Eher etwas für den Mittelstand suchten die Mitglieder einer Wirtschaftsdelegation aus Bayern, die sich vergangener Tage in Rumänien aufgehalten hat. An der Spitze der Stadtverwaltung glaubt man, eine „gute Mischung zwischen Mittelständlern und Großkonzernen“ auch in Zukunft in den Raum Temeswar/Timişoara bringen zu können. Die Frage, wer denn im Raum der westrumänischen Großstadt eine Chance hätte, konnten beide Seiten ähnlich beantworten: IT, erneuerbare Energien, Investitionen in effiziente Energieversorgung, Logistik und Maschinenbau. Eine 20-köpfige Delegation war Mitte vergangener Woche auf Rumänienbesuch. Kurze Bearbeitungszeiten der Papiere für Investitionen versprach Bürgermeister Nicolae Robu, aber auch Initiativen in Sachen Ausbildung, Infrastruktur und das Forschungszentrum für erneuerbare Energien pries er ganz besonders, steht es doch an seinem ehemaligen Arbeitsplatz – an der TU Politehnica.
Die Region um Temeswar sieht Ulrike Wolf-Prexler, als „erfolgreich und mit einem wirtschaftsfreundlichen Klima“.
Dabei seien deutschsprechende Personen in der Region sehr wichtig, aber auch der lokalen Politik zollte die Leitende Ministerialrärin aus dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft ihre Anerkennung. Deshalb sei es kein Wunder, wenn fast ein Drittel aller von Rumänien akquirierten EU-Summen in die Region fließen, sagte Wolf. Und dann kam der Wermutstropfen: „Mehr Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen, damit die Unternehmen von Anfang an wissen, woran sie sind.“ Die Delegationsmitglieder standen kurz vor dem Abschluss ihrer Rumänienreise, die von Bukarest über Hermannstadt/Sibiu nach Temeswar geführt hatte.
Arbeitsmarkt sucht vorwiegend Facharbeiter
„Hochwertige Handschuhe“, stellt die Münchner Firma Roeckl in Temeswar her, sagt die Firmeninhaberin Anette Roeckl. Dazu braucht sie hochqualifizierte Facharbeiter und das ist momentan das größte Problem für Unternehmer. Das Thema Berufsausbildung wurde auch beim Treffen der deutschen Delegation in der Temeswarer Stadtverwaltung hervorgehoben. „Eltern schicken ihre Kinder oft in die falsche Richtung, wenn es um die Berufswahl geht“, sagt Anton Kathrein, der auch in Temeswar eines seiner insgesamt mehr als 60 Werke stehen hat.
Auch für Kathrein ist es klar, dass nicht jeder Jugendliche gleich studieren muss – gute Facharbeiter werden derzeit mehr gebraucht als Uniabsolventen. „Wir fühlen uns wohl in Temeswar, wollen unsere Kontakte mit der Uni ausbauen und können von Loyalität unserer Mitarbeiter sprechen“, sagt der Firmenchef und gleichzeitig Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Eben solchen Mittelstand fördern, das ist der Fokus, von dem sich die bayrische Wirtschaft einiges in Rumänien und speziell am Standort Temeswar verspricht. Die Tatsache, dass Temeswar eine Arbeitslosenquote von weniger als zwei Prozent hat, sieht Anton Kathrein zwar als Problem, doch als eines der lösbaren Art: „Gerade deshalb brauchen wir am Standort Temeswar eine gute berufliche Ausbildung“. Im Sinne dieser Bildung von Facharbeitern denkt er natürlich an duale Ausbildung und ist dabei ganz im Sinne des Deutschsprachigen Wirtschaftsklubs, der scheinbar eine Kompromisslösung zusammen mit Fachschulen, Schulamt und Ministerium parat hat. Eine Variante, die vorerst im Schuljahr 2012/2013 Bestand haben soll.
Rektor peilt mehr Qualität als Quantität an der Uni an
In reellen Ziffern haben wir eigentlich landesweit eine Quote bestandener Abiturprüfungen von 20 Prozent, sagt Marilen Pirtea, Rektor der staatlichen Westuniversität Temeswar. Es rechnet dabei zu den 170.000 Kandidaten der Bakkalaureatsprüfung etwa nochmal so viele hinzu, die sich aus irgendwelchen Gründen nicht zur Prüfdung gestellt haben, obwohl man aufgrund deren Abschlusses der Mittelschule dies erwartet hätte. Solche Aspekte sind für Marilen Pirtea und sein Team mittlerweile zu einem existenziellen Problem geworden, denn die Hochschulen leben ja von Abiturienten. Trotzdem glaubt Pirtea, dass nicht jeder studieren muss. „Wir brauchen in Zukunft nicht mehr extrem viele Studenten, sondern bloß eine ausreichende Anzahl“, sagt Pirtea. Er hat auch bei vielen Abiturienten fehlendes Interesse ausgemacht, als diese nicht so zahlreich wie erwartet zum Nachhilfeunterricht erscheinen sind, den die Uni den Schülern der 12. Klasse für die Abiturprüfung gewährt hat. Pirtea glaubt, dass fehlende Motivation auch darauf zurückgeht, dass für Jugendliche oftmals solche Personen als Lebensmodell gelten, die mit Bildung nur wenig zu tun haben. Die West-Uni will auch in diesem Sommer an ihrem Angebot festhalten und Nachhilfeunterricht für Jugendliche vor dem Abitur anbieten. Die Herbstsession der Abiturprüfung steht an und um Nachhilfeunterricht zu gewähren, müssen Hochschullehrer aus dem Urlaub zurückgeholt werden. Im gerade abgelaufenen Schuljahr seien ohnehin vorwiegend die guten Schüler zur Nachhilfe gekommen, die letztendlich auch gute Leistungen bei den Prüfungen gezeigt haben. Rektor Pirtea gibt sich besonders fair und schreibt diesen Aspekt weniger dem Nachhilfeunterricht, als dem Interesse der jeweiligen Schüler zu.
Dass sich fast ein Drittel aller zum Abitur zugelassener Schüler zur Beanstandung gemeldet haben, ist für den Uni–Rektor auch darauf zurückzuführen, dass zum einen wenig Vertrauen in die Korrektur der Arbeiten und in das System herrscht, und außerdem hofft – so die Meinung des Rektors - der ein oder andere, dass unter Ausschluss von Überwachungskameras mit illegalen Mitteln doch noch was an der Gesamtnote gutzumachen wäre.