Vor wenigen Tagen wurde in der Aula der Temeswarer Filiale der Rumänischen Akademie das Buch Victor Neumann, istoricul și opera (Victor Neumann, der Historiker und sein Werk), herausgegeben von Florin Lobon] und Miodrag Milin, erschienen im RAO-Verlag, vorgestellt. Anlass dazu war der 65. Geburtstag des Universitätsprofessors. Über seine Projekte als Historiker, aber auch als Direktor des Kunstmuseums Temeswar sprach Victor Neumann mit der Redakteurin Ștefana Ciortea-Neamțiu.
Welches ist das Werk, das ihnen, retrospektiv betrachtet, stärker ans Herz gewachsen ist und was nehmen Sie sich für die Zukunft vor?
In den letzten Jahren habe ich mich mehr der Geschichte des Banats zugewandt und habe über ein Jahrzehnt lang mit Forschern aus Rumänien, Serbien und Ungarn an einem Band gearbeitet (Victor Neumann (Koord.), „Istoria Banatului“, Verlag der Rumänischen Akademie, 2016 – N. Red.). Nun ist die Übersetzung ins Englische, eine überarbeitete, vervollständigte Version, an einen Verlag in Großbritannien gegangen. Das Buch ist der Kulturhauptstadt 2021 gewidmet, es ist mein Geschenk an die Stadt, aber es hat auch international Interesse geweckt. Andererseits setze ich die Forschungen in der Theorie der Geschichte fort. Ein Buch, an dem ich mit Professor Armin Heinen vom Historischen Institut in Aachen zusammengearbeitet habe, wird derzeit gedruckt. Es ist der Modernität in Zentral- und Südosteuropa gewidmet: „Modernity in Central and South-Eastern Europe, Ideas, Concepts and Discourses“. Mein drittes Belangen zurzeit ist – da ich als Redner nach Buenos Aires eingeladen wurde – die Aktualität der „conceptual history“ und ich werde Beispiele aus Zentral- und Südosteuropa nennen. Der Begriff Europa interessiert mich immer mehr, da es Menschen aus Kultur, Wissenschaft und Politik gibt, die Europa in Frage stellen. Ich zeige, worin die Einheit und die gemeinsamen Werte Europas bestehen und warum die EU wichtig ist: eine bessere Gesetzgebung, eine bessere Verwaltung…
… und sicherlich auch das, was Sie in dem Vortrag vorhin erwähnt haben, die sieben Jahrzehnte Frieden.
Ja, sicherlich, die 73 Jahre Frieden, was hervorragend ist, wir müssen das schätzen. Es gibt zum ersten Mal in der Geschichte dieses Kontinents keine Konflikte zwischen den Staaten in Europa. Unsere Vorfahren sind dafür gestorben. Diesen Aspekt verstehen manche nicht und fangen dann einen kriegerischen Diskurs an oder eine rechtsextreme, populistische Orientierung.
Leider gibt es diese Tendenzen in mehreren europäischen Staaten. Wie sehen Sie als Historiker diese Situation?
Krisenmomente können sanft überbrückt werden oder sie können uns zu Konflikten zurückführen. Wichtig ist, dass wir eine glaubwürdige, starke Reaktion für die Massen haben; wir sind imstande, eine friedliche Beziehung zwischen den Staaten Europas aufrechtzuerhalten. Eine große Anzahl von Intellektuellen in Europa unterstützen dies. Es gibt auch starke Staaten in Europa, wie Deutschland und Frankreich, die eine Entwicklung und Stärkung der EU unterstützen. Sicherlich können nicht alle Probleme auf einmal gelöst werden. Die Unzufriedenheiten der Menschen aus dem Osten sind auf dem Hintergrund eines bislang ziemlich unproduktiven Dialogs entstanden, es scheint, dass sie uns im Westen nicht sehr gut kennen. Ignoranz ist schlecht, Isolation des Anderen ebenfalls. Je mehr und je seriöser wir kommunizieren, desto schneller können wir Krisen bewältigen.
Weil Sie bereits von den europäischen Werten gesprochen haben und sich über die Geschichte des Banats interessieren, in welcher Hinsicht ist der Banater ein „homo europaeus“?
In dem Maße, in dem wir das Banat von früher wiedererfinden können: Diese Region war vielsprachig, tolerant gegenüber den Religionen – die katholische und die orthodoxe Kirche stehen sich gegenüber (am Domplatz - N. Red.) – es gibt in der Nähe auch Synagogen, auch eine evangelische Kirche, in der Stadt gibt es auch reformierte calvinische und eine griechisch-katholische Kirche, es gibt seit eher eine Diversität, aber man muss viel mehr darüber reden. Es geht um eine kosmopolitische Ausbildung, so dass auch die Gesellschaft offen gegenüber den Werten und der Kultur des Anderen ist. Wir müssen von dem Monolog, der dem Totalitarismus oder Autoritarismus eigen ist, zu einer Kultur des Dialogs kommen.
Um auf Ihre Tätigkeit als Direktor des Kunstmuseums zu sprechen zu kommen, was bereitet das Kunstmuseum demnächst vor?
Wir wollen die permanenten Ausstellungen umgestalten, um das besser verwerten zu können, was zurzeit gelagert wird. Wir arbeiten an dem Inventar und haben 300 Zeichnungen von Stefan Jäger gefunden.
Wann werden diese ausgestellt?
Zuerst müssen wir mit dem Inventar fertig werden. Wir werden die Werke in permanente Ausstellungen einführen, aber noch haben wir nicht den gesamten Raum für das Kunstmuseum zur Verfügung, schrittweise, in dem Maße, in dem der Barockpalais restauriert wird, werden wir auch unsere Kollektionen besser zur Schau stellen können.
Soweit ich verstanden habe, sind auch weitere Zeichnungen und Skizzen großer Künstler gefunden worden: Dürer, Cranach…
Wir haben Gravuren, Lithografien, Zeichnungen von Dürer, Holbein, Rubens, Tiepolo, Tintoretto, auch einige Gemälde sind dabei, auch von Grigorescu. Diese wurden von den vorherigen Generationen nicht ausgestellt, nicht verwertet. Zusammen mit Kollegen aus anderen Städten werden wir jedes einzelne Werk begutachten, so dass wir sie dann ausstellen können. Es war es eine sehr große Überraschung! Das Museum muss dynamischer werden, die neuen Museographen müssen sich aber zuerst spezialisieren.
Da wir uns dem Jahr 2021 nähern, gibt es Chancen, dass der letzte Teil des Gebäudes bis zu diesem Zeitpunkt restauriert und dem Museum eröffnet wird?
Chancen gibt es. Noch wartet man darauf, dass die Baufirma, die die Arbeiten noch nicht beendet hat, abschließt, und dass das Kulturministerium das Gebäude dem Kreisrat überträgt, der sich um die weiteren Restaurierungsarbeiten kümmern wird. Der Restaurierungsprozess könnte in einem Jahr abgeschlossen sein. Das Museum hätte dann weitere Ausstellungsräume, auch Räume für Büros, für das Archiv, die Bibliothek, das Labor, auch eine Cafeteria. Die Kosten würden ungefähr eine Million Euro betragen.