Sie ist eine strahlende Person: optimistisch, offen, unkompliziert. Als Lyrikerin schlägt Petra Curescu allerdings andere Töne. Es wird oft nostalgisch, oft traurig, oft ernst. Als würde sie auf ihren Schultern eine Welt tragen, von der sie sich aber niemals in die Knie zwingen lässt. Stattdessen bekämpft sie das Harte mit Ironie, streicht es weg, so wie ein Bluessänger. Man bekennt sich zum Schmerz, eignet ihn sich an, um darin etwas zu finden. Vielleicht sogar sich selbst. In ihrem alltäglichen Beruf hat die talentierte Lyrikerin viel mit Elend und Leid zu tun. Als Ärztin arbeitet sie mit krebskranken Patienten zusammen. So wie Elisabeth Kübler-Ross hat auch sie irgendwann die Konfrontation mit dem Tod gesucht, am Sterbebett anderer stehend, hatte sie versucht einen Blick auf die Ewigkeit zu werden, doch sie fand nur Leere. Während Kübler-Ross nach Jahren, in denen sie Sterbenden zur Seite stand, der festen Ansicht war, dass es durchaus ein Leben danach gibt, gesteht Curescu, dass sie an ein Jenseits nicht mehr glauben kann, weil sie in jenem Augenblick des Dahinscheidens, selber nichts sehen konnte, außer dem Stillstand. Vermutlich darum schreibt Curescu auch inzwischen nicht mehr oder sehr selten. Für sie ist es inzwischen eine Muss-Frage geworden. Denn schreiben war für sie immer Therapie gewesen: Eine Lyrikerin, die sich keinem Publikum widmen wollte und will. Sie schrieb für sich und, was noch wichtiger ist, über sich. Was andere von ihrer Literatur halten, wie sie diese verstehen und auffassen, dass hat sie nie interessiert. „Obwohl ich mir die Frage eigentlich stellen müsste“, meint sie verspielt. „Das wäre vielleicht ein neuer psychoanalytischer Ansatz. Was man alles dabei erfahren könnte.“
Was sagt Petra Curescu die Lyrikerin über Petra Curescu die Ärztin, die Privatperson aus. Nicht viel würden die einen sagen oder alles die anderen. Dafür steckt viel zu viel Bedeutung in ihren Gedichten, die sie in einem Atemzug schreibt, wo das Unbewusste ständig am Werk ist und ständig aus ihrem Leben schöpft. Und gleichzeitig spricht Curescu von einer Maske, die sie sich aufsetzen möchte und davon, wie sie sich hinter der Lyrik und vor allem hinter der Sprache Deutsch verstecken möchte. Rumänisch ist ihre Muttersprache, doch dazu findet sie keinen Zugang. „Auf Rumänisch schreiben, wäre für mich viel zu direkt“, findet sie.
Darin der Widerspruch und die Frage: Wenn Sie nur für sich schreiben möchte, vor wen will sie sich dann verstecken? Vor der Welt oder vor sich selbst?
Das klingt dann viel zu philosophisch, viel zu ernst für sie. Nein, sie schrieb, weil sie Gefühle und Gedanken, die sie belasteten, einfach aufs Papier bringen wollte. Es steckt keine Regie dahinter. Darum kann sie die Frage auch nicht beantworten, weil sie sich selber nie gestellt hat. Vielleicht ist es beides. In ihrem Gedicht „Die längste Nacht“ schreibt sie: wir trinken/ und bohren nach innen nach dem,/ was aussen nie wird /und am Ende der Nacht/ bin ich so leer/ wie mein Glas.
Treffend umschreibt sie den Rauschzustand, der Grund weshalb man zu einem Rauschmittel greift, weil man doch nur verloren ist, auf Antworten sucht, die man glaubt anders nicht finden zu können. Gleichzeitig trinken Menschen auch nur, um vor Problemen davonzulaufen. Und gerade in dieser Widersprüchlichkeit findet man auch eine mögliche Antwort auf die Frage, wieso sich Petra Curescu hinter ihrer Lyrik zu verstecken versucht, wenn diese Gleichzeitig so offen ist. Vielleicht finden wir manchmal dort eine Antwort, wo wir sie nicht zu finden glaubten. Auch „Die längste Nacht“ entstand treffenderweise in einer Nacht, was von Curescus Talent spricht und der kraftvollen inneren Stimme, die ihr Wahrheiten diktiert. Da erinnert sie an Dichterinnen wie Nora Iuga, die auch stets der Ansicht war, dass Gedichte im Unbewussten entstehen. Mit zehn Jahren kam sie zum Literaturkreis Stafette. Ihr erstes Buch brachte sie noch während ihrer Schulzeit heraus. „Regenbogen der Nacht“ ist eine Sammlung von Texten, die sie, seit sie zehn war, schrieb. Als eine Anstauung von Texten, die Wahllos gewählt wurden, beschreibt Curescu ihr Debütband. Darin würden sowohl Texte vorkommen, die sie noch immer mag, als auch solche, derer sie sich inzwischen schämen würde. Ihr zweites Lyrikband, das sie mit 21 Jahren veröffentlichte, war ganz anders. Mit „Warum spreche ich (nicht)...“ brachte sie eine Struktur ein. Leitthema ist die Kommunikation. „Die Gedichte handeln davon, wie ich mit mir selbst, mit einem Partner, mit dem Göttlichen kommuniziere“, so Curescu. Darin sind eindrucksvolle Gedichte festgehalten. Das Buch brachte ihr auch eine Nominierung für den Adelbert von Chamisso-Preis. Die literarische Auszeichnung wird jedes Jahr an deutschsprachigen SchriftstellerInnen aus dem Ausland vergeben. Der aus Temeswar gebürtige Autor Catalin Dorian Florescu erhielt den Nachwuchspreis, was den Start einer erfolgreichen Karriere für ihn bedeutet hat. Sie hatte zwar den Preis nicht erhalten, es war und ist jedoch ein Beweis für das Potenzial dieser jungen Lyrikerin, die sich scheinbar zu früh von ihrer Lyrik zu trennen scheint. Doch wer kann noch die Energie aufbringen, wenn der Alltag so hart sein kann? Petra Curescu könnte es, weil sie sich nicht so leicht unterkriegen lassen kann. Somit spricht vieles dafür, dass es nur eine Frage der Zeit ist, ehe wir wieder von dieser talentierten Dichterin hören werden. Schließlich folgt sie in die Fußstapfen einer Nora Iuga und das heißt, dass sie sich einfach nur treiben lassen muss und auf ihr Unterbewusstsein hören, wo selbst im Widerspruch etwas entstehen kann, dass selbst der Logik nicht missfällt.