoch auf die Kirchentürmer angebracht wurden, dort wo vorher die alten Kreuze ungefähr einhundert Jahre lang standen. Auch wenn sie jetzt nicht mehr nützlich sind, können diese weiterhin besichtigt werden: im Museum der Basilika – sobald dieses für das Publikum offen ist. Zurzeit finden auch dort Sanierungsarbeiten statt, genauso wie in allen Gebäuden des Wallfahrtsortes.
Auf 200 Jahre garantiert
Ungefähr ein Jahr lang blieb die Basilika Maria Radna ohne Turmkreuze, denn seit Mai 2013 befindet sie sich im Bauzustand. Ein elf Millionen Euro schweres Sanierungsprojekt wird derzeit durch EU-Gelder abgewickelt. 2015 sollen die Arbeiten abgeschlossen und die neusanierte Kirche am 2. August nächsten Jahres gesegnet werden.„Wir wussten, dass nach mehr als ein hundert Jahren die alten Kreuze ersetzt werden müssen“, so Andreas Reinholz, Domherr der Basilika Maria Radna. „Der Plan war, erst die alten Kreuze, die aus Kupfer waren, zu benutzen und diese zu vergolden, aber Gold mit Kupfer bindet nicht richtig, und es bestand die Gefahr, dass sich schon nach sechs oder sieben Jahren einige Goldteile abblättern würden“, führt er weiter aus. Eine regelmäßige Neuvergoldung haben die Kirchenvertreter ausgeschlossen und sich entschieden, eine andere Lösung dafür zu finden. So kam es zu der Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit Meister Lazar Gheorghe aus Arad, der sich seit zehn Jahren ausschließlich mit der Anfertigung von Turmkreuzen beschäftigt. Dass er für seine Kreuze wenigstens 200 Jahre garantiert, war wohl einer der Hauptgründe für diese Entscheidung. „Natürlich können wir das kaum überprüfen. Wir sind aber zuversichtlich, dass dieser Mann eine gute Arbeit geleistet hat“, so Pfarrer Andreas Reinholz.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: zwei perfekt glatt vergoldete Kreuze, die dieselben Maße und Form haben, wie die alten, die früher auf den Türmen der Maria-Radna-Basilika standen. Wie Lazar Gheorghe dass genau geschafft hat, bleibt sein Arbeitsgeheimnis, denn er ist der einzige Meister in Rumänien, „und sogar in Europa“, wie er selbst behauptet, der solche Kreuze anfertigen kann: Es handelt sich dabei um Kreuze aus Edelstahl, die im Nachhinein durch Elektrolyse vergoldet werden. „Ich habe so viel experimentiert, bis ich die perfekte Technik gefunden habe“. Niemand hätte ihm das Handwerk beigebracht. Allein durch das langjährige bearbeiten verschiedener Materialen und durch das Sammeln von Informationen über deren Eigenschaften – sogar das TV-Programm Discovery Channel soll geholfen haben – brachte er es zu dieser Leistung.
Erfahrung macht den Meister
In der Werkstatt, die er hinter seinem selbstgebauten Haus eingerichtet hat, arbeitet Lazar Gheorghe täglich von morgens früh bis spät in die Nacht. Umgeben von Stahlstangen, Edelstahlpatten und Geräte zur Verarbeitung von Metallen verbringt er den größten Teil seines Tages: Schwitzen und Schweißen. Keine anderen Arbeitskräfte sind dabei. Seine Frau sei seine einzige Hilfe, erklärt er stolz. Vor 26 Jahren betete er in einer Kirche für eine Frau, so wie er sie sich vorgestellt hatte und beim Ausgang traf er sie endlich. Zwei Monate danach waren sie verheiratet. So war es auch mit den Kirchenkreuzen, und mit allen Berufen, die Lazar Gheorghe in seinem Leben hatte: „Ich mache einfach das Beste aus dem, was Gott mir gibt“. In seiner Jugend war er Sportler, Musiker, sogar Koch bei Hochzeiten eine Weile lang. Danach Kirchenmaler, Bildhauer und jetzt Handwerker. Darauf, dass er sogar eine Panflöte für den berühmten Gheorghe Zamfir angefertigt hat, ist er besonders stolz.
