Vor 15 Jahren wurde Rumänien für eine Niederlassung der Continental AG gewählt. Die gut ausgebildeten Mitarbeiter vor Ort, aber auch die niedrigen Standortkosten haben zu dieser Entscheidung beigetragen. Heute wächst das deutsche Unternehmen in Rumänien stetig, sowohl, was Mitarbeiter, als auch, was Investitionen anbelangt, ließ Christian von Albrichsfeld, der Geschäftsführer von Continental Rumänien, bei der 15-jährigen Jubiläumsfeier in Temeswar/Timişoara wissen. Die Temeswarer Reifenfabrik muss sich aber auch mit einem schlechten Image - jenem eines Luftverschmutzers - auseinandersetzen. Continental hat inzwischen mit der Reduzierung der Geruchsbelästigung durch die Temeswarer Reifenfabrik begonnen. So soll noch bis Jahresende das Problem zu etwa 80-90 Prozent behoben werden. Die BZ-Redakteurin Andreea Oance traf den Geschäftsführer von Continental Rumänien, Dr. Christian von Albrichsfeld, anlässlich der Feierlichkeiten in Temeswar und führte mit ihm folgendes Gespräch.
Der Continental-Konzern ist seit 15 Jahren in Rumänien. Sie waren nicht von Anfang an dabei, doch was glauben Sie, dass damals zu dieser Entscheidung geführt hat, in Rumänien eine Niederlassung zu bauen?
Üblicherweise waren Entscheidungen in diese Richtung eher vom Gedanken geprägt, wegen eines günstigen Kostenniveaus eine Fabrik zu bauen. Wenn wir Continental anschauen, oder damals Siemens VDO, dann war es eher eine strategische Entscheidung. Das war auch eine klare Thematik: Man hat gesehen, dass wir künftig mehr und sehr gut ausgebildete Mitarbeiter brauchten. Das war durchaus ein Thema, dass schon damals sehr klar ersichtlich wurde, als man sich die Landkarte anschaute. Man ist auf Temeswar gekommen, mit einer sehr guten TU Politehnica und einer West-Universität auf einem sehr hohen Niveau, die beide unsere Arbeitskraft ausbilden. Das war natürlich ein erster strategischer Schritt, wir wollten vorerst mal sehen, wo wir hinkommen. Aber ich habe es schon öfters gehört, jeder Plan wurde von der Wirklichkeit überholt und übertroffen.
Inwiefern hat sich das Bild des Billiglohnlandes Rumänien in den 15 Jahren geändert?
In unserer Firma hat sich das sehr geändert. Ich sehe es auch bei den Entscheidungsträgern, die Rumänien als ein Land ansehen, wo man hochqualifizierte Arbeitnehmer hat, wo wir komplexere Themen bearbeiten können. Und wir werden von unseren deutschen Partnern als ein vollwertiges Mitglied einer Entwicklungs- und Forschungsgemeinschaft wahrgenommen. Da haben wir uns momentan einen Platz erobert, den wir trotz einer äußerst jungen Mannschaft - wir sind alle so um 30 Jahre alt – inne haben. Ich muss das unterstreichen, denn in Deutschland geht das Team in Richtung 50 jetzt. Also, wesentlich mehr Lebens- und Arbeitserfahrung, aber wir sind in Rumänien soweit, dass wir dieses Thema oft durch hohe Motivation kompensieren. Die hier Angestellten wollen was leisten. Es ist eine junge, kreative Mannschaft, mit der es unheimlich viel Spaß macht, zu arbeiten.
Sie haben mehrmals, genauso wie andere Unternehmer auch, die Notwendigkeit der dualen Ausbildung in Rumänien unterstrichen. Projekte wurden bereits in dieser Hinsicht gestartet. Hat sich die Lage in der letzten Zeit geändert? Was wäre noch zu tun?
Wir haben aktuell 15.000 Mitarbeiter in Rumänien. Unsere Pläne sehen vor, in diesem Jahr noch um weitere 1000 Mitarbeiter zu wachsen und ich sehe nicht, dass sich die großen Pläne in dieser Richtung ändern werden. Wo man in solchen Größenordnungen irgendwo tätig ist, da muss man schauen, dass auch das Land funktioniert. Man kann nicht nur auf sich selber schauen. Man hat eine gewisse Verantwortung für die gesamte Gesellschaft. Wir kommen nicht nur hierher und investieren eine Milliarde Euro, um dann hier abzuziehen. Wir müssen auch sicher stellen, dass wir sinnvoll in den nächsten Jahren hier weiter existieren und wachsen können. Und das geht nur dadurch, indem wir weitere Arbeitskräfte im Land bereitstellen. Momentan gibt es hier einen Mangel an ausgebildeten Fachkräften auf einem unteruniversitären Niveau und dieses Thema möchten wir durch dieses duale System im Land einführen. Das ist ein nationales Thema, das alle großen Firmen sehen. Es gibt im Moment vier Pilotschulen, wobei wir mit der Regierung zusammenarbeiten. Das sind natürlich kleine Steinchen, die aber, eines nach dem anderen, einen großen Berg bilden können.
Wo sehen Sie Potential für zusätzliches Wachstum in Rumänien und vor allem in Westrumänien?
