Bis Ende dieser Woche muss der deutsche Konsul in Temeswar/Timişoara, Klaus Christian Olasz, sein Büro geräumt haben. Gemeinsam mit seiner Frau Ramona, Schauspielerin am Deutschen Staatstheater Temeswar, zieht er nach Bukarest, wo er an der Abteilung Politik und Medien der Deutschen Botschaft tätig sein wird. Raluca Nelepcu traf den deutschen Diplomaten noch vor seiner Abreise und sprach mit ihm über seine vierjährige Amtszeit in Temeswar.
Herr Konsul Olasz, Ihre vierjährige Amtszeit in Temewar endet nächste Woche. Worauf sind Sie denn besonders stolz in diesen vier Jahren, als Konsul mitgewirkt zu haben?
Stolz ist so eine Sache... Ich mache ja hier meine Arbeit. Ich habe einen Auftrag, mit dem ich nach Temeswar entsandt worden bin, den ich von Anfang an sehr schnell als Privileg empfunden habe. Stolz kann ich vielleicht darauf sein, dass wir hier an unserem sehr kleinen Konsulat - das ist ja eine der kleinsten Auslandsvertretungen, die Deutschland weltweit hat - eine gute Teamleistung erbracht haben. Wir haben mit sehr wenig Personal, glaube ich, gut Schritt halten können, wir versuchen, so präsent zu sein wie möglich und das ist uns allen gleichermaßen gelungen und das ist jetzt nicht nur mein persönlicher Verdienst, sondern eben auch eine sehr gute Teamleisung. Letzlich baut ja alles auf dem auf, was man vorfindet, also dass man als deutscher Konsul in westlichen Rumänien mit offenen Armen empfangen wird, ist ja auch nicht mein Verdienst, sondern das Ergebnis der gewachsenen und Jahrhunderte alten Präsenz der Deutschen in diesem Teil Europas und des Vertrauens, das wir hier genießen. Von Anfang an war es eine sehr angenehme und ich denke deswegen auch eine erfolgreiche Arbeit.
Als Sie vor vier Jahren hierher kamen: Was fanden Sie denn am gewöhnungsbedürftigsten im Banat, in Rumänien?
Das ist wirklich gar nicht so einfach zu sagen. Ich möchte es fast umgekehrt sagen, ich war eher überrascht, wie wenig Umstellung mir das Leben hier abverlangt hat. Ich habe mich hier eigentlich absolut mitten in Mitteleuropa gefühlt. Ich habe nichts vorgefunden, was leider so die Klischeevorstellungen von Rumänien mit sich bringen, Balkan oder irgendwas Exotisches, das habe ich ja gar nicht empfunden. Ich finde auch die Mentalität der Menschen nicht so sehr viel anders von der Mentalität der Deutschen. Ich weiß jetzt nicht, ob man das jetzt unbedingt immer so gerne hört, aber mir hat es eigentlich keine Mühe gemacht. Etwas ganz Lächerliches, was mich immer noch stört, ist, dass die vielen Tauben so hemmungslos gefüttert werden von den Passanten und sie da auf die Weise mit ihren Hinterlassenschaften betätigen. Das stört mich ein bisschen, aber das ist eine lächerliche Kleinigkeit wahrscheinlich (lacht). Und wenn ich das Beispiel erwähne, dann sehen Sie, dass mich eigentlich gar nichts stört.
Sie waren auch Vizepräsident des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat. Wie wichtig war denn diese Vizepräsidentschaft, bzw. was sind denn die Anliegen der deutschsprachigen Unternehmer, die sich an den deutschen Konsul wenden?
