Nun, wohin soll man als Temeswarer am Samstag fahren, wenn man bloß ein freies Wochenende zur Verfügung hat, die Umgebung der Banater Großstadt in- und auswendig kennt, am Sonntag zurück sein muss und doch was sehen will? Zum Töpfermarkt nach Hermannstadt, natürlich! Die 50. Auflage des bekannten Marktes fand am ersten September-Wochende statt, gemeinsam mit dem Rroma-Fest am Kleinen Ring und dem „Transilvania Gastronomic²”-Festival für siebenbürgisches Essen und traditionelle Kochkunst.
Es geht also los. Google Maps verspricht, dass man über die befahrbaren Teilstrecken der Autobahn A1 die 270 Kilometer zwischen dem Temeswarer Vorort Dumbrăviţa und dem Hermannstädter Großen Ring in drei Stunden und 14 Minuten zurücklegt. Tja, am Ende werden es vier Stunden, aber immerhin. Vor Eröffnung der Autobahnstrecken Temeswar (Jahrmarkt/Giarmata) - Lugosch (Traian Vuia) und Deva - Mühlbach/Sebeş war man, wenn man ein bisschen Pech hatte, auch fünf Stunden zwischen Bega und Zibin unterwegs.
Stark befahren ist die Teilstrecke der A1 zwischen Jahrmarkt und der Ostbanater Gemeinde Traian Vuia, in beiden Richtungen. Viele Auslandsrumänen fahren heim, man sieht italienische, deutsche, spanische, französische, belgische Kennzeichnen, ab und zu auch britische. Tankstellen und Rastplätze gibt es wenige, an den Zapfsäulen stehen die Autos Schlange. Und an den wenigen Toiletten, die es auf der Strecke gibt, muss man Wartezeiten von etwa einer Viertelstunde in Kauf nehmen. In der glühenden Sonne, denn auf keinem Rastplatz hat sich die Autobahngesellschaft CNADNR die Mühe gemacht, Bäume zu pflanzen. Auch MOL und OMV/Petrom nicht, die auf den Teilstrecken der A1 das Recht haben, Tankstellen zu betreiben. Also steht man jetzt in der Sonne, im Winter im Wind und Kälte, weit und breit kein Baum. Auch an den Schutz der Straße vor Schnee hat keiner gedacht, von Jahrmarkt bis Traian Vuia sind überhaupt keine Bepflanzungen vorgenommen worden, obwohl sie dringend notwendig wären.
Bei Traian Vuia endet die Autobahn und man muss auf die alte Nationalstraße 68A Lugosch - Ilia. Bis Deva, wo sich die A1 fortsetzt, sind es knapp 80 Kilometer, die Fahrtzeit beträgt eine Stunde und 15 Minuten. Der gesamte Autobahnverkehr drängelt sich nun auf die mehrmals geflickte Landstraße, mit ihren zahlreichen Kurven und kaputten Leitplanken, denen sich wohl seit den 1970ern keiner mehr angenommen hat. Voll beladene Lkw mühen sich über das hügelige Einfallstor nach Siebenbürgen. Bei Ohaba, 110 Kilometer von Temeswar entfernt, stockt der Verkehr. Die Schranke beim Eisenbahnübergang in der Dorfmitte fällt, 10 Minuten später fährt ein klappriger Zug vorbei, die Autoschlange erreicht in Richtung Deva die Ausfahrt zum Nachbardorf Lăpugiu de Jos. Rechts und links der DN68A wird an der Autobahn gearbeitet, auch samstags. Brückenpfeiler ragen in die Luft, Schotter wird abgeladen, kurz vor Abucea wird eine Überführung gebaut, über die Landstraße und die Eisenbahnlinie nach Ilia. Aber der Bau der Teilstrecke von Lugosch nach Deva ist stark in Verzögerung und Mängel gibt es viele. Es fehlt an Genehmigungen, es müssen neue Überführungen gebaut werden; zwischen Ilia und Deva sollte die Autobahn ursprünglich über einen Friedhof führen, dann sollte eine Fledermaus-Spezies geschützt werden und am Ende hieß es, im Raum Coşeviţa - Ohaba gebe es Bären. Auch auf die muss man Rücksicht nehmen. Während einem all das durch den Kopf geht, erreicht man Dobra, eine Großgemeinde, die nie zur Kleinstadt mit entsprechenden Plattenbauten geworden ist. Bauruinen schmücken also die Mitte des Ortes, an der Ausfahrt gibt es eine kleine Petrom-Tankstelle mit nur einem Klo, das Männer und Frauen abwechselnd benützen dürfen. Also entscheidet man sich für eine Pause in Deva. In Dobra hat man keine Chance. Die kleinen Rastplätze am Ufer der Marosch sind gänzlich zugemüllt, auf Plastikbänken haben sich die Insassen eines Autos mit italienischem Kennzeichen trotzdem gemütlich gemacht. 138 Kilometer hat man hinter sich, 143 sollen es noch laut Navi bis Hermannstadt sein. Bei Săcămaş mündet die DN68A in die DN7 Arad - Hermannstadt, doch der Verkehr kommt jetzt hauptsächlich von der Sekundärstraße DN68A. Das Maroschtal ist seit Eröffnung der Autobahnteilstrecke Temeswar - Lugosch stark entlastet.
