Bukarest (ADZ) – Dass rumänische Instanzen am laufenden Band Gerichtsverfahren einstellen, weil ein zeitweiliges Rechtsvakuum rückwirkend als günstigeres Strafrecht auszulegen ist, findet der Gerichtshof der Europäischen Union höchst problematisch. In einer Entscheidung stellt das Luxemburger Gericht im Kern fest, dass bei schweren Fällen von Betrug gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union eine solche Auslegung „das systemische Risiko der Straffreiheit für solche Straftaten verstärkt“.
Das rumänische Verfassungsgericht hatte im Mai 2022 erkannt, dass der Gesetzgeber über mehrere Jahre versäumte, die Verjährungsvorschriften grundgesetzkonform zu gestalten – dieser rechtsfreie Raum müsse nun zugunsten der Angeklagten ausgelegt werden, legte wenig später der Oberste Gerichtshof nach. Im Anschluss an diese Entscheidungen mussten tausende von Verfahren, zum Teil auch prominente Korruptionsfälle, eingestellt werden.
Vorgelegt nach Luxemburg hatte die Berufungsinstanz in Kronstadt: Die dortigen Richter wollten wissen, ob die Urteile des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofs auch bei jenen Verfahren eine bindende Wirkung haben, die Interessen der EU tangieren.
Die Führung der Antikorruptionsbehörde DNA unter dem im März 2023 eingesetzten Behördenleiter Marius Voineag hatte unlängst ihre Staatsanwälte angewiesen, in derartigen Fällen vor Gericht die Einstellung zu beantragen, beziehungsweise keine Einstellung mehr anzufechten.
Von der Opposition forderte der frühere USR-Justizminister Stelian Ion nach der Luxemburger Entscheidung nun klare Kante: Verfassungsrichter, die zum Zeitpunkt der Entscheidung im Mai 2022 noch im Spruchkörper saßen, sollten zurücktreten.