Nach OGH-Urteil: Ex-Regierungschef Năstase unternimmt Selbstmordversuch kurz vor Antritt seiner Haftstrafe

Zweijähriger Freiheitsentzug wegen illegaler Parteienfinanzierung

N²stase bei seiner Einlieferung. Seine Anwälte wollen nun einen Vollstreckungsaufschub aus Gesundheitsgründen beantragen.
Foto: Mediafax

Bukarest (ADZ) - Auf der rumänischen Politbühne überstürzten sich am Mittwoch die Ereignisse: Nachdem der Oberste Gerichts- und Kassationshof (OGH) am Abend den früheren  Ministerpräsidenten Adrian Năstase (PSD) rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsentzug wegen illegaler Parteienfinanzierung verurteilte, schoss sich der 62-Jährige kurz vor Antritt seiner Haftstrafe in den Hals. Năstase wurde gegen Mitternacht bei Bewusstsein ins hauptstädtische Notfallkrankenhaus „Floreasca“ eingeliefert und am Donnerstagmorgen einem chirurgischen Eingriff unterzogen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Rumäniens bestätigte in der Nacht auf Donnerstag, dass sich der ehemalige Regierungschef (2000-2004) und Präsidentschaftskandidat kurz nach Eintreffen zweier Beamten, die ihm den Haftbefehl überbrachten, anschoss. Năstase hatte den Polizisten offenbar gesagt, noch schnell ein paar Bücher holen zu wollen, und daraufhin den Raum verlassen.

Medienberichten zufolge soll einer der beiden Beamten allerdings den Selbstmordversuch bemerkt und Năstase daran gehindert haben, beim Gerangel verletzte sich letzterer schließlich mit einem Schuss aus einem 9mm-Revolver am Hals. Der Ex-Premier soll laut operierendem Arzt eine  Schussverletzung davongetragen haben. Die Staatsanwaltschaft nahm noch in der Nacht Ermittlungen auf – Revolver, Kugeln und weitere Gegenstände am Tatort seien sichergestellt worden, teilte Staatsanwalt Valentin Horia Şelaru mit.

Regierungs- und PSD-Chef Victor Ponta begab sich sofort an das Krankenbett seines politischen Mentors. Er hoffe, dass Traian Băsescu nun zufrieden sei, so Pontas erste Stellungnahme beim Verlassen des Krankenhauses. Năstase selbst hatte die insgesamt drei gegen ihn laufenden Gerichtsverfahren stets als „politisch gesteuert“ bezeichnet, dahinter stecke kein anderer als der Staatspräsident.

Die Anwälte des Verurteilten bezeichneten das Urteil als „Justizirrtum“ und kündigten an, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen den rumänischen Staat klagen zu wollen. Das rechtskräftige Urteil gegen Năstase kann allerdings auch vom EGMR nicht aufgehoben werden.

Historisches Urteil

Der Befund des OGH wurde von Politikkommentatoren als deutliches Zeichen in Richtung unabhängige Justiz gewertet – kein rumänischer Spitzenpolitiker könnte sich fortan sicher sein, bei Gesetzesverstößen noch ungeschoren davon zu kommen. Das einstimmige Urteil des fünfköpfigen Richtergremiums sende ein positives Signal über die Reformwilligkeit der rumänischen Justiz nach Brüssel, allerdings müsse diese nunmehr durch Nachhaltigkeit unter Beweis gestellt werden, so der Analysten-Tenor.

Nach Constantin Dăscălescu ist Năstase der zweite rumänische Ministerpräsident, der in der Nachwendezeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Dăscălescu (1923-2003) war 1991 wegen Völkermord angeklagt und schließlich wegen Mord zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Reaktionen

Die Reaktionen der rumänischen Politiker auf das Urteil des OGH fielen völlig unterschiedlich aus. Die liberaldemokratische Europaabgeordnete und frühere Justizministerin Monica Macovei sprach von einem deutlichen Zeichen, dass die Ära der über dem Gesetz stehenden korrupten Politiker sich endlich ihrem Ende nähere. Auch erbringe das einstimmige Urteil den besten Beweis dafür, dass das Verfahren gegen Năstase keineswegs „politisch gesteuert“ gewesen sei, sondern auf einem erwiesenen Korruptionsdelikt beruht.

Die Regierungskoalition zeigte sich indes entsetzt: Im Fall Năstase handle es sich um ein „Ritualopfer“, klagte PSD-Spitzenpolitiker Viorel Hrebenciuc, während der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Senat, Toni Greblă (PSD), vom Staatsoberhaupt eine umgehende Begnadigung des Verurteilten forderte.
Zutiefst geschockt zeigte sich die gesamte politische Klasse jedoch nach Bekanntwerden von Năstases Selbstmordversuch.

Außer dem Regierungschef eilten zahlreiche führende Sozialdemokraten ins Krankenhaus, Staatschef Băsescu ließ sich in der Nacht auf Donnerstag über den Gesundheitszustand des Patienten informieren. Altpräsident Ion Iliescu machte die Presse und  die Justizbeamten, die bei Năstases Wohnsitz mit dem Haftbefehl vorstellig geworden waren, für dessen Kurzschlusshandlung verantwortlich: Die Reporter hätten wie eine „hungrige Meute“ vor Năstases Haus gelauert, zudem sei die „Eile“, mit der ihm der Haftbefehl überbracht wurde, nicht nachvollziehbar, so Iliescu.