Der Gemütszustand von Pfarrer Andreas Reinholz fährt derzeit bestimmt Achterbahn - mit positiven Akzenten: Da ist zum einen die anstehende Sanierung von Kirche und Kloster Maria Radna, zum anderen melden sich entrüstete Touristen über den Zustand der päpstlichen Basilika Minor im Arader Kur- und Wallfahrtsort. In knapp dreieinhalb Jahren soll die Sanierung abgeschlossen sein, in diesen Tagen steht die öffentliche Ausschreibung der Arbeiten möglicherweise bereits im Internet. 47 Millionen Lei aus EU-Fonds werden bald auf das Projektkonto fließen – der Finanzierungsvertrag wurde am 1. März in Bukarest unterzeichnet.
„Viele haben uns geholfen, dass es zur Finanzierung gekommen ist“, sagt Pfarrer Reinholz.
Der Vertrag hätte eigentlich schon am 17. Dezember 2011 unterzeichnet werden sollen, doch gerade an dem Tag wurde auch die Autobahn Temeswar-Arad in Betrieb genommen und die Sanierung der Basilika Minor fand keinen Platz mehr auf dem vollen Terminkalender der Lokalpolitiker. Neu angesetzt wurde die Unterzeichnung für die zweite Januar-Hälfte, doch diese fiel wegen dem Regierungswechsel aus. Bis sich der neue Minister für Tourismus und Regionalentwicklung Cristian Petrescu eingearbeitet hatte, dauerte es weitere eineinhalb Monate. In der langen Liste der Unterstützer und Befürworter des Projekts belegen Deutschlands Botschafter in Bukarest, Andreas von Mettenheim, und der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Ovidiu Gan], Spitzenplätze, sagt Pfarrer Andreas Reinholz und zeigt sich ihnen besonders dankbar: „Der Parlamentarier Ovidiu Gan] stand wirklich mit Herz und Seele hinter dem Projekt, ihm haben wir viel zu verdanken“, fügt der Geistliche hinzu.
Finanzierung und anstehende Sanierung seien „ein großer Erfolg für die Kirche und für die deutsche Minderheit“, sagt der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ dazu und setzt fort: „Ich freue mich, einen bescheidenen Beitrag geleistet zu haben, indem ich zusammen mit Pfarrer Andreas Reinholz und Architekt Herbert Habenicht die politische Lobby organisiert und später persönlich den bürokratischen Ablauf beobachtet und beschleunigt habe“.
EU-Projekt zur Verbesserung der Infrastruktur
„Es ist eine vernachlässigte Stadt“: Der stellvertretende Bürgermeister von Lippa/Lipova, Viorel Suciu, mit dem eingemeindeten Radna macht wenige Monate vor dem Ende seiner ersten Amtszeit in der Stadtexekutive eine verblüffende Aussage. Mit seinen guten Intentionen rund um das Projekt der Sanierung hat er viel zu gewinnen, aber auch zu verlieren, wenn ihm nämlich die Zeit nicht reicht, die Kommune von seinen Vorhaben zu überzeugen. Nicht jeder ist nämlich glücklich mit dem, was der Ort ihm bietet und keine Frage – Lippa hat Nachholbedarf bei allen Kapiteln der Infrastruktur. Eine Analyse, wie sich Lippa in den letzten 20 Jahren entwickelt hat, gibt ihm schon recht und der PDL-Mann Suciu schickt seine Pfeile in Richtung Politiker in Stadt und Kreis aus vergangenen Legislaturperioden. An seinen Wählern will er die Mankos auf keinen Fall fest machen. „An den Bürgern liegt es nicht. Die haben auch bei der Schneeräumung in diesem Winter Solidarität gezeigt“, sagt der Vizebürgermeister. Mit Wehmut sieht er die Jugendlichen, die wegen fehlender Arbeitsplätze wegziehen, obwohl Firmen einer Investition in der 10.000-Einwohnerstadt angeblich nicht abgeneigt sind. Alles hängt jedoch mit der Infrastruktur zusammen: Die Sanierung von 14 Straßen, Kanalisation und Gehsteige, aber auch die anstehenden Arbeiten an der Schoimoscher Burg betrachtet der Stadtvize als Anreiz für Investoren und Touristen zugleich. Ein Acht-Millionen-Euro-EU-Projekt wurde diesbezüglich aufgestellt und der Finanzierungsvertrag im vergangenen Sommer unterzeichnet, als die ehemalige Ministerin für Tourismus und Regionalentwicklung, Elena Udrea, Lippa und Radna besuchte.