Ich glaube, dass der Wirtschaftsclub ein sinnvolles Gebilde ist, denn der Club ist ja sehr groß, er wächst – es sind jetzt an die 180 Mitglieder - die Mehrzahl sind sicher Unternehmer aus Deutschland, teilweise riesengroße Unternehmen, aber auch kleinere. Dann gibt es natürlich Österreicher und Schweizer, aber der Schwerpunkt ist bei den deutschen Unternehmen zu sehen, deswegen macht es Sinn, dass der deutsche Berufskonsul, der vor Ort ist, dann auch im Vorstand mitmacht. Speziell, als meine Aufgabe innerhalb des Vorstands, wurden mir die Kulturthemen zugewiesen, was ich sehr gerne gemacht habe, denn es ist ja auch eine persönliche Neigung von mir. Der Wirtschaftclub versucht ja, auch über den eigenen Tellerrand hinauszudenken, Kulturprojekte zu fördern und viele treten ja an den Wirtschaftsclub heran mit der Bitte um ganz konkrete Hilfe, Unterstützung meistens finanzieller Art. Um diese Projekte habe ich mich gerne gekümmert, aber natürlich, was die eigentliche Arbeit des Clubs als Lobby der hier vertretenden Investoren betrifft, war es eben wichtig gerade für die hier vertretenen Firmen zu wissen, wenn mal ein Problem entsteht, wenn etwas hackt, wenn etwas klemmt, wenn es Klagen gibt über ausufernde Bürokratie, die ein Investitionvorhaben behindert oder vielleicht auch über Korruption. Dann ist es gut, dass man einen Berufsdiplomaten hier hat, der jederzeit sofort Zugang bei den lokalen und regionalen Behörden hat, der empfangen wird und auf den man hört und dessen Beiträge dann auch Niederschlag finden. Und es ist sicherlich ein großer Unterschied zu einem Honorarkonsul. Der frühere Präfekt - ich erinnere mich sehr genau daran - der hat einmal eine Monatsversammlung des Wirtschaftsclubs besucht und explizit gesagt: „Bitte melden Sie mir alle Fälle von Korruption und ausufernde Bürokratie und kommen Sie zu mir und geben Sie mir das bekannt, ich kümmere mich dann persönlich darum.“ Wir haben ihn dann beim Wort genommen und haben das auch getan. Da gab es ab und zu mal Gelegenheiten, vorstellig zu werden, aber zum Glück keine unlösbaren Probleme.
Wo sehen Sie denn weiteren Entwicklungsbedarf, was die Wirtschaft in der Region angeht?
Wirtschaftlich ist es fast schon ein Problem, dass Kreis Temesch innerhalb Rumäniens so hervorragend da steht. Nach neuesten Statistiken beträgt die Arbeitslosenquote nur 1,7 Prozent. Langsam wird es für neu hinzukommende Investoren gar nicht mehr so leicht sein, das benötigte Personal zu rekrutieren. Man kann dagegen einwenden: „Gut, dann geht doch in andere Teile des Landes, wo die Wirtschaft anders aussieht“. Das wäre auch im Sinne eines Ausgleichs innerhalb Rumäniens wünschenswert, aber natürlich investieren gerade Ausländer gerade dort, wo sie die besten Bedingungen vorfinden und dazu zählt natürlich in einem Land mit immer noch schwacher Verkehrsinfrastruktur auch die Anbindung an das europäische Autobahnnetz und die ist hier im Westen am besten gegeben. Wenn man im produzierenden Gewerbe tätig ist, und man punktgenau liefern muss, kann man das von hier aus zuverlässig tun. Die Migrationsfreude rumänischer Arbeitnehmer von Kreisen mit schwächerer Wirtschaft hierher ist leider nicht so ausgeprägt. Das, glaube ich, hat damit zu tun, dass traditionell junge Menschen noch häufig in der Familie leben und wenn man nach Temeswar umziehen müsste, um einen Job zu bekommen, so müsste hier eine Wohnung mieten und die Mieten sind relativ hoch. Das schmälert dann schon das Einkommen, das man erzielen kann. Es gibt nicht immer nur Neuansiedlungen, völlig neue Investitionen, die Aufsehen erregen, sondern was ständig stattfindet und manchmal gar nicht so sehr beachtet wird, das sind die Erweiterungen von bestehenden Investitionen. Continental unterhält im ganzen Land viele Standorte und ist ständig dabei, sie weiterhin zu erweitern und schafft damit auch immer wieder neue Arbeitsplätze. Auch Hella tut das. Wünschenswert ist sicherlich, dass das Interesse für diesen Standort weiterhin bestehen bleibt. Aus meinen Gesprächen mit den Investoren weiß ich, dass alle, die hier investiert haben, es nicht bereuen.
Wie schätzen Sie das Kulturleben in Temeswar ein? Glauben Sie, dass die Stadt Chancen auf den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2021 hat?