Deva. Für den Kreisvorort von Hunedoara haben die Autobahnplaner in Bukarest nur eine Ein- bzw. Ausfahrt vorgesehen, bei Şoimuş, um die bestehende Maroschbrücke nutzen zu können und keine neue bauen zu müssen. Will man also in Deva rasten, macht es keinen Sinn mehr, zurückzufahren, um bei Şoimuş auf die A1 zu gelangen, sondern man fährt weiter, über Simeria, bis man wieder auf die A1 kommen kann.
Überhaupt fragt man sich: Wie sind denn die diese Ein- und Ausfahrten geplant worden? An Temeswar führt die Autobahn in 20 Kilometer-Entfernung vorbei, die Stadt Rekasch/Recaş hat keine Ausfahrt bekommen, die Stadt Cugir im Kreis Alba auch nicht. Daführ hat Mühlbach drei bekommen, Broos/Orăştie zwei und Deva bloß eine, wo die improvisierten Kreisel an der DN7 bis zum Anbringen von Leitplanken aus Beton kaum zu bemerken waren, so dass viele Fahrer direkt in die Plastik-Planken hineingefahren sind. Und so mancher auch starb.
Weiter fährt man also auf die schöne Autobahn, vorbei an Broos und Mühlbach, der Turm der Mühlbacher Stadtpfarrkirche auf der rechten Seite, Lucian Blagas Geburtsort Lancrăm mit dem Roten Berg („Râpa Roşie”), den er vom Grabe aus stets im Blick haben wollte, auf der linken Seite. Und dann endet die Autobahn wieder, bei Cunţa, im Kreis Alba, kurz vor Reußmarkt/Miercurea Sibiului. Ab hier muss man sich wieder auf die DN7/DN1 begeben, die 22 Kilometer fertig gestellte und bei Aciliu im Kreis Hermannstadt auf etwa 500 Metern eingesackte Autobahn sieht man auf der linken Seite, mitsamt der schönen Talbrücke. Gesperrt ist das Teilstück; von Anfang an war das zu erwarten, denn der Raum Reußmarkt - Großpold/Apoldu de Sus - Großau/Cristian ist von Erdrutschen gefährdet, allein die Landstraße bei Großpold musste mehrmals befestigt werden. Das wussten alle, der Bauherr CNADNR, die Planer, der italienische Bauausführer, die Audit-Firmen. Und die Politik. Aber Ende 2014 war Wahlkampf, Präsidentschaftskandidat Victor Ponta wollte „den Rumänen” noch ein Stück Autobahn schenken. Weder dem Kandidaten, noch dem Volk hat das was gebracht, aber das ist wohl eine andere Geschichte.
Einem Abenteuer gleichen die letzten 40 Kilometer von Cunţa nach Hermannstadt. Die Strecke ist so stark befahren, dass es immer wieder zu stockendem Verkehr kommt. In den Kurven zwischen Großpold und S²li{te fahren einige mit 120 Stundenkilometern hinein, während alte Kleinbusse, Laster mit bulgarischem Kennzeichen und zahlreiche Lkw nur mühsam vorankommen. In Großpold verpasst die Verkehrspolizei fleißig Strafzettel, solidarische Verkehrsteilnehmer blinzeln einem entgegen, man ist vorgewarnt. In schöner rumänischer Tradition. In Großau überquert eine Hochzeitsgesellschaft die Landstraße, die Glocken der orthodoxen Kirche läuten. Der Verkehr kommt wieder zum Erliegen.
Aber gut, man hat es überstanden. Die Hermannstädter Stadtpfarrkirche ist in Sicht, nur Parkplätze lassen sich schwer finden. Der Große Ring ist randvoll, Töpferware aus dem ganzen Land wird angeboten, Deutsche, Holländer, Italiener staunen und kaufen. Auf dem Kleinen Ring preisen Roma ihre Produkte, Kessel, Strick- und Lederware sowie Geschirr für 2 Lei pro Teller. In einem Innenhof in der Fleischergasse wird siebenbürgische Gastronomie vom Feinsten angeboten. Hermannstadt bleibt eine gute Idee, und auf den Autobahnbaustellen wird gearbeitet. Auch sonntags.