Manchmal ist es angenehm, zu zitieren. Anderer Meinung vorschieben, wo man selber das selbe denkt. Unlängst fand ich im Briefwechsel von Nikolaus Lenau – den wir Banater ja immer noch gern zu den Unsrigen zählen, obwohl er sich höchstens als germanisierter Ungar aus der Pußta gefühlt haben mag – eine hochaktuelle Formel: er schreibt während seines fast einjährigen Amerikaaufenthalts, zutiefst enttäuscht von den hier vorgefundenen Mentalitäten und Verhältnissen, von den „Verschweinigten Staaten von Amerika“.
Die Formel des schwermütigen Romantikers, der im heutigen Lenauheim zur Welt kam, muss einem zumindest gefallen, wenn man nicht von einer falschen und gewaltsam aufoktroyierten „political correctness“ befallen ist. Die neuesten Enthüllungen, u.a. des „Spiegel“, untermauern in der Tat ein globales Abhörverhalten der Spionagenester von CIA und NSA, die vor allem (aber nicht nur) in den amerikanischen Botschaften ihre Tarnsitze haben und von einem Toppersonal mit Diplomatenstatus bedient werden.
Wo bleibt angesichts der 19 europäischen US-Botschaften mit Lausch- und Registrierzentralen (Moskau, Kiew, Pristina, Sarajevo, Sofia, Prag, Zagreb, Tirana, Tblissi, Budapest, Athen, Berlin, Frankfurt am Main, Genf, Madrid, Mailand, Paris, Rom, Wien, mehrere davon mit „Annex“, zudem Baku in Zentralasien) noch Platz für politische Korrektheit, wenn unter den Abhörkandidaten in Europa sich überwiegend „Freunde“ befinden? Die Anführungszeichen bei „Freunde“ meinen, dass diese selber es glaub(t)en zu sein, während die Leute der Eliteeinheit Special Collection Service (SCS), die engstens mit CIA und NSA kooperieren, stur ihrer Aufgabe nachgehen. Betreffs Bundeskanzlerin seit 2002, seit sie mit Edmund Stoiber um die Kanzlerkandidatur rang.
„Ausspähen unter Freunden – das geht nicht“, sagte die Bundeskanzlerin vor dem EU-Gipfel in Brüssel, an dem auch unser sich bei Fototerminen immer vordrängelnder Staatspräsident anwesend war. Und sich zum Thema ausschwieg. Schließlich und endlich gibt es bisher keinen Nachweis, dass auch in der Bukarester US-Botschaft eine Abhöranlage samt Team steckt. Die Handykanzlerin soll laut Medienberichten ein ungewöhnlich harsches Gespräch mit Barack Obama (der die bisher meisten und tödlichsten Drohneneinsätze weltweit genehmigt hat) telefonisch geführt haben – hält sich aber, säuerlich-zurückhaltend lächelnd, vor öffentlichen Kommentaren zum vereinigt-befreundeten Abhörstaat zurück. Wie lange ihr das noch gelingt, angesichts der internationalen Meute von Enthüllungsjournalisten und den ständig neuen und immer bedrohlicheren Daten über das Vorgehen der „Verschweinigten Staaten von Amerika“, das wird sich zeigen. Sie steht ja nicht mehr unter Wahlkampfdruck. Aber sie hat auch ein Wahlergebnis eingefahren, dass sie vor ihrer Wählerschaft nun zumindest ein Aufbäumen ihres staatsfraulichen Stolzes zeigen muss.
Die „Verschweinigten Staaten von Amerika“ wird das ebenso wenig beeindrucken wie ein EU-Pakt gegen die Abhörpraktiken gegenüber „Freunden“.