Mit der neuen Premiere „Cabaret“ knüpft das DSTT-Ensemble an die hauseigene erfolgreiche Musical-Tradition der letzten Jahre an. Wird, nach Ihren Schätzungen, auch „Cabaret“ zu einem Publikumsliebling?
„Cabaret“ hat einfach alle Prämissen zu einem Publikumserfolg: das Werk ist nicht nur sehr bekannt, sondern auch vorbildlich gut geschrieben, die Musik beinhaltet lauter Hits, und das große DSTT-Team, das in diesen Wochen am Werk für diese neue Inszenierung ist, besteht aus sehr begabten und engagierten Künstlern, allen voran den Schauspielern des DSTT, die eine richtige Tour de Force mit Schauspiel, Gesang und Tanz auf sich nehmen, den Gästen aus Deutschland und von der Temeswarer Nationaloper, sowie einem Live-Orchester. Das Regieteam um Razvan Mazilu – er selbst ein Top-Künstler der rumänischen Theater- und Tanzszene – ist nicht minder vielversprechend: bei Peter Oschanitzky ist die musikalische Leitung wohl in den besten Händen, und der Ausstatter Drago{ Buhagiar ist an sich eine Garantie für die Bildhaftigkeit des Bühnengeschehens. Als Produzent fühlt man sich da schon ganz glücklich, wenn man merkt, dass viele Zuschauer dieser neuen DSTT-Premiere richtig entgegenfiebern.
Die Herbstsaison brachte interessante neue Premieren auf die Bühne. Das DSTT unternahm Gastreisen, nahm am Nationalen Theaterfestival teil, es gab Anerkennung und Preise für Ihre Schauspieler. Wie bewerten Sie diese erste Spielzeithälfte, die ja im Herbst von der 60. Jubiläumsfeier gekrönt wurde?
Es war eine reichhaltige und kraftaufwändige Spielzeithälfte. Mit den Premieren von „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth und „Täter“ von Thomas Jonigk haben wir zwei interessante Autoren der deutschsprachigen Literatur in den Vordergrund gebracht, ferner erfreuen sich die Wiederaufnahmen u.a. von Brechts „Kleinbürgerhochzeit“ – hierzulande kaum gespielt – und Herta Müllers „Niederungen“ großer Beliebtheit. Das Gebot der Vielfalt war uns nach wie vor sehr wichtig, sodass unser Angebot von der Klassik (Tschechow, Shakespeare) über wichtige Werke des 20. Jahrhunderts (Brecht, Herta Müller, Camus) bis hin zu Gegenwartsdramatikern, Konzerten mit deutscher Musik, Tanztheaterperformances und Kinderstücken reicht. Wir machen ein auch für deutsche Verhältnisse übliches Stadttheaterrepertoire.
Wenn man dazu noch die geografische Präsenz des Theaters allein in den vergangenen Monaten beobachtet, mit Festivalteilnahmen vom georgischen Tiflis bis Karlsruhe, und von Gheorgheni bis Ploie{ti und Bukarest, neben dem regulären Spielbetrieb zuhause, und dann das Europäische Theaterfestival „Eurothalia“ samt 60-jährigem Jubiläum, dann ist es schon eine gewaltige und zugleich schöne Bilanz. Es gab viele schöne Momente in diesen Monaten, am schönsten war es, als der Rumänische Theaterverband bei uns ansuchte, eine dritte Aufführung mit Tschechows „Möwe“ auf dem Nationalen Theatertreffen in Bukarest zu spielen. Sehr bald war dann auch diese restlos ausverkauft.
Das Ensemble erhielt auch heuer Neuzugänge. Wie bewährten sich die Nachwuchsschauspieler in ihren ersten Rollen? Wie wird es wohl weitergehen mit der eigenen Talentenschmiede?
Isa Berger und Richard Hladik sind seit letztem Herbst neu im Ensemble, was mich sehr freut. Sie sind sehr engagiert und begabt und haben sich gut integriert. Isa Berger ist in „Hänsel und Gretel“ und „Täter“ zu sehen, Richard Hladik in „Täter“ und demnächst in „Cabaret“. Für ihr Talent spricht auch, dass sie als Gäste mit Stückvertrag auch von anderen Temeswarer Theatern engagiert werden.
