An mehreren Tagen und mit zahlreichen Veranstaltungen hat die Stadt Temeswar Mitte Oktober 300 Jahre seit der Befreiung von der osmanischen Herrschaft durch Prinz Eugen von Savoyen gefeiert. Kaiserliche Soldaten liefen durch die Innenstadt, es gab osmanische Zelte vor dem Kunstmuseum am Domplatz, die Philharmonie lud zum Konzert auf dem Freiheitsplatz ein und im Hohen Dom zu Temeswar wurde ein besonderes Pontifikalamt zelebriert. Alles schön und gut. Feierlichkeiten, die vor Jahrzehnten oder sogar noch vor einigen Jahren kaum vorstellbar waren, sind heuer wie selbstverständlich über die Bühne gegangen. Dass man dabei das Ganze unter dem Motto des Lichts, des befreienden Lichts, und der 300-jährigen Angehörigkeit zu Mitteleuropa gestellt hat, war ein kluger Schachzug der Organisatoren. Und ein willkommener.
Am Tag des großen Jubiläums jedoch ging der Traum von Mitteleuropa fast in die Brüche. Denn am 18. Oktober, just an dem Tag des Siegeszugs Prinz Eugens in die von den Türken geräumte Stadt, weihte Bürgermeister Nicolae Robu die Gedenktafel am Prinz-Eugen-Haus ein. Die mehrsprachige Tafel erinnert auf Rumänisch, Englisch, Deutsch, Ungarisch und Serbisch an den Einzug des habsburgischen Befehlshabers. Sie ist mit dem Konterfei des Savoyers geschmückt und mit folgendem angeblich deutschem Text versehen: „300 Jahre seit dem Eintritt von Eugen von Savoyen in der Festung Temeswar”. Die Journalisten der ADZ/BZ bemerkten die Fehler sofort, noch bevor Bürgermeister Nicolae Robu die Tafel feierlich einweihen konnte. Die falsche Wortwahl: der Eintritt, der kein Eintritt sein darf, sondern ein Siegeszug, ein Einzug vielleicht. Und der Dativ, der eigentlich ein Akkusativ sein muss, denn in die Festung Temeswar zog der Prinz ein, nicht in der Festung. Lappalien, würde man meinen. Kleinigkeiten. Bemerkt von Journalisten, die kein Auge fürs Ganze haben, sondern auf Detailfehlerjagd gehen.
Nein, das fehlerhafte Deutsch auf der Prinz-Eugen-Tafel ist keine Lappalie, sondern eine Schande. Eine Peinlichkeit sondergleichen, ein Reinfall, der das Gefühl des Fremdschämens emporkommen lässt. Denn man hat sich zu schämen für die Unfähigkeit der Stadtbeamten, die - des Deutschen nicht mächtig - auf eine derart schlechte Übersetzung des rumänischen Textes zurückgegriffen haben. Obwohl sie natürlich mindestens ein Dutzend Möglichkeiten hatten, nachzufragen, bevor sie die Tafel mit dem beschämenden Text in Auftrag gaben. Denn es gibt in dieser Stadt so manche deutsche oder deutschsprachige Institution. Bürgermeister Robu und seine Untergesetzten seien also erinnert, dass die West-Universität einen Germanistiklehrstuhl besitzt. Dass es das Nikolaus-Lenau-Lyzeum gibt, auch dort wird Deutsch und auf Deutsch unterrichtet. Übrigens, dort hat eine Schriftstellerin Abitur geschrieben, die den Nobelpreis bekommen hat und zufälligerweise auf Deutsch schreibt. Dann gibt es, nur zur Erinnerung der Verantwortlichen, das Deutsche Kulturzentrum, es gibt das Deutsche Staatstheater, die deutschsprachige Radiosendung, das Deutsche Forum und diese Zeitung. Und auch noch ein paar private Sprachschulen, an denen ebenfalls Deutsch unterrichtet wird, eine deutschsprachige Gemeinschaft von Geschäftsleuten und eine diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland.
Von alldem wusste Bürgermeister Robu nichts. Er sei nicht schuld, die beiden Deutschlehrerinnen (sic!), die man mit der Verfassung des Textes beauftragt hatte, würden auf die Richtigkeit ihrer Produktion bestehen. Aber, so der Stadtvater, die Freunde aus Karlsruhe, der Temeswarer Partnerstadt, wären einer anderen Meinung, der Text sei nämlich falsch und deshalb werde das Bürgermeisteramt Korrekturen vornehmen. Die Stadt, in der früher Franz Xaver Kappus Briefe von Rilke empfangen und ein Germanist wie Johann Wolf Goethes „Faust” unterrichtet hat, muss jetzt in Karlsruhe nachfragen, ob ein Satz im richtigen Deutsch geschrieben ist oder nicht. Ist der Satz an sich eine Schande, so ist die Nachfrage in Karlsruhe, wenn es sie überhaupt gegeben hat, eine Beleidigung all jener, die sich hier (noch) um den Erhalt der deutschen Sprache bemühen.
Andererseits kann sich eine Nachfrage bei den Freunden in Karlsruhe schon lohnen. Wenn man zum Beispiel danach fragt, wie der Verkehr geregelt werden kann, wie der Einzelhandel in der Innenstadt gestaltet werden soll, wie die Altbausubstanz zu retten ist, wie eine Tourismusstrategie zu konzipieren ist. Stellt man die richtigen Fragen, bekommt man auch die richtigen Antworten. Und bis diese kommen, hat man genug Zeit, an einer Tafel einen 13 Wörter langen Satz im anständigen Deutsch zu meißeln. Wenn man eh nicht von Anfang an dazu im Stande war...