Livia Coloji, Razvan Cornici und Ana Kun kennen sich seit 20 Jahren. Alle drei sind den Weg der bildenden Künste gegangen und inzwischen zu anerkannten Künstlern geworden. Ihre Arbeitstechniken unterscheiden sich voneinander, ihr Publikum ist nicht immer das gleiche, aber eines haben sie gemeinsam: ihr Atelier, das sie „Balamuc“ – in einer ungefähren Übersetzung „Ort mit Verrücktheiten“ – genannt haben. Wie alle anderen in die Arbeit gehen, so gehen Livia, Razvan und Ana täglich zum „Balamuc“.
Bevor es das „Balamuc“ gab, haben sie privat, jeder bei sich zu Hause, gearbeitet, „aber so ein halboffenes Atelier mit Identität, wie wir es haben, öffnet neue Türen“, sagt Ana Kun, „indem es uns sichtbar macht und die Leute uns dadurch eher ernst nehmen“. Halboffen ist das Atelier, weil die drei Künstler Neugierigen gerne erlauben, sie zu besuchen und weil im „Balamuc“ von Zeit zu Zeit öffentliche Events stattfinden. So ereignete sich beispielsweise im Juni das “Superhelden-Frühstück“. 30 rumänische Künstler aus dem In- und Ausland wurden eingeladen ihre Werke zum Thema „Superhelden“ auszustellen. „Wir wollten Künstler mit denselben Interessen zusammenbringen“, so Ana Kun. Es handelt sich dabei um Lowbrow, ein Stil der bildenden Kunst, der seine Ursprünge in der Popkultur hat. Als Inspirationsquellen stehen dafür vorwiegend amerikanische Medienphänomene, wie Sitcoms, Cartoons und Comics.
Kunstmarkt im Apartment
Ein bisschen von seiner Kindheit wiedererleben kann man im „Balamuc“ bestimmt. Das Farbenfrohe Apartment, das in einem historischen Haus am Freiheitsplatz von Temeswar/ Timisoara liegt, lockt zu Spiel und Spaß. Deshalb wird es von seinen Einwohnern auch als „Balamuc – Spielplatz“ bezeichnet. Mehr dazu unter die Webseite www.balamuc.org. Dieses Jahr, im November, feiert das gemeinsame Atelier ein Jahr seines Bestehens. Das Ereignis ist schon geplant: Ein „Apartment-Markt“ soll es werden, denn genauso fing „Balamuc“ ein Jahr zuvor an, und zwar mit einem gemeinsamen „Garagen-Markt“. Im Atelier eines Freundes, das zuvor eine Garage war, stellten Livia, Razvan und Ana ihre Kunstwerke zum Verkauf aus. Jetzt soll eine ähnliche Ausstellung im neuen Apartment stattfinden. „Der Höchstpreis war damals 100 Euro pro Kunstwerk, weil wir daran glauben, dass Kunst erschwinglich sein muss“, so Ana Kun. Ungefähr 80 Besucher waren dabei. Nur vom Verkauf ihrer Werke und anderen Sachen, die sie illustrieren, wie Taschen oder Hefte, können sie finanziell nicht selbstständig werden. „Um genügend Geld zu verdienen, muss man in Kontakt mit Verlagen oder anderen Unternehmen sein, die Illustrationen brauchen“, erklärt Ana. Ein Vorteil soll es dabei sein, wenn man für ausländische Firmen gearbeitet hat. „Darauf reagieren die rumänischen Verleger besonders gut und so bekommt man auch einfacher neue Jobs“, spricht Livia Coloji aus eigener Erfahrung. Sie hat schon für das deutsche Spielzeugunternehmen Selecta gearbeitet und ebenfalls für das britische Einzelhandelsunternehmen Marks & Spencer. Ihr Spezialgebiet sind Illustrationen für Kinderbücher, aber ihre Zeichnungen erscheinen ebenso auf Verpackungen, Glückwunschkarten, Spielzeug, Werbematerial und in Zeitschriften. Derzeit plant sie eine Crowdfunding-Aktion für die Illustrierung eines Gedichtes, das vom rumänischen Autor Victor Vlad Delamarina geschrieben wurde. Es heißt „Al mai tare om din lume“/ “Der stärkste Mensch der Welt“ und ist in Banater Mundart geschrieben.
Beim Musik- und Kunst-Festival „Plai“, das vor kurzem in Temeswar stattfand, konnten die Besucher für einige Momente „stärkster Mensch der Welt“ sein, indem sie sich mit dem Haupthelden des Gedichtes – in Form eines illustrierten Holzabschnitts in echter Größe – fotografierten. Darüber hinaus wurden die Teilnehmer beim Festival ebenfalls eingeladen selbst zu Zeichnen. Deren Bilder stehen jetzt in „der Norm“ von „Balamuc“ – so heißt das gemeinsame Projekt, in dem täglich eine Illustration der drei Künstler auf der Facebook-Seite von „Balamuc“ veröffentlicht wird. Damit sie diese Arbeiten nicht nur im Internet zeigen, haben sie angefangen damit Fanzine zu machen. Diese sind Sonderpublikationen, die auf eigene Kosten vervielfältigt und an die Fans verkauft werden. Jedes Exemplar, das mit Illustrationen aus „der Norm“ geschaffen wurde, ist von Hand bemalt und enthält Texte die aus dem Rumänischen ins Englische übersetzt wurden. Das ist Ana Kuns Bereich.
Schreiben und Schneiden gehört dazu
Ana nutzt Text in ihren Kunstwerken und schafft dadurch narrative Bilder. Ein Master für kreatives Schreiben hat sie in diese Richtung geführt. Nach sieben Jahren im Grafik Design, hat sie sich entschieden, ihren eigenen Weg zu gehen: „Super-bunte Zeichnungen und unkonventionell niedergeschriebene Texte auf dasselbe Blatt zu kritzeln“, wie Ana ihre Kunst plastisch präsentiert. Ihre nächste Ausstellung wird am 30. Oktober in Karlsruhe stattfinden. Die Kunstwerke bleiben drei Wochen lang in der „Luis Leu“-Galerie. Dafür wird sie ihre Texte in English schreiben, mit ein bisschen Rumänisch und einige Wörter auf Deutsch.
Razvan Cornici „schneidet alles was er zeichnet auch aus“. Er benutzt eine Technik, die sich „volumetrische Collage“ nennt. Seine Illustrationen sind ausgeschnittene Zeichnungen. Manchmal werden sie in Kinderbüchern verwendet, so wie im Falle von „Grupa lui Ciufulici“/ “Die Gruppe des Ciufulici“ und „Sania lui Mos Craciun“/“Der Schlitten des Weihnachtsmanns“, von Autorin Lucia Muntean. In diesem Jahr nahm er am Projekt „Bucuresti Optimixed“ teil, wobei er seine Collagen in Fotos von Bukarest einbezogen hat.
„Ein Atelier zu haben, heißt natürlich mehr Arbeit und viele denken vielleicht, dass es sich nicht lohnt, aber ich würde jedem Künstler empfehlen, sich mit anderen zusammenzusetzen und ein halboffenes Atelier zu gründen, denn es hat klare Vorteile“, schließt Ana Kun.