Wir leben in einer „Republik der Staatsanwälte“, findet Senatspräsident Calin Popescu-Tariceanu. Schlimmer: der kluge politische Analyst Bedros Horasangian schreibt im „Observtor Cultural“, wir erleben gerade eine „Diktatur der Staatsanwälte“. Einer der feinfühligsten Beobachter der Evolutionssprünge dieses Landes, Cristian Pîrvulescu von „Pro Democratia“, wo er sich in glaubhafter politischer Neutralität übt, findet, dass die Demokratie und der Rechtsstaat gegenwärtig durch Überbetonung der Rechtsinstrumente und gefühlt gewaltsamer Brechung der Macht der demokratisch gewählten Institutionen – Parlament und Senat - ins Taumeln geraten ist und die republikanischen Tugenden erstickt werden.
Pîrvulescus These ist eine Gratwanderung, zu welcher er Montesquieus „Über den Geist der Gesetze“ heranzieht, mit dem Kapitel „De la corruption du principe de la démocratie“: „Das Prinzip der Demokratie wird nicht nur dann verdorben, wenn der Geist der Gleichheit schwindet, sondern auch dann, wenn sich ein Geist der ungleich bemessenen Gleichheit einnistet und wenn jedermann denen gleich sein möchte, die er einst gewählt hat, damit sie ihn führen. In diesem Fall will das Volk dann alles selber machen, weil es nicht einmal mehr jene Macht verträgt, die es selber gewählt hat. Das Volk will an Stelle des Senats die Debatten führen, will die Gesetze an Stelle der Würdenträger durchsetzen und sich auch die Aufgaben aller Richter aneignen. Dann kann in der Republik keine Tugend mehr herrschen.“
Die „Tugend“, die Montesquieu hier anspricht, fußt auf dem Vertrauen, das mit einer demokratischen Wahl in die Erwählten investiert wird. Verlieren die Erwählten dieses Vertrauen ihrer Wähler, geht die Tugend der Republik verloren. Wie anders kann der Verlust des Vertrauens in die Akteure der indirekten Demokratie gesehen werden, als durch das Prisma des Mißtrauens gegenüber den als korrupt definierten Parlamentariern – bei den allabendlichen Fernsehbildern mit Verhaftungen von Mandats-(also: Vertrauens-)trägern, die, auch wenn sie – absurderweise - schließlich doch noch freigesprochen werden sollten, letztendlich das in sie gesetzte Vertrauen brökeln ließen?
Die (vor allem im Ausland und seit der Präsidentschaft von Johannis) vielgelobten Verhaftungswellen unter den Spitzenpolitikern Rumäniens bewirken unterbewusst Politikmüdigkeit, ein abgrundtiefes Mißtrauen in alle, die sich öffentlich exponieren und nicht zuletzt den weiteren Rückzug aus dem öffentlichen Leben all derjeniger, die als ehrlich und unbescholten gelten: wer lässt sich heute schon freiwillig an den Schandpfahl der Politik binden, außer denjenigen, die ihr Bespucken und Besudeln durch die öffentliche Wut oder die Profi-Empörten der Fernsehsender akzeptieren und im Gegenzug das „ihnen gebührende Scheibchen“ vom Volksvermögen beanspruchen?
Verwandelt sich die Wählerschaft Fernsehrumäniens unbemerkt in eine immer tatenlahmere Zuschauerschaft des Strafstaates, wo öffentlichkeitsgeile Strafinstitutionen meinungsbildend sind?
Wenn ja, ist das eine Bedrohung der Demokratie.