Unterkunft bleibt Manko
Abgeblätterte Wände, klaffende Löcher statt Fenstern und schadhafte Dächer – das alles haben die etwa 75.000 Touristen gesehen, die die Basilika Minor im vergangenen Jahr besucht haben. Die meisten schlugen sich mit der Hand an die Stirn, als sie die Kirche in ihrem prekären Zustand vorfanden. „Kloster und Kirche sind für uns ein ganz wichtiges Projekt“, sagt Vizebürgermeister Viorel Suciu. Er weiß, dass Tourismus nicht allein von einem sanierten Kloster leben kann. Die Schoimoscher Burg, das Kurbad Lippa und nicht zuletzt die Weinstraße im Kreis Arad sollen als Highlights und Abwechslung zum Pilgern und zu den Wallfahren gelten. Die genial und schier unbeantwortbare Frage, was es denn eher gab, das Huhn oder das Ei, stellt sich auf in Radna: Ausreichend Unterkunft und dann die Wallfahrer oder doch lieber umgekehrt. „Bei der Unterkunft hapert es noch, aber Restaurants mit gutem Essen gibt es mittlerweile genug“, sagt Vizebürgermeister Viorel Suciu.
Pfarrer Reinholz sieht auch bei der Unterkunft so gut wie kein Problem, vor allem, weil er weiß, dass nicht wenige Touristen „Tagesreisen unternehmen oder in Arad übernachten“.
Der anstehende und erwartete Boom an Touristen lässt auch den Motelbetreiber Johann Schütz handeln. Seine Einrichtung an der Nationalstraße nach Arad, nur zwei Kilometer von Lippa entfernt, wird gerade saniert. „Momentan geht das Geschäft nicht besonders“, klagt der Buchhalter der Firma, Ioan Cherciu. Die Reisebusse von vor Jahren gibt es heute kaum noch und Fernfahrer essen und schlafen lieber im Fahrerhäuschen auf dem Parkplatz, sagt Emil Flonta, Geschäftsführer des wirtschaftlichen Unterfangens von Johann Schütz. Unterstützung von der Kommune sei so gut wie gar nicht gekommen, finden die beiden. Trotz dieser Rezessionsstimmung lässt Johann Schütz ein schwäbisches Haus in seinem Geburtsort Neudorf sanieren und nach schwäbischem Muster einrichten. „Klein aber fein“, nennt Flonta die Unterkunftseinrichtungen von Deutschland-Heimkehrer Schütz.
Sogar das Menü soll im Bauernhaus traditionell schwäbisch werden. Nicht von ungefähr, Pfarrer Reinholz rechnet ebenfalls mit vielen ausgewanderten Schwaben, die nach wie vor – und umso mehr nach der Sanierung – Maria Radna besuchen.
Drei Schwerpunkte auf der Prioritätenliste
Auf Andreas Reinholz und sein Team soll nun noch mehr Arbeit zukommen. Gleich nach Unterzeichnung des Finanzierungsvertrags, am 2. März, machten sich die Architekten, Ingenieure und Statiker, die mit dem Projekt „Maria Radna“ beauftragt sind, an die Arbeit. Erstellt wurden die technischen Spezifikationen der auszuführenden Arbeiten, damit das Sanierungsprojekt auf der Webseite seap.ro für 60 Tage ausgeschrieben werden kann. Bauunternehmen aus ganz Europa können sich für das ausgeschriebene Projekt bewerben, danach bestimmt die Radna-Kommission den Gewinner der Ausschreibung. Ausschlaggebend dabei sei unter anderen auch die Größe der Baufirma, weiß Andreas Reinholz. 60-80 Bauarbeiter sollen hier das ganze Jahr über zu tun haben. Pfarrer Andreas Reinholz ist optimistisch: Die Arbeiten sollen schon Mitte Juni – Anfang Juli starten.