Sie sehen, ich laufe immer ganz brav mit dem Logo am Revers, weil ich es tatsächlich wunderschön fände, wenn diese Stadt diese große Chance bekäme, sich im Jahr 2021 zu präsentieren. Wir haben alle gesehen, wie Hermannstadt 2007 davon profitiert hat und bis heute davon profitiert. Ich denke, es müsste für die Stadt und für die Region das absolut prioritäre Ziel sein. Ich habe mich öffentlich immer wieder als Unterstützer bekannt, weil ich von dem Potenzial der Stadt überzeugt bin. Aber Daumen drücken und hoffen wird sicherlich nicht genügen. Man muss wissen, dass dieser Titel nicht nur für eine große Vergangenheit vergeben wird, die man hatte. Ich höre sehr häufig das Argument. „Wir sind hier seit 300 Jahren multikulturell“. Das ist völlig richtig und das ist auch sehr wichtig als Bestandteil einer solchen Bewerbung, aber es genügt nicht. Man wird nicht belohnt für etwas, was in der Vergangenheit liegt, sondern man bekommt einen Auftrag für ein attraktives und nachhaltig wirkendes Programm, das man in dem Jahr präsentieren muss, in dem man Kulturhaupstadt sein will. Das ist in Temeswar im Moment noch nicht so scharf erkennbar, aber ich habe jede Zuversicht, dass die verbleibende Zeit gut genutzt wird und man da ein Programm erstellen wird.
Bei den Heimattagen der Banater Deutschen haben Sie behauptet, dass Sie während Ihrer Zeit im Banat viel gelernt hätten. Was haben Sie denn hier gelernt?
Bei den Heimattagen ging es um die deutsche Minderheit, die hier lebt, und die ist ein ganz zentraler Schwerpunkt der Arbeit dieses Konsulats. Ohne die deutsche Minderheit gäbe es das Konsulat gar nicht. Die deutschen Konsulate sind erst nach der rumänischen Revolution gegründet worden und nicht zufällig in Temeswar und in Hermannstadt, sondern natürlich, weil dort die Zentren der in Rumänien lebenden deutschen Minderheit waren. Mit den hier verbliebenen Vertretern der deutschen Minderheit hatte ich während meiner Amtszeit viel zu tun. Es gibt nach wie vor Finanzmittel, die zur Unterstützung der Sozialarbeit zu Gunsten der älteren Angehörigen der deutschen Minderheit unternommen werden und die in das Altenheim und in die Sozialstationen fließen und natürlich Unterstützung auf vielen anderen Gebieten. Das war für mich eine völlig neue Erfahrung, weil ich noch nie irgendwo im Ausland gelebt habe, wo es eben Deutsche in solcher Zahl gibt, die eine durchaus sehr eigene Kultur pflegen und daran festhalten und diese auch eisern in eine Zukunft hineintragen wollen, wie man das bei den Heimattagen auch gehört hat.
Sie sind als Brennecke hierher gekommen und gehen nun als Olasz weg. Inwiefern hat Ihre Heirat Ihre Karriere beeinflusst?
Überhaupt nicht. Mein persönliches Glück dafür umso mehr. Es war von daher der absolute Glücksgriff für mich, nach Temeswar zu kommen, weil ich nämlich hier das Glück meines Lebens mit meiner Frau gefunden habe. Um das auch nach außen erkennbar zu machen, habe ich den Namen meiner Frau angenommen. Die Karriere hat es insofern beeinflusst, als dass wir uns überlegt haben, wie es weitergehen soll. Wir ziehen nun nach Bukarest, weil das auch für meine Frau eine gute Lösung ist. Sie hat dort wenigstens die Chance, in ihrem Beruf weiter tätig zu sein, die Theater-, Schauspiel- und auch Regieszene dort ist groß genug. Da wird sie sicherlich auch etwas finden.
Ebenfalls bei den Heimattagen haben Sie behauptet, dass Sie in Bukarest Lobby fürs Banat machen werden. Wie planen Sie, das zu tun?
