Bis 1975 war Rose Ausländer ein literarischer Geheimtip. Die aus Czernowitz/Cernăuţi gebürtige Dichterin hatte ein bewegtes Leben gehabt. 1901 geboren und 1988 gestorben. „Was es bedeutet hat im 20. Jahrhundert als Jüdin zu leben, dass ist uns allen wohl klar,“ sagte ihr Nachlassverwalter Helmut Braun bei der Eröffnung der Rose-Ausländer-Ausstellung. Bis zum 5. November stehen im Kunstmuseum Temeswar/Timişoara 32 Portraits der Lyrikerin. Begleitet werden die Bilder von 16 Gedichten. Die Ausstellung entstand auf Initiative des Deutschen Kulturzentrums Temeswar in Zusammenarbeit mit der Rose-Ausländer-Stiftung, die von Helmut Braun geleitet wird. Die ausgestellten Gedichte sind in ihrer Anzahl bescheiden im Vergleich zum Gesamtwerk der Dichterin, das über 2500 Gedichte umfasst. Die Schauspielstudentinnen Daniela Tulai-Depner, Seline Matei und Isabela Voneafca von der deutschen Schauspielabteilung trugen eine Auswahl ihrer Gedichte vor. Höhepunkt der Vernissage war Helmut Brauns Vortrag über Rose Ausländer.
Die Lyrikerin kam spät zur deutschen Dichtung. Ihr Leben umspannt zwei Kontinente. Ihre ersten Gedichte erschienen auf Englisch. Erst die amerikanische Dichterin Marianne Moore holte Rose Ausländer 1956 in ihre Muttersprache Deutsch zurück. Helmut Braun lernte die Dichterin über einen Verlegerfreund kennen. Braun gestand, dass er bis zu dem Zeitpunkt keines ihrer Gedichte gelesen hatte. Bis dahin brachte sie ihre Gedichte in kleiner Stückzahl in kleinen Verlagen heraus. „Man hat gar keine Chance gehabt, ihr Werk kennenzulernen,“ erklärte Braun die Ausgangslage. Genau wie andere moderne Lyriker, die das Grauen des Zweiten Weltkriegs erlebt hatten, wandte sie sich vom Reim ab. Als sie sich der deutschen Sprache zuwandte, verließ sie Amerika und kehrte nach Europa zurück, wo sie sich in Wien niederlassen wollte. Doch der starke Antisemitismus vertrieb sie aus der österreichischen Hauptstadt und kam nach Düsseldorf, wo sie bis zu ihrem Tod blieb. Helmut Braun war 28 Jahre alt, als er das erste Band mit den Gedichten Rose Ausländers herausbrachte. Es wurde ein großer Erfolg, wie Braun selbst behauptet. Insgesamt verkaufte sich der erste Band 7000 Mal. Für ein Lyrikband eine große Stückzahl, da sich in der Regel eher rund 2000 Exemplare verkaufen lassen. Durch Helmut Braun wurde Rose Ausländer ein Begriff in Deutschland. Der Erfolg konnte aber den Verleger nicht vor der Pleite retten. Nur fünf Jahre konnte sich sein Verlag halten. Die Beziehung zu Rose Ausländer blieb allerdings bis zu ihrem Tod bestehen. Die Dichterin zog sich in den letzten Jahren zurück. Sie widmete sich nur noch dem Schreiben. Sie lebte im Nelly-Sachs-Haus, einem jüdischen Pflegeheim in Düsseldorf und verbrachte die meiste Zeit im Bett. Außer den Krankenschwestern, den Ärzten und ihrem Bruder, hatte nur noch Braun Kontakt zu ihr gehabt.
Dass man sie auf ihre jüdische Herkunft reduzierte, findet Braun schade. Als die Dichterin 1977 den Droste-Preis erhielt, stand in der Verleihungsurkunde geschrieben: „Eine reine Stimme erhebt sich über Gräben und Gräber“. Dass Rose Ausländers Werke komplexer sind, beweist die Ausstellung, die im Kunstmuseum seit kurzem steht. Ihre Gedichte sprechen Bände und fassen mehr zusammen, als bloß die Erlebnisse eines Holocaust-Opfers.