„Wie ich gestan iba ti Straßn geh!“

Redensarten: Was ein waschechter Temeswarer alles von sich gibt (III)

Ein beachtlicher historischer Ort in Temeswar: Der Marienplatz, der Eingang zur Josefstadt – hier wurde der Anführer der Aufständischen György Dozsa verurteilt und hingerichtet. Hier startete die Dezemberrevolution 1989. Foto: Zoltán Pázmány

Das überlieferte Temeswarer Stadtdeutsch- Es hat heute nur mehr eine stark verminderte und auch veraltete Gruppe von Sprechern, die aber weiterhin dieser in Südosteuropa, auf dem Balkan beheimateten  interessanten deutschen Umgangssprache treu geblieben sind- ist nachweisbar, wie alle Mundarten eher in Wort und weniger in Schrift, ein historisch bedingtes  Gebilde.

Temeswar hatte 1716 bis Ende des I. Weltkriegs als Bestandteil von Österreich- Ungarn nicht nur durch die alte Heimat der deutschen Ansiedler stets enge Beziehungen zu Mitteleuropa und in sprachlicher Hinsicht zum deutschen Sprachraum Europas.

Selbstverständlich war das Werden der Temeswarer Umgangssprache, nach der Art und Weise der Temeswarer, die selbst schon immer wie die Banater Bevölkerung ein Gemisch von Volksgruppen war,  eine höchst kosmopolitische Sache: Die Temeswarer Deutschen, offen gegen Westen, gegenüber dem Hochdeutschen, Österreichischen, und allen deutschen Mundarten von draußen und von drinnen (gemeint sind da die banatschwäbischen deutschen Mundarten ) nahmen im Laufe der Zeit auch Lehngut von allen Ethnien, mit denen sie zusammenlebten, an. So von den Rumänen (Wallachen), den Serben (Ratzen) und von den Ungarn (Madjaren).

Laut der Temeswarer Germanistin Karin Dittrich, die der Erforschung des  Temeswarer Stadtdeutsch etliche Studien gewidmet hat, wird in Temeswar, wie   in   den   anderen   Banater   Städten z.B. Reschitza oder Lugosch,   Bairisch-Österreichisch  gesprochen.  Die  Temeswarer  Stadtsprache  gleiche  im Wesentlichen dem  Alt-Wienerischen, von welchem sie auch abstammt. Bis  Ende  des  19.  Jahrhunderts  sprach  man  in  den  Vorstädten  Temeswars eine bairische   Mundart. In der Festung wurde   die   Wiener  Stadtsprache  gesprochen.Zwei Mundarten aus dem deutschen Sprachraum: Diese  Mundarten  haben  sich aber  gegenseitig  beeinflusst. Man könne als Ergebnis von einem Sprachausgleich sprechen zwischen der bairischen Mundart  der Vorstädte  und   dem   Wiener   Beamtendeutsch der „Festungsdeutschen“. Im Laufe der Zeit kamen aber konstant auch Banater Schwaben aus den umliegenden deutschen Dörfern mit ihrer rheinfränkischen Mundart  hinzu. Diese ließen sich nicht in der Innenstadt sondern in den Vorstädten nieder.

Die  wienerische  Stadtmundart  hatte  nur eine  kurze  Lebensdauer, denn aus ihr bildeten sich zwei Umgangssprachen heraus,  die  bairisch-österreichische  Umgangssprache  und  der  Vorstadt-Slang . Dieses neue Temeswarer Deutsch hat also von allem etwas, unterscheidet sich aber von der Standardsprache und auch von den rheinfränkischen Dorfmundarten.

Hier einige dieser recht zahlreichen morphologischen Merkmale  der  Temeswarer Stadtsprache, die klar von der bairischen Mundart beeinflusst sind :

Feminine Substantive, die in der Standardsprache auf –e enden, verlieren das –e

z.B. Katze- Katz, 

Tante- Tant, 

Wäsche-Wäsch, 

Grenze- Grenz, 

Ruhe- Ruh, 

Freude- Freid.

Einige  erhalten  zusätzlich  ein  –n. Ihre Form im Singular ist identisch mit der im Plural, z.B.

Nase-Nasn,

Suppe-Suppn,

Zunge- Zungn,

Minute-Minutn.

Statt des Reflexivpronomens wird in der ersten Person Plural die Form sich verwendet:

Mir frein sich , Mir setzen sich.

Diminutiva von Substantiven werden mit dem Adjektiv klein umschrieben:

Klaana Vogl

klaana Apfl

klaanes Bett.

Die Pronomen haben auch andere Sprachformen: Anstatt  wir wird mir und anstatt ihr wir ees verwendet:

Mir sein ma Temeswarer!“

„Ees seids wohl aus Schanderhaas!“

Die Temeswarer deutsche Umgangssprache ist eine direkte, einfache aber melodische Mundart, aber vor allem eine unbeschwerte, witzige  Sprachform. Kein Wunder also der große Erfolg durch alle Zeiten des typischen Josefstädter, der Josefstädter Franzi. Der sprach nur so, wie ihm der Schnabel gewachsen war, und doch wurde sofort alles Gold, pardon Humor. Der Temeswarer Schauspieler Alexander „Buju“ Ternovits, der sich diese Temeswarer Witzfigur und dessen Normalsparche , von ihm noch mit dem Temeswarer Slang angereichert, angeeignet hatte, feierte damit große Erfolge in den „Bunten Abenden“ des DSTT. Er selbst bekannte einmal, dass der Humor eigentlich auf der Straße liegen würde.

Hier im Gegenpart (ein Auszug aus einer entsprechenden Studie des Temeswarer Publizisten und Sprachforschers Hans Fink) einige lexikalische Merkmale des Temeswarer deutschen Stadtsprache, die eindeutig auf den Einfluss des Wienerischen schließen lassen. Es sind z.B. Synonyme und phraseologische Fügungen. Im Umlauf in der deutschen Umgangssprache sind so für den Begriff „ungeschickter Kerl“:

Tapp ins Kraut

Patsch in die Schüssel

Tapp in die Schüssel

Trottel vom Dorf

Landpomerantsche

Dazu auch ein Attribut:

Damisch

Hoppadatschig

Lahmlackert

Gut für auf den Essigkrug

Im Folgenden noch einige Beispiele der echten deutschen Stadtsprache, sehr ähnlich übrigens den deutschen Stadtsprachen aus Reschitza und aus Lugosch:

Ich bin im Mosi gwesen

Ti  Anna hat vasprochen

Ta Franz is aus ta Stadt

Wie ich gestan iba ti Straßn geh

Der wert schon seins kriegn

Fortsetzung folgt