Das war ein bisschen mit Augenzwinkern vorgetragen, aber natürlich meine ich es auch so. Es ist nicht schlecht, wenn die Meinungsbildung der Deutschen Botschaft angereichert wird eben durch einen Kollegen, der schon einen Teil des Landes ziemlich intensiv erlebt hat. Ich habe vor, meine Erfahrungen, die ich in vier Jahren hier gesammelt habe, aktiv in die dortige Arbeit einzubringen, das ist völlig klar. Dennoch bleibe ich ein deutscher Diplomat und kein Berufsbanater. Die Sympathien fürs Banat und die Überzeugung, dass dieser Teil des Landes eine Art Lokomotive für das ganze Land ist, gerade auch wirtschaftlich gesehen, die werde ich immer wieder erkennen lassen.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Vielleicht das Kompakte in dieser Stadt. Ich habe es sehr genossen, dass man in dieser Stadt, obwohl sie ein reiches Kulturleben bietet, dennoch nicht stundenlang im Verkehrsstau steckt, im Gegenteil. Ich bin vier Jahre lang fast permanent zu Fuß unterwegs gewesen. Ich finde die Lebensqualität hier sehr gut. In einer riesigen Metropole ist es sicherlich anders, es wird aber kompensiert durch ein reiches Angebot. Ich werde viele Freunde vermissen, die ich gewonnen habe, meine Schwiegermutter, und da würde mir sicherlich noch so manches einfallen...
Gibt es eine Frage, die Sie erwartet hätten und die ich nicht gestellt habe? Und wenn ja, welche?
Sie sind ein positiver Mensch und haben nur gefragt, worauf ich stolz bin, aber nicht nach den Enttäuschungen und den Dingen, die nicht erreicht wurden. Auch diese gehören dazu. Natürlich war es für mich ein Riesenglück, dass ich meine Frau am Deutschen Staatstheater Temeswar gefunden habe, aber letztlich war eben doch unsere Beziehung zu diesem Partner eine sehr schwierige. Ich möchte sagen, das war eigentlich der widerspenstigste Partner und die Zähmung des Widerspenstigsten ist nicht nur mir nicht gelungen, sondern sie ist ja auch objektiv nicht möglich. Ich war natürlich naiv und dachte, ein außergewöhnlich theaterbegeisterter Konsul würde mit offenen Armen empfangen werden, man würde vielleicht versuchen, mit ihm zusammen die Ausstrahlung des Theaters nach Deutschland zu verstärken. Ich hatte auch vor, einen Förderkreis zu gründen. Ich weiß inzwischen, dass ein Förderkreis nicht nötig ist, denn das Theater hat einen hervorragenden Etat, das ihm ermöglicht, sehr großartig und sehr teuer zu produzieren und da würden sich viele vergleichbaren Häuser in Deutschland die Finger danach lecken. Man hört auch von vielen Preisen, die gewonnen werden. Ich frage mich nur, was bringen diese Preise letztlich, denn sie bringen keinen zusätzlichen Zuschauer. Der persönliche Eindruck eines regelmäßigen Besuchers zeigt deutlich, der Zuschauerkreis wächst nicht, im Gegenteil, er geht eher zurück. Ich bin in den letzten vier Jahren bestimmt 150 Mal im Theater gewesen, also wesentlich mehr als mancher Mitarbeiter des Hauses, und habe das schon mit Sorge gesehen, dass es eben nicht so einfach ist, sich zu behaupten, wenn man eine Nische besetzt. Nun mag man sagen, das ist eine rumänishce Institution, was geht das den deutschen Konsul an? Aber ich glaube schon, dass auch die deutsche Seite ein großes Interesse an ein so einzigartiges Haus hat. Ich persönlich lebe für die Kunst und für die Kultur und mein Herz blutet, wenn ich sehe, dass eben diese Brückenfunktion nicht wahrgenommen wird. Seit sechs Jahren gab es kein einziges Gastspiel einer Eigenproduktion des Hauses in Deutschland und das muss sein. Man muss sich zeigen, man muss sich einem Wettbewerb stellen, man muss sich auch einer unbestechlichen Kritik aussetzen und man muss auch immer noch die verbliebene deutsche Minderheit versorgen. Ich finde es schade, wenn sich die Organisationen der Minderheit jetzt schon in der Zeitung offen beklagen und sagen, das Theater hat uns vergessen. Oder wenn mich Vertreter der Minderheit anrufen und sagen, jetzt kommen die nur noch ein Mal im Jahr und dann zeigen sie uns Stücke, die uns eher abschrecken. Das ist schade, da könnte man viel mehr daraus machen, gerade mit Blick auch auf die Bewerbung Temeswars um den Titel Kulturhauptstadt 2021.