Ein Nachwuchsreservoire gibt es, solange es eine gut funktionierende Schauspielausbildung in deutscher Sprache und eine deutschsprachige Schul- und Jugendtheaterbewegung gibt. Da läuft die Kooperation mit dem Nikolaus-Lenau-Lyzeum hervorragend, wir veranstalten im Zeitraum 19. bis 23. Juni wieder gemeinsam das Internationale Deutschsprachige Jugendtheaterfestival, doch auch darüber hinaus ist das theaterpädagogische Angebot des DSTT, dank meiner Kollegin Isolde Cobe], äußerst substanzvoll und vielfältig. Die Jugendarbeit ist eine lebens- und überlebenswichtige Aufgabe dieses Hauses. Der Aufbau und die Stärkung des Ensembles sind für ein ausschließlich auf Deutsch produzierendes Theater in Rumänien eben keine leichte Sache, sondern eine langwierige und nachhaltig angesetzte Angelegenheit. Trotz der guten Nachwuchsarbeit gibt es weiterhin Nachholbedarf: Wir haben nach wie vor acht vakante Schauspielerstellen, hauptsächlich im Herrenbereich, die mangels deutschsprachiger Fachkräfte nicht besetzt werden können.
Was wird das Publikum aus Temeswar und landesweit noch bis zur Sommerpause zu sehen bekommen?
Nach „Cabaret“ planen wir eine erste Zusammenarbeit mit dem Spielleiter Cristi Juncu, der ein zeitgenössisches Stück inszeniert. Je nach finanzieller Vefügbarkeit ist die Erarbeitung einer weiteren neuen Inszenierung noch bis zur Sommerpause möglich. Am 23. März gastiert mithilfe des Österreichischen Kulturforums aus Bukarest die Inszenierung „Slobodija Odysseia, mon amour“ im DSTT, ebenfalls im März werden die Erfolgsinszenierungen „Das Mädchen im Goldfischglas“ und „Der Hässliche“ wiederaufgenommen. Im Zeitraum 1. bis 4. Mai gastieren wir mit mehreren Produktionen in Bukarest, Mitte Mai gibt es wieder im DSTT den langen NiL-Theatertag, der den Schultheatergruppen des Lenaulyzeums gewidmet ist, und im Juni, wie gesagt, das Jugendtheaterfestival.
Welche größere Projekte der nächsten Zukunft haben Sie im Visier?
Das bedeutendste Infrastrukturprojekt des Theaters ist der Erhalt einer zweiten Spielstätte, da die paritätische Nutzung des Saales mit dem Ungarischen Theater unsere Entwicklungsmöglichkeiten stark beeinträchtigt. Es ist für die künstlerische und personelle Entfaltung des DSTT essenziell, dass es zusätzlich zur jetzigen Bühne eine weitere Spielstätte zur ausschließlichen Nutzung erhält. Die Fortführung der Tätigkeit nur unter den räumlichen Bedingungen aus 1953 kann mittel- und langfristig nicht mehr verantwortet werden. Außerdem sind wir das einzige Temeswarer Theater, das eigentlich nur über einen halben Theatersaal verfügt. Das Nationaltheater, das Ungarische Theater und das Puppentheater verfügen alle über Alternativen. Da freue ich mich, dass der städtische Haushalt für 2014 Mittel für die Machbarkeitsstudie eines solchen Vorhabens vorsieht, nämlich zur Umgestaltung eines noch festzulegenden Saales zum Theatersaal für das Deutsche Theater.
In künstlerischer Hinsicht wurden die Gespräche mit dem Spielleiter Silviu Purcarete zu dessen ersten Arbeit an unserem Haus im Herbst 2014 konkret, es wird voraussichtlich eine Koproduktion des DSTT mit dem Ungarischen Staatstheater zur Eröffnung des 4. Eurothalia-Festivals im November sein. Davor wird Ende August die Sommerschule des DSTT wiederaufgenommen, die als Fortbildungsmaßnahme für die DSTT-Schauspieler und Studenten der deutschen Schauspielklassen gedacht ist. Mit Wolf E. Rahlfs aus Bruchsal führen wir Gespräche bezüglich einer Gastinszenierung, Alexandru Dabija kehrt zu Beginn des Jahres 2015 ans DSTT zurück und inszeniert die Uraufführung des Stückes „Bremen“ von Stefan Peca, nach den Brüdern Grimm. Auch mit Bocsárdi László und Niky Wolcz tauschen wir uns über deren Arbeiten am DSTT in der kommenden Saison aus, wo außerdem unser Ensemble mit einer Aufführungsserie von Tschechows „Möwe“ in Luxemburg gastiert.