Mutig standen sie, mit entblößten Seelen vor dem Publikum und sprachen über die schlimmsten Momente in ihren Leben: sexuelle Nötigung im Kindesalter, ein Vater, der Fußballspieler war und Alkoholiker wurde, Soldaten, die das Gewehr laden, wenn sich die junge Frau dem Theater nähert (man schreibt das Jahr 1989), aber auch über die größten oder schönsten: die Familiengründung, der UNITER-Preis, die Tourneen, die Intendanz: Sechs Schauspielerinnen unterschiedlicher Jahrgänge vom DSTT äußerten sich in ihren Bekenntnissen, die unter dem Stab der Regisseurin Carmen Lidia Vidu zum „Tagebuch Rumänien. Temeswar“ zusammengeführt wurden, über ihr Leben, über ihre Beziehung zur Stadt, über die rumänische Gesellschaft, über Ängste und Hoffnungen und über das Theater, das Bindeglied zwischen ihnen und, wie es zum Ausdruck kam, auch das Element, das Halt gab und gibt, das erziehen kann, bilden kann, heilen kann.
So standen diesmal auf der Bühne, um ihr eigenes Leben darzustellen, aber auch um ein Statement abzugeben: Ida Jarcsek-Gaza, Tatiana Sessler-Toami, Daniela Török, Ioana Iacob, Olga Török und Silvia Török.
In diesem dritten Teil des „Tagebuchs. Rumänien“, das die Regisseurin Lidia Carmen Vidu, vorgeschlagen hat, geht es um die Kindheit im Kommunismus („Ich war ein Schlüsselkind“ erklärt Ioana Iacob“), um das Leben als junge Erwachsene im Kommunismus („Als junger Mensch in den 1960er Jahren war man entweder Student oder man arbeitete“ – Ida Jarcsek-Gaza). Es geht um die Musik Temeswars: Operettenmusik ist sie es für Ida Jarsek-Gaza, die Jazzmusik und „Implant pentru refuz“ für Ioana Iacob. Es geht um Geschmäcker, an die man sich erinnert, sei es Haribo oder Schokolade, die Tatiana Sessler-Toami in ihrer Kindheit „wie Porzellanfiguren“ ins Regal legt oder der Maggi-Brühwürfel, den Ioana Iacob nach der Wende entdeckt hat.
Es geht um die Beziehung zur Stadt: „Ich bin ein 100-prozentiger Stadtmensch“, erklärt Ida Jarcsek-Gaza, die lange Spaziergänge durch die Viertel der Stadt dazu nutzt, um eigene, kleine oder große Probleme zu lösen, es ist „die Hafenstadt, in die ich immer wieder zurückkehre“, wie Daniela Török es fühlt. Es ging um heftige Erinnerungen an die Revolution. Um die Zeit nach der Wende, als Lehrer aus Deutschland kamen. Olga Török erinnert sich an Frau Züfle, die ihre Schüler lehrte selbstständig zu sein: Nach dem organisierten Basar konnte die Klasse renoviert werden, auch für eine Exkursion zur Bärenhöhle reichte das Geld. Es ging um Rumänien, was gut daran ist und was besser sein könnte und darum, dass „wir uns nicht gegenseitig schätzen“, wie Silvia Török es punktiert.
Für den Besucher war die Vorstellung ein Blick hinter den Kulissen und weit tiefer als in den Kabinen bis in das Intimste dieser Frauen, die sich weder von Männern, noch von Vorurteilen oder einem Regime treten lassen. Starke Frauen, starke Aussagen, starker Widerhall.