Langsam gewöhnen sich die Temeswarer an ihre neu hergerichtete Innenstadt, mit den neu gepflasterten Gassen und den drei Plätzen, dem Dom-, dem Freiheits- und dem Sankt-Georgs-Platz, den modernen Skulpturen und den Hinweistafeln auf die frühmittelalterlich-ungarische, die spätmittelalterlich-osmanische und die neuzeitlich-österreichische Geschichte ihrer Heimatstadt. Manche Räumlichkeiten in den Erdgeschossen der denkmalgeschützten Bauten werden derzeit renoviert, auf der Eugen-von-Savoyen-Gasse und am Sankt-Georgs-Platz wird so manches Stadthaus umfangreichen Sanierungen unterzogen, Gerüste werden aufgestellt und Dächer erneuert.
Die neue Fußgängerzone, eine der größten im heutigen Rumänien, füllt sich also langsam mit Leben. Die Bürger entdecken die Vorzüge des Flanierens, der Autoverkehr scheint niemandem wirklich zu fehlen. Die meisten Cafés haben bereits Tische im Freien aufgestellt; vor allem das Mitte März in Kraft getretene Rauchverbot hat dazu beigetragen, dass sich das Alltagsbild, mit Rauchern allen Alters vor Bars und Restaurants ausharrend, an das Muster mitteleuropäischer Städte angepasst hat. So scheint es zumindest auf den ersten Blick.
Denn es trägt sich auch Bizarres zu in Temeswars sanierter Innenstadt. Kann man über „Supermam” und „Eva” lange streiten, über jene Plastiken, die auf der Mercy-Gasse und an der Kreuzung der Eugen-von-Savoyen- mit der Alecsandri-Gasse aufgestellt worden sind, so müsste jedoch Einigkeit darüber herrschen, dass ein Laden für Haushygiene- und Putzartikel, wie zum Beispiel Klopapier, Bürsten und sonstiges Zubehör, auf der Mercy-Gasse nichts zu suchen hat. Doch genau so ein Laden steht kurz vor der Eröffnung: Zwischen dem gemütlichen Zai-Café, der schicken Cărturești-Buchhandlung und dem alten Briefmarkengeschäft der Rumänischen Post steht der neue Laden. Mit Toilettenpapierrollen sind die Regale gefüllt, auch Spülmittel und Mopps kann der in- oder ausländische Flanierer ergattern. Klein-Wien lässt grüßen.
Auch sonst wäre Manches zu bemängeln an der Temeswarer Innenstadt. In erster Linie hat keiner nach Abschluss der Sanierungsarbeiten den Besen in die Hand genommen. Schmutzig sind die Straßen: Baureste, Zigarettenkippen, Plastikflaschen und Vieles mehr könnte man einsammeln. Der noch immer nicht fertiggestellte Sankt-Georgs-Platz und die menschenreiche Alecsandri-Straße bieten dafür das beste Beispiel. Das i-Tüpfelchen: Der unglaublich hässliche Kabelsalat, ein Problem aller rumänischer Städte, welches an der Bega durch das Umgestaltungsprojekt der Innenstadt gelöst werden sollte. Man hat zwar unterirdische Leitungen gelegt, doch mancher Mast droht unter der Last der zig zentnerschweren Telefon- oder Internetkabel umzufallen. Blickt man also als Spaziergänger gen Himmel, sieht man bröckelnde Fassaden und schwarze Kabel. Ein neuer Stadtratbeschluss soll her, die Telefon- und Internetbetreiber sollen noch eine Frist bekommen, obwohl einer der größten rumänischen Internetanbieter im vorigen Sommer nicht nur die Innenstadt durchgewühlt hat, sondern auch die Randviertel, um die Kabel unterirdisch legen zu können. In das mittlerweile ärgerliche Problem des vorhandenen Kabelsalats scheint in Temeswar niemand hineinblicken zu können, trotz der mehrfachen Beteuerungen des Bürgermeisters Nicolae Robu, er werde das ordnungswidrige Verhalten der Unternehmen aus der Branche nicht länger tolerieren.
Auch manche merkwürdige Privatinitiativen, die die Innenstadt verunstalten, sollten die Stadtväter so nicht mehr hinnehmen. Sonst mehrt sich der drittklassige Handel - wie der bereits erwähnte Laden auf der Mercy-Gasse - und das Areal zwischen Opern-, Freiheits- und Domplatz wird zum schäbigen Second-Hand-Basar mit barocker oder Jugendstil-Kulisse. Samt Kabelsalat als unappetitliche Beilage.
Da sind die anderen Patzer des Projekts zur Neugestaltung der Temeswarer Innenstadt kaum noch erwähnenswert. Die Dimitrie-Cantemir-Gasse ist nicht die Lucian-Blaga-Gasse, wie jene glaubten, die ein falsches Straßenschild anbringen ließen; die Eugen-von-Savoyen-Gasse kann nicht an einem Ende „Eugen de Savoia”, am anderen „Eugeniu de Savoya” und in der Mitte „E. Savoia” heißen. Bemerkt sei, dass dieses „E. Savoia” von der Unkenntnis der Stadtplaner und Projektleiter zeugt, der Prinz ist doch mit dem Vornamen bekannt und geschätzt worden, von Prinz Eugen singt das volkstümliche Lied und genauso heißt der Brunnen in Jahrmarkt/Giarmata. Der Freiheitsplatz hieß anno dazumal Prinz-Eugen-Platz (Jenö herceg tér) und nicht anders. Und das Kunstmuseum, das frühere Palais der Landesadministration, das Komitatshaus oder die Präfektur, hieß nie „Palatul Ormos”, wie nun vor einem der barocken Eingangstore nachzulesen ist. Zsigmond Ormós, Temescher Obergespan in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, spendete den Grundstock des heutigen Banater Kunstmuseums. Nämlich jene Gemälde, die man sich anschauen sollte, wenn man den Weg ins Kunstmuseum am Domplatz findet und nicht in den Laden für Toilettenpapier, Wischmopps und Spülmittel stehen bleibt, der nebenan zum Shoppen einlädt.