Die Statistiken zeigen, dass die Arbeitslosigkeit im Kreis Temesch bei 1,9 Prozent liegt. Ich sehe die Lage für uns als Conti, dass wir eigentlich kein Problem haben, weiter zu wachsen und auch Leute zu finden. Im Augenblick wachsen wir aber organisch weiter, so wie wir es bislang getan haben. Wir sind letztes Jahr allein in dem Bereich F&E um 500 Mitarbeiter gewachsen, d.h. wir haben 500 Ingenieure mehr als vor einem Jahr. Im Gesamten sind wir um 1500 Mitarbeiter im vergangenen Jahr gewachsen. Und ein solches Wachstum ist immer noch möglich. Es wird natürlich in dem Moment schwierig, wenn in diese Zentren, in denen wir sitzen - Temeswar, Hermannstadt, Kronstadt, Jassy - noch zusätzlich größere Firmen kommen würden, dann hätten wir irgendwann eine starke lokale Konkurrenz und das wäre für uns schwierig. In Rumänien sehe ich noch ein großes Potential eines weiteren Wachstums und es gibt durchaus Zonen, wo Wachstum benötigt wird: Schauen wir uns die Region Marmarosch, Suceava und Galatz aber auch hier in der Gegend, Reschitza, an. Es sind durchaus Gebiete, wo noch eine große Arbeitslosenquote herrscht, wo neue Firmen sehr willkommen wären.
Kann man also mit weiteren Investitionen von Continetal in Rumänien rechnen?
Wir investieren jedes Jahr. Alleine letztes Jahr wurden um die 170 Millionen Euro hier investiert. Wenn wir 1000 Mitarbeiter aufbauen, dann müssen wir auch investieren. Dieses Jahr sehe ich noch ein Wachstum von weiteren 1000 Mitarbeitern, natürlich ist das mit Investition verbunden.
Wenn man Continental AG in Temeswar sagt, denken die meisten Bürger an Conti als Reifenhersteller und somit auch als Luftverschmutzer der Stadt. Wann und wie, glauben Sie, wird sich dieses Bild von Continental ändern?
Ich bedauere es auch sehr, dass das Ganze in diese Richtung gesehen wird, vor allem, weil es auch so nicht richtig ist. Auch in anderen Ländern und Städten, wo wir Reifenwerke haben, hat man mit einer Geruchsproblematik zu tun. Es riecht einfach nach Gummi! Das ist nun mal eine Situation, aber das sind Geruchsprobleme. Diese Thematik wird hier als sehr störend angesehen und deswegen haben wir auch dagegen reagiert. Wir haben eine Investition von 10,5 Millionen Euro, die neulich vorgestellt wurde, angestoßen. Wir werden Teil der Produktionsanlage Schritt für Schritt umrüsten und weitere Filtermaßnahmen hier einführen. Das ist ein Pilotprojekt auf weltweitem Niveau. Bis Ende des Jahres wird die Investition abgeschlossen sein. Danach erwarten wir eine wesentliche Reduzierung der Geruchsbeeinträchtigung. Das geht in die Richtung 80-90 Prozent und wir hoffen, dass dadurch das Thema erledigt sein wird. Das ist ein Thema, dem wir in anderen Ländern nicht begegnet sind. Dort akzeptieren die Leute, die neben dem Werk wohnen, dass dieses neue Arbeitsplätze sichert. Hier ist es ein sehr aufgeputschtes Thema aber wir haben letztendlich darauf reagiert. Uns ist es einfach wichtig, dass die Gemeinschaft, in der wir sind, sich auch sicher fühlt.
Wie sehen Sie Continental in Rumänien in weiteren zehn Jahren?
Continental als Gesamtkonzern wächst ja unheimlich. Bloß letztes Jahr sind wir um etwa 10.000 Leute gewachsen. Wir haben die richtigen Produkte. Wir setzen sehr stark auf Produkte mit einem hohen Innovationsgrad. Wir sehen die Autoindustrie aus einem Mobilitätsgedanken heraus, der bei den Menschen da ist. Wir sehen das Thema sich in verschiedene Hauptrichtungen entwickeln. Eine Hauptrichtung ist klar: Unfälle verhindern. Es gibt verschiedene Fahrerassistenzfunktionen, die dieses ermöglichen. Es sind Funktionen, die wir in Serie bringen. Wir machen hier Assistenzfunktionen wie z.B. kamera-, laser- und radarbasierte Systeme, die wir jetzt frisch entwickeln. Das Fahrzeug kann feststellen, ob andere Verkehrsteilnehmer auf der Straße sind, ob Kinder vor das Auto laufen, das Fahrzeug kann automatisch bremsen. Das sind alles zusätzliche Funktionen, die mehr und mehr in die Fahrzeuge hineinkommen und an denen wir hier arbeiten. Ein anderes, wesentliches Thema ist die Frage: Wie kann ich das Fahren nachhaltig energieeffizient machen. Es geht um elektrische und Hybrid-Antriebe, um eine hohe Kraftstoffersparung, die wir angehen müssen. Das sind alles sehr spannende Themen, an denen wir arbeiten und Rumänien ist mittendrin.