„Ich wollte ins Gewöhnliche, aber es gelang mir nicht“. So Herta Müller, die Banater Autorin und Literaturnobelpreisträgerin 2009, in ihrer bekannten sentenzartigen Sageweise. Zu einem ähnlichen Resümee kam die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek (Nobelpreis für Literatur 2004): „Ich renne mit dem Kopf gegen die Wand“. Von dem Vielen, das diese beiden herausragenden Vertreter der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, von Biographie, Werk bis Sprachgewalt, verbindet, nährt sich der Vortrag „Faszination und Provokation bei Herta Müller und Elfriede Jelinek“, den Dr. Graziella Predoiu, Lektorin am Temeswarer Germanistikstuhl, verfasst und vor Kurzem im Rahmen der Vortragsreihe der Temeswarer Österreich-Bibliothek vor einem kleinen aber interessierten Publikum zu Gehör gebracht hat. Dr. Predoiu, eine gute Kennerin des Werks von Herta Müller- Sie hat übrigens die erste Dissertation über diese Autorin in Rumänien verfasst- legt damit eine einfühlsame vergleichende Literaturstudie, gut dokumentiert und strukturiert, mit zahlreichen treffenden Zitaten aus dem Werk dieser beiden Autoren vor.
Gleichzeitig hochgefeiert wie umstritten, gehören die beiden Autorinnen zu den nur 13 Frauen von insgesamt 110 Schriftstellern, die diesen höchsten Liperaturpreis seit 1901 erhalten haben. Herta Müller erfuhr diese Ehrung, da sie“ mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet“. Elfriede Jelinek
erhielt den Preis für ihre Romane und Dramen, „die mit einzigartiger, sprachlichen Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen“.
Das beide Autorinnen Verbindende führt, laut Dr. Predoiu, nicht nur durch ihre Werke wie ein roter Faden, starke Ansatzpunkte sind schon in ihrer Biographie auszumachen: Beide entstammen dem Raum der ehemaligen k.u.k.-Monarchie, Müller wurde 1953 in Nitzkydorf in die kleine Gemeinschaft der Banater Schwaben hineingeboren. Jelinek, deren Großmutter übrigens aus dem Banat stammt, kam in einem ähnlichen Dorfmillieu, 1946 im österreichischen Mürzzuschlag, zur Welt.
Beide empfanden diese kleine provinzielle Welt, von Lebensstil bis Sprache und Traditionen, von Anfang an nur als einengendes Korsett, beide schrieben kontinuierlich in der Tradition der österreichischen Antiheimatliteratur (siehe Thomas Bernhard, Peter Handke) mitunter heftig dagegen an. Es brachte ihnen hohe literarische Anerkennung (alle wichtigen deutschen und österreichischen Literaturpreise) aber gleichfalls heftige öffentliche Kontroversen, u.a. die Anklage der Nestbeschmutzung (H.Müller) oder die von Obzönität, Blasphemie oder gar Pornographie (E. Jelinek) ein.
Ihre eigenwillige Art, Literatur zu machen, kommt schon in der Themenwahl programmatisch zum Vorschein: die bedrückende Kindheit, Anklage gegen die geheuchelte Unschuld und Heimatidylle aber auch gegen die halbherzige Vergangenheitsbewältigung von Kommunismus bzw.
Faschismus. Für das Werk beider Autorinnen spricht jedoch vor allem die kompromisslose Aussage und die schöne, poetische Sprache. Mit der Sprache könne man, laut Herta Müller über den „Teufelskreis der Diktaturen“ nicht alles aussagen, jedoch „die Würde bewahren“.
Beiden, in deren Werken Tod und Gewalt zu Zentralmotiven gehören und auch keine positiven Zukunftsentwürfe geboten werden, wird oft Demontage, Negativismus und Abweichung vorgeworfen. Beiden Werken stehen wohl, wie auch Dr. Predoiu betont, offensichtlich traumatische Erfahrungen zugrunde. Auf dieser literarischen Reise zur dunklen Seite der Seele, oft bis zur Schmerzgrenze, werden von beiden Autorinnen die Schattenseiten des Seins aufgedeckt, das Ungenannte, Verschwiegene, die Tabus für Blick und Verständnis hervorgeholt. Erst in der Ohnmacht des Opfers, beide Autorinnen schreiben aus dieser Frosch-Perspektive heraus, erleuchtet die ganze Macht des Wortes und der Poesie.