Vor zwei Jahren stand Europa unter Schock: Zwei Dschihadisten hatten die Redaktion der bekannten Pariser Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ gestürmt und elf Menschen getötet. Einer der prominenten Karikaturisten, die dabei ums Leben gekommen sind, war Georges Wolinski.
Maryse Wolinski, seine Frau, hat diese Tragödie in einem Band verarbeitet, der nun auch in rumänischer Sprache erschienen ist: „Schatz, ich gehe zu Charlie!“ („Dragă, mă duc la Charlie!“), das waren die letzten Worte, die ihr langjähriger Lebensgefährte an sie am Morgen des unseligen Tages gerichtet hatte (Marysa und Georges verband eine fast 50-jährige Ehe). Nichts ließ die folgenden Ereignisse erahnen.
„Nach den Attentaten war ich in einem Kampf des Überlebens von einem Zustand der Negation, der Fassungslosigkeit in einen des Zorns übergetreten“, schreibt Maryse Wolinski in einem Brief, den sie an das Publikum gerichtet hat, das sich bei der Buchvorstellung im Französischen Institut eingefunden hat. Der Einladung des Französischen Instituts hätte sie gern Folge geleistet, schließlich hat sie auch ihre Hochzeitsreise vor 48 Jahren in Bukarest gemacht. Allerdings konnte Maryse Wolinski aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Buchvorstellung teilnehmen.
„Es hat zu viele Sicherheitsmängel in der Bewachung der Redaktion gegeben (die schon einige Jahre zuvor bedroht worden war – Anm.d.Red.)“, setzt Maryse Wolinski in ihrem Brief fort. Und: „Ich musste mir einen Ruck geben. Und ich musste auch eine Untersuchung angehen. (…) Das Buch ist eine Untersuchung des Attentats, ein Buch über das Leben und Sterben einer großen Liebesgeschichte zwischen Georges und mir, es ist eine Hommage an ihn, eine Form des Widerstands und der Existenz, eine Schrift zum Verstehen, aber auch zum Überdauern, zum Wieder-Existieren, ein Versuch der Re-Konstruktion. (…) ‚Schatz, ich gehe zu Charlie!‘ ist ein Buch der unendlichen Liebe. Ich wäre nach Rumänien gekommen, um das Ihnen zu sagen, wenn mich meine rechte Lunge, die des Unglücklichseins, nicht im Stich gelassen hätte. Georges ist mit dem Bleistift in der Hand für die freie Meinungsäußerung gestorben. Diese Freiheit ist uns teuer“.
„Chérie, je vais à Charlie“ – so der Titel auf Französisch kann auch als Wortspiel gedeutet werden, denn er verbindet die beiden großen Lieben des Karikaturisten: zu seiner Frau und zur Zeitschrift.
Das Event war eine doppelte Buchvorstellung: Denn zum gleichen Anlass wurde dem hiesigen Publikum auch eine Karikatur-Anthologie von Georges Wolinski unter dem Titel „Dragoste cu năbădăi“ vorgestellt, die Anthologie war genauso wie das Buch von Maryse Wolinski im Verlag ALL erschienen. Darin sind einige der Karikaturen von Georges Wolinski zusammengetragen. Georges Wolinskis Karikaturen hatten mit Liebe und Beziehungen zu tun, er hatte nie politische Karikaturen gezeichnet, deshalb ist sein Tod umso weniger verständlich.
Cyrille Fierobe, Leiter des Französischen Kulturinstituts, erinnerte sich noch genau an den verhängnisvollen 7. Januar sowie auch an der großen Demonstration am 11. Januar, die von Maryse Wolinski genauestens in ihrem Buch beschrieben hat. Die Anwesenden haben versucht, sowohl zum Buch als auch zur Persönlichkeit des Karikaturisten zu sprechen. Der Journalist und Dozent Radu Ciobotea hatte Wolinski sowie andere französische Karikaturisten selbst kennengelernt. Das Wort haben außerdem Cornel Ungureanu, der Vorsitzende des hiesigen Schriftstellerverbands, und die Universitätsprofessoren Marcel Tolcea und Vasile Popovici ergriffen. Die Teilnehmer haben sich bei diesem Gespräch über die freie Meinungsäußerung auseinandergesetzt, wobei sich Marcel Tolcea, Journalist und Unilehrer, als Verfechter dieser Idee gezeigt hat. Der Abend wurde von dem Übersetzer der beiden Bücher Tudorel Urian moderiert.