Das Finale des Spielfilms „Requiem für Dominic“ von Robert Dornhelm verstört: Eine Nahaufnahme von dem mutmaßlichen Terroristen Dominic Paraschiv nur wenige Stunden vor seinem Ableben stellt das wahre Gesicht der rumänischen Revolution bloß. Nackt wie ein Tier mit einem Netz an ein Krankenbett gefesselt, mit drei Schusswunden im Bauch, die kein Arzt behandeln will, wird Paraschiv der Welt vorgeführt; als kaltblütiger Mörder wird er angeklagt ohne Recht auf Einspruch. Denn Paraschiv soll 80 Menschen im Auftrag der Securitate niedergeschossen haben.
Als die Bilder auch im Österreichischen Fernsehen ausgestrahlt werden, will Robert Dornhelm seinen Augen nicht trauen. Der Filmemacher, der 1961 mit seiner Familie aus Rumänien nach Österreich emigrierte, wuchs mit Dominic und seiner Gattin auf. Die Freundschaft war nie erkaltet und darum wollte er es auch nicht wahrhaben, was man über seinen Jugendfreund behauptete.
Robert Dornhelm reiste drei Monate nach der Revolution zusammen mit Journalisten und einer Fernsehcrew nach Timisoara/Temeswar um die Wahrheit herauszufinden. Er stellte Recherchen an, hakte überall nach und kam schließlich zu der Schlussfolgerung, dass viele Ereignisse, die während der Revolution stattfanden, von der Geheimpolizei inszeniert wurden. Die Nomenklatura hatte nach Sündenböcken wie Dominic Paraschiv gesucht, um von den eigentlichen Schuldigen abzulenken, die Geheimpolizei schürte das Chaos, um sich dann selber als Retter darzustellen. Und von Dominic Paraschivs Opfern keine Spur - der vermeintliche „Schlächter von Temeswar“ war schließlich das einzige Opfer.
Gebe es den Politthriller und Dokumentarfilm „Requiem für Dominic“ nicht, würde man einen unschuldigen Mann noch immer als Terroristen verunglimpfen. Und man würde ihn vergessen, was in Rumänien tatsächlich der Fall ist. Denn Robert Dornhelms Spielfilm wurde erst vergangene Woche zum ersten Mal in Rumänien öffentlich gezeigt.
In Rumänien sei das Gegenteil der Lüge nicht die Wahrheit, hätte Dornhelms Bruder einmal gesagt. Der erfolgreiche Filmemacher, der heute in den USA lebt und sich dort eine erfolgreiche Hollywoodkarriere aufgebaut hat, wundert sich nicht, weshalb sein filmisches Requiem für den Freund in Rumänien übersehen wird. „ Die ehemaligen Spitzen sind heute Millionäre oder halten noch immer die Macht inne“, so Dornhelm. „Dass die Schufte an die Macht gekommen sind, wollte damals niemand wahrhaben. Man glaubte an die Revolution, man war froh, dass bessere Zeiten kommen würden.“
Doch die neue Freiheit wurde auf Kosten der Gerechtigkeit erworben. So wie es in den meisten postsowjetischen Ländern der Fall ist. Viele Verbrecher des alten Regimes sind davon gekommen. Er habe es damals persönlich miterlebt. Sein Film vermischt Realaufnahmen mit nachgestellten Szenen. So wie im Film wurde auch Dornhelm während den Arbeiten von der Geheimpolizei festgenommen und schikaniert. Auch die in dem Film vorkommende Journalistin Antonia beruht auf der österreichischen Fernsehjournalistin Antonia Rados, die 1990 das Buch „Die Verschwörung der Securitate. Rumäniens verratene Revolution“ herausbrachte. Sie glaubt genau wie Dornhelm, dass die Ereignisse in Rumänien aufgebauscht wurden und zwar auf Kosten von Unschuldigen – nur ein Jahr nachdem der Film erschien, nahm sich auch Paraschivs Sohn Radu das Leben.
Während den Österreichischen Kulturtagen in Arad wurde Dornhelms „Requiem für Dominic“ vorgestellt. Im Anschluss fand auch eine Podiumsdiskussion statt: Der Journalist Emil Hurezeanu arbeitete von 1983 bis 1996 für Radio Freies Europa und berichtete schon 2010 über den Filmemacher und seinen Revolutionsfilm. Das rumänische Fernsehen hätte anlässlich der ersten Jahrfeier im Winter 1990 Constantin Costa-Gavras Politthriller „Z – Anatomie eines politischen Mordes“ gezeigt. Dornhelms „Requiem“ zeigten nur die Ausländer. Völlig einverstanden waren auch die Exilrumänen mit dem Film nicht. Selbst die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hätte sich damals über „Requiem für Dominik“ aufgeregt, weil sie die Meinung der Mehrheit teilte und Dominic für schuldig hielt. „Würde sie den Film heute sehen, würde sie bestimmt anders darüber denken“, ist sich Dornhelm sicher.
Er selbst hat den Film nur dreimal gesehen. Jedes Mal bewegt ihn der Schluss, die Aufnahme Domincs kurz vor seinem Tod. Er habe jene Realaufnahme fast missbraucht, so Dornhelm. Es sei fast schon eine Sünde, dass man selber dafür Preise kriegt, während andere dafür sterben mussten.