Spätestens seit sie ihr arrogant-saftiges „Fuck the EU!“ ausstieß, hat sich Victoria Jane Nuland, die US-Unterstaatssekretärin für Euro-Asiatische Angelegenheiten, auch im westeuropäischen Bewusstsein festgesetzt. Es gehört zu ihrem politischen Usus, dass sie von Zeit zu Zeit eine Aussage loslässt, die die Runde macht und die, als Rundumschlag oder mit generell-gültiger Adresse, die Wässerchen trübt. So jüngstens: „In Mitteleuropa sind heute die internen Bedrohungen der Demokratie und der Freiheit besorgniserregend. In der gesamten Region ist das Krebsgeschwür des demokratischen Rückschritts und der Korruption zur Bedrohung des Traums geworden, für den so viele Menschen 1989 gekämpft haben. Wir haben dort politische Leader, die von den Vorteilen profitieren, Mitglieder der NATO und der EU zu sein, die aber gleichzeitig die Werte vergessen, auf welche diese Institutionen sich stützen.“
Im Kontext meinte sie, dass diese – von ihr nicht namentlich genannten – politischen Spitzen unter der Daunendecke von NATO und EU nachts ruhig schlafen können und tags alles tun, um die Freiheiten von Medien, bürgerlicher Gesellschaft und Justiz einzuschränken, ihre korrupten Parlamentarier vor der Strafjustiz zu schützen, ihre Parlamente nur zu konsultieren, wenn es ihre Interessen gerade erfordern und munter über „nichtliberale Demokratie“ drauflosplappern. Die letzte der Anspielungen hat einen klaren Adressaten: Ungarns Viktor Orbán, der dieses „originelle“ Konzept lanciert hat, unter dessen Deckmantel er seine Demokratieerwürgung vorantreibt – nicht ohne öffentlich geäußerte Bewunderung bei Diktaturnostalgikern in Rumänien hervorzurufen. Der Versuchung, das „Budapester Modell“ „kreativ zu übernehmen“, könnte die politische Klasse Rumäniens nach den Präsidentschaftswahlen erliegen – sollte der Wahlsieger V.V.Ponta heißen.
Das würde zum Wunschtraum der PSD-Barone passen, die seit dem Kongress von Kronstadt auf die Konkretisierung der Ponta-Versprechen angesichts ihres damaligen Ultimatums warten: Entfernung des Damoklesschwerts der Staatsanwaltschaft, Begnadigung der in den Gefängnissen Einsitzenden „wertvollen Mitstreiter“, einschneidende Novellierungen des Strafgesetzbuchs und der Verfassung mit dem ausdrücklichen Ziel, die Strafverfolgung der korrupten Barone zu erschweren. Diesen Zielen waren die Initiatoren, von denen sich Ponta bevorschussen ließ, noch nie so nahe. Wer aufmerksam Pontas Aussagen – auch in der Lukoil–Affaire – abwägt, sieht, dass der Ex-Staatsanwalt nicht viel rumfackeln wird, wenn es darum geht, die Justizmechanismen an die Forderungen seiner Barone anzupassen.
Die dumpfe Wählermasse, die sich am 2. (und 16.) November zu den Urnen bewegen wird, bekommt von alldem nicht viel mit. Wenn sie ihren traditionellen Plastikeimer, das Kilo Zucker oder Maismehl oder ein Liter Speiseöl, einen Kulli oder ein Trikot nach Hause trägt, hat sie der balkanischen Schmieredemokratie genüge getan.
Der Rest ist hohe rumänische Politik.