"Für Danny und Filip". Ihren beiden Söhnen widmet Stefana Ciortea-Neamţiu ihr neuestes Buch „Eine Stadt vermittelt sich“. Die Widmung ist nicht rein zufällig gewählt, sondern sie hat außer der sentimentalen Ader auch eine realistische Wirkung, denn zu dem Zeitpunkt, wenn Temeswar möglicherweise Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2021 wird, sind Danny und Filip im Teenageralter und genießen die Vorzüge einer Kulturhauptstadt. Sollte Temeswar im Wettbewerb mit Bukarest, Klausenburg und Neustadt/Baia Mare das Rennen machen, werden sie auch von diesem Titel profitieren.
Als journalistischer Wegbegleiter zeigt sich die Autorin und veröffentlicht eine Reihe von Beiträgen, die seit Herbst 2014 wöchentlich in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien - Banater Zeitung erschienen sind. Ştefana Ciortea-Neamţiu hatte diese Rubrik angeregt und betreut. Sie belegt damit den Weg der Stadt Temeswar von den Vorbereitungen bis inklusive in dem Moment, als Temeswar auf die Kurzliste der Kandidaten kam: von 14 rumänischen Städten blieben vier.
Zunächst analysiert die Lektorin an der Fakultät für Politik- und Kommunikationswissenschaften der Westuniversität in Temeswar, wie die Kandidatur von Temeswar für den Titel einer Kulturhauptstadt Europas dargestellt ist. „Dabei untersucht sie dieses Thema als ganzes in der kulturwissenschaftlichen Analyse“, schreibt der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Robert Reisz in seiner Einleitung zum Buch. „Der Leser lernt dabei vieles, nicht nur über Temeswar, sondern auch über das Konzept der europäischen Kulturhauptstadt und über die europäische Kulturpolitik im Allgemeinen“, setzt Dekan Reisz fort.
Das Interesse von Ştefana Ciortea-Neamţiu für europäische Themen ist keine Momentaufnahme. Bereits vor Jahren hatte sie sich – damals als Vorsitzende der Jugendgruppe eines Vereins – für Europa und die Beitrittsbemühungen Rumäniens zur EU engagiert. Als die Idee der Kandidatur von Temeswar für das Anliegen von 2021 zu reifen begann, hielt sie einen Vortrag zum Thema dieser Kandidatur. „Mein Interesse für Europa ist heute nicht minder“ gesteht die Buchautorin im einleitenden Text der Veröffentlichung. Mit Kennerblick betrachtet die ehemalige Lenauschülerin ihre Stadt auch in Kapitel „Temeswar - der Sender“. Sie pflegt mit diesem Titel auch einen Teil der in den Kommunikationswissenschaften so häufig gebrauchten Eckpfeiler der Kommunikation „Sender und Empfänger“. In zügiger Schreibweise zeichnet die Autorin ein Bild über Temeswar des 13. - 14. Jahrhunderts, erwähnt Premieren der Stadt in der Moderne und weist mit einem einfachen Beispiel auf interethnische und inferkonfessionelle Eigenheiten der Stadt hin. „Alt-Temeswarer pflegten einen Brauch: An den katholischen Ostern zündeten die Orthodoxen einen Kerze im Fenster an, an den orthodoxen Ostern taten es die Katholiken für ihre orthodoxen Nachbarn.“ Ganz egal ob in diesem Satz das Verb, „taten“ absichtlich im Präteritum gewählt war, oder im Unterbewusstsein Form annahm, dieses eine Wort zeigt, dass einiges von dem, was Temeswar einst ausmachte, verloren gegangen ist.
Im zweiten Teil sucht sich die Verfasserin Personen aus, um die herum sie das Leben der Stadt Temeswar aufzeigt und mit ihnen die Werte erkennen lässt, die eigentlich für den Titel einer Kulturhauptstadt stehen. Festivals und Events, die als Markenzeichen dafür stehen, warum Temeswar sich um diesen Titel bewirbt und in die Endauswahl gekommen ist, bleiben nicht unerwähnt, genauso die Frage, was unterm Strich nach einem mühsamen Weg zur Kulturhauptstadt und eventuell nach einem Jahr der Euphorie auch übrig bleibt. Nicht zuletzt wirft sie auch einen Blick auf die Konkurrenz und stellt Städte vor, die zu einem gewissen Zeitpunkt zu den härtesten Mitbewerbern galten.
Ihr Interesse am Thema und ihre Anschauung fließen in den Text ein, wenn sie aus ihrer Perspektive die Stadt mit den Augen vieler ihrer Mitbürger betrachtet und in einer Momentaufnahme behauptet, „bis nach Mitternacht wird noch alles an Kunst in dieser Stadt gekostet, genossen und verschlungen“.