Mit seiner neuen Premiere "Lasst Oma in Ruhe!" des lettischen Autors Lev Kazarnovskis bringt das DSTT-Ensemble mit vier seiner jüngsten Schauspielern eine vordergründig "leichte" Komödie auf die Bühne. Das Thema ist jedoch keineswegs leicht und fazil zu nennen, geht es doch um die Problematik der deutschen Aussiedler aus Osteuropa. Das Thema wurde wohl in der Prosa mehrfach behandelt (siehe auch Herta Müllers "Reisende auf einem Bein", Richard Wagners "Begrüßungsgeld" oder Johann Lippets "Protokoll..."), im zeitgenössischen deutschen Theater stellt es eher eine Rarität dar. Laut Gastspielleiterin Simona Vintila, wäre es an der Zeit, dass wir diese erlebten Geschichten aus dem Kommunismus mit mehr Humor behandeln.
Diese Komödie in zwei Akten ist zeitlich und räumlich beschränkt: Auf den Aussiedleralltag im Frühstadium, auf eines der muffigen Zimmern im Übergangsheim, von den Betroffenen allgemein "Lager" genannt. Ein junges Paar, die Russlanddeutschen Wladimir (Alex Popa) und Elena (Silvia Török), haben eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung dank ihrer deutschen Großmutter erhalten. Da die Oma vor der Abreise stirbt, nehmen die Beiden eine Puppe im Rollstuhl mit nach Deutschland und präsentieren sie als "gelähmte Oma". Der hirnwitzige Plan- In der Handlung der Komödie macht gerade dieser die Quelle der Situationskomik aus- scheint zu funktionieren, bis die neugierige Nachbarin Uljana (Oana Vidoni) sich nicht einmischt, und die gelähmte Oma auf ihre altbewährte Weise wieder auf die Beine bringen möchte. Der verkleidete Wladimir macht nun zähneknirschend das Spiel als gelähmte Oma im Rollstuhl mit. Der gesamte Plan gerät aus den Fugen, da Herr Schulz (Richard Hladik), der zuständige Beamte vom Sozialamt, das Fehlen des jungen Mannes ausnützend, mit allerhand Geschenken und gar einem Heiratsantrag um die Gunst von Elena wirbt.
Der Autor Lev Kazarnovskis, 1948 in Riga geboren, 2001 selbst nach Deutschland ausgesiedelt, war schon früh in Lettland und Russland als begnadeter Humorist bekannt. In Deutschland schrieb er Kinderbücher aber vor allem Theaterstücke für Kinder. Im vorgenannten Stück wirft er, wohl in einer humoristisch-satirischen Variante, ernste Fragen unserer europäischen Gegenwart, im Kontext der verstärkten Migration Ost-West auf: Was kostet immer der Verlust der Heimat, welches sind die Opfer jedes Einzelnen für das erträumte bessere Leben im Westen?
"Ein Wunderland" oder "Endlich können wir ein neues Leben beginnen"- Wladimirs anfängliche Begeisterung wird von der Enge und Muffigkeit des Übergangsheims schnell gedämpft. "Leute waren wir da, hier sind wir Emigranten", belehrt die Nachbarin Uljana die Neuankömmlinge. Elena und Waldimir entdecken entgeistert, dass sie diese traurige Szenerie schon einmal zu Genüge in Russland ausgekostet haben und es nun, ein Paradox der Geschichte, in der sogenannten freien Welt erneut erleben müssen: All das, von dem sie geflohen sind (Verlust der Privatsphäre, die Enge, die störenden Gewohnheiten der Mitbewohner, das ewige Schnüffeln und Spionieren der Nachbarn, die Bürokratie) erinnert sie an das typische Kommunalka-Wohnheim von zu Hause.
Diese Inszenierung kam im Rahmen des Programms "Die erste Reihe" zur Förderung junger Theaterschaffender zustande. Am DSTT kommt der Nachwuchs immer entschiedener und besser zum Zug: Die Darsteller sind außer Silvia Török (seit 2011 Mitglied des DSTT) Studenten oder Absolventen der Schauspielkunst in deutscher Sprache an der West-Uni Temeswar. Und wie Alex Popa, der jüngste (Student des I. Jahrgangs), so machten auch die anderen schon als Schüler in den NIL-Schultheatergruppen des Lenaulyzeums mit.