„Der eine Schwerpunkt sind die beiden Türme.
Wir haben aber auch statische Probleme am Südflügel des Klosters, wo Beton eingespritzt werden muss. Das Infocenter soll auch in Angriff genommen werden, weil da auch eine Mansarde dazugebaut werden muss“, sagt Andreas Reinholz. Das Zehn-Millionen-Euro schwere Sanierungsprojekt sieht die Außenrenovierung der Wallfahrskirche, aber auch die Außen- und Innenrenovierung des ehemaligen Franziskanerklosters, den Ausbau und die Modernisierung des Platzes vor der Kirche sowie den Bau eines Tourismus-Informationszentrums vor. „Im Infocenter wird ein Raum mit etwa hundert Sitzplätzen entstehen, wo sich die Touristen einen Film ansehen und die ersten Informationen über die Basilika bekommen werden. Erst danach steht die Besichtigung der Kirche auf dem Programm“, sagt Andreas Reinholz. Räume für Ausstellungen, eine Bibliothek und Konferenzräume soll das ehemalige Franziskanerkloster beherbergen.
Doppelt so viele Touristen bis 2015
In den nächsten drei-vier Jahren soll sich in Lippa und Radna vieles verändern. Bis 2015 wird sich die Zahl der Touristen, die nach Radna kommen, verdoppeln, hatte der Minister bei der Vertragsunterzeichnung in Bukarest gesagt. Auch Pfarrer Reinholz sieht die Sachen genau so. Allein im vergangenen Jahr kamen 75.000 Besucher nach Radna. „Mit dieser Zahl kann sich kein anderes Objektiv hier im Kreis Arad rühmen“, sagt Andreas Reinholz. Vor allem im August, anlässlich des Hochfestes Mariä Himmelfahrt, begeben sich viele Wallfahrer nach Radna.
Auch immer mehr Tourismusfachleute bekunden ihr Interesse an das historische Denkmal. Aus Budapest und Gyula kommen Besucher vorbei, die nach Siebenbürgen ins Szeklerland fahren und dabei einen Abstecher nach Radna unternehmen. Die meisten Besucher kommen aus Ungarn, danach sind es die Banater Schwaben, die immer wieder nach Radna zurückkehren. Im vergangenen Jahr wurde am 2. August zum ersten Mal eine deutsche Wallfahrt veranstaltet, an der sich Mitglieder der Heimatortsgemeinschaften beteiligten. Diese soll jedes Jahr traditionsgemäß am ehemaligen alten Wallfahrtstag der Schwaben aus der Arader Gegend stattfinden. „Am 2. August wird Portiuncula gefeiert. An diesem Ort in Italien war der Heilige Franziskus tätig, bevor er nach Assisi ging“, erklärt Andreas Reinholz. In diesem Jahr werden es sicher noch mehr Teilnehmer als im vergangenen Jahr sein, vermutet der Seelsorger aus Maria Radna.
Wenn im August die Wallfahrer massenweise nach Radna strömen, soll ein Gerüst die Kirche kleiden.
Viele, die sich schon seit Jahren gefragt haben, wieso ihre Herzensbasilika so lange vernachlässigt wurde, werden sich freuen, dass sich auch in Maria Radna endlich etwas bewegt. In drei Jahren soll Radna das ganze Jahr über Besuchern etwas zu bieten haben. Doch für ein Zwölfmonat-Programm ist mehr notwendig als nur die Sanierung eines Gebäudes, an dem ein halbes Jahrhundert lang nichts in Sachen Instandhaltung getan wurde. Weitere fünf Millionen sind scheinbar notwendig, um die Räume mit Möbeln auszustatten und den Kalvarienberg hinter der Kirche zu sanieren.