Die Nachricht, dass es in Rumänien einen Meister gibt, der perfekte und wetterfeste vergoldete Turmkreuze anfertigt, hat sich mit großer Geschwindigkeit unter der Kirchengemeinschaft verbreitet. „Ich wollte mir Visitenkarten machen, aber die brauche ich nicht mehr“, sagt Lazar Gheorghe. Für die nächsten drei Jahre ist er komplett ausgebucht. Einige seiner nennenswerten Arbeiten sind die Kreuze an den orthodoxen Kathedralen in Suceava, Großwardein/ Oradea, Sathmar/ Satu Mare, aber auch die am Kloster von Dobresti, in der Nähe von Lugosch. Zum ersten Mal hat er für die Maria Radna-Basilika mit der katholischen Kirche zusammen gearbeitet und hofft, dass er in Zukunft erneut diese Gelegenheit haben wird.
Nun steht ein anderes Stahl-Skelett auf Lazar Gheorghes „Arbeitstisch“. Es gehört dem Kreuz einer neuen orthodoxen Kirche, die in Arad gebaut wird. Der Meister erklärt uns kurz seinen Arbeitsprozess: „Auf die Stahlstruktur kommt ein Buchensperrholz und darauf das Edelstahl, das vergoldet wird“. Für die Vergoldung hat sich Lazar Gheorghe zwei spezielle Geräte aus den USA gekauft, mit denen er es schafft, mit nur ein paar Gramm 24-karatigem Gold ein ganzes Kreuz zu bedecken. Pfarrer Andreas Reinholz bestätigt: „Man benützt dafür ganz wenig Gold. Auch in den Kirchen im Westen, die überall glänzen, wird wenig Gold benutzt, vielleicht bis zu einem halben Kilo“. Trotzdem kostet das Gold für einen Quadratmeter Fläche 800 – 1000 Euro – es besteht aus ganz kleinen Partikeln, die sich in einer Zyanid-Lösung befinden. Der Gesamtpreis eines von Lazar Gheorghe angefertigten Kreuzes kommt auf 1.500 Euro pro Quadratmeter. Einer einfachen Rechnung nach: Das Kreuz, das für die orthodoxe Kathedrale in Suceava hergestellt wurde, hatte eine Höhe von 13 Metern und eine Oberfläche von etwa 20 Quadratmetern. Im Gegensatz dazu sind die Kreuze von Maria Radna nur 2.5 Meter hoch. Die 1.500 Euro/Quadratmeter stehen für den gesamten Prozess, von Manufaktur bis zum Aufstellen der Kreuze. Lazar Gheorghe ist nicht nur Meister, sondern auch Projektant, kümmert sich meistens auch um den Transport und montiert die Kreuze auch selbst auf die Türme der Kirchen. „Ich mag es mit dem Gleitschirm zu fliegen und ich liebe die Höhen, also habe ich kein Problem, auf die Türme zu klettern, und die Montage zu machen“, so der vielseitige Meister.
Vom Kirchenmaler zum Handwerker
Schon seit seiner Kindheit liebte er es, mit Holz und Metall zu basteln, hat jedoch irgendwann den Weg der Kunst und Skulptur gewählt. Bevor er mit der Fertigung von Kreuzen angefangen hat, war er Kirchenmaler. „Vor ungefähr zehn Jahren arbeitete ich zusammen mit meiner Frau am Altar der Klosterkirche ‘Gai‘ in Arad. Der Pfarrer suchte dringend eine Firma, die die Kreuze anfertigen sollte, hat aber niemanden gefunden, der es so machen konnte, wie er es sich vorgestellt hat. Als ich ihm sagte, dass das Schweißen von Messing nicht unmöglich ist (obwohl Edelstahl viel besser als Messing in dieser Situation passt), wie es ihm alle sagten, hat er mir den Auftrag gegeben“, erzählt Lazar Gheorghe, wie er zu seiner heutigen Beschäftigung gekommen ist. Nachdem er seinen ersten Auftrag erfolgreich abgeschlossen hatte, fingen die Bestellungen an, eine nach der anderen einzugehen. „Eines Tages merkte ich, dass ich Meister für Kirchenkreuze bin. Es war gar nicht geplant“. Inzwischen hat er sich komplett auf diesen Bereich umgestellt. Dass es sogar andere Unternehmen gibt, die seine Kreuze als eigene angeben, macht ihm nichts aus: „Ein Pfarrer hat mir davon erzählt, wie ihm eine Firma Fotos mit meinen Kreuzen gezeigt hat und behauptet, dass es ihre waren, aber das kann mich doch nur freuen. Das heißt, dass meine Arbeit geschätzt wird“. Kein Kunde hat sich bisher über seine Arbeit beklagt. Noch nicht. 200 Jahre sind jedoch eine lange Zeit…