Liebe Leserinnen und Leser, der Karfreitag ist ein sperriger Tag. In der deutschen Sprache kommt der Name wohl aus dem althochdeutschen kara, was so viel wie Klage, Trauer oder Kummer bedeutet. Die Engländer bezeichnen ihn als Good Friday (guter Freitag) und die Rumänen als Vinerea Mare (großer Freitag). Dahinter steht der Gedanke, dass Jesus uns Menschen zu Karfreitag von der Last der Sünde befreit. So versteht man den Tag als gut oder großartig. In den unterschiedlichen Bezeichnungen wird schon die Fülle der verschiedenen Bedeutungen sichtbar. Als Deutsche neigen wir eher dazu, den Traueraspekt zu betonen. Die liturgische Farbe ist schwarz. In manchen Gemeinden wird der Altar abgeräumt oder schwarz verhängt, oder die Kerzen bleiben aus. Dahinter steht der Gedanke, dass Christus um unserer Sünden willen sterben musste. D
ie Gemeinde leidet und trauert mit Christus, da um ihrer willen solch ein Opfer geschehen musste. Noch einmal anders versteht es der evangelische Reformator Martin Luther. Er spricht im Hinblick auf diesen Tag von einem „fröhlichen Wechsel“. Christus nimmt die menschliche Schuld auf sich und der Mensch bekommt die Gnade geschenkt. So konnte Luther immer über menschliche Schuld und Sünde sprechen, ohne den Einzelnen zu verurteilen. Der Mensch ist für ihn gleichzeitig Sünder und Gerechtfertigter.
Auch die Kunst hat sich schon immer mit der Doppeldeutigkeit dieses Tages beschäftigt. Johann Sebastian Bach greift in der Johannespassion diesen Gedanken auf und schreibt den Choral: „Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn, muss uns die Freiheit kommen…“. Darin wird der Kerker Christi als „Gnadenthron“ der Menschen bezeichnet. Mindestens genauso spannend und vielseitig ist ein Detail des Rosenauer‘schen Kreuzigungsbildes in der evangelischen Stadtpfarrkirche zu Hermannstadt, das uns den gekreuzigten Christus in einem Gefängnis zeigt. Doch für mich stellt sich angesichts dieses Bildes die Frage, ob nicht wir es sind, die in Wahrheit im Gefängnis befangen sind und ob nicht Jesus in unseren Kerker hineinschaut. Sind wir schon von der Macht der Sünde befreit, weil wir auf unseren gefangenen und gekreuzigten Herrn blicken und an ihn glauben? Oder sind wir noch tief in unserer menschlichen und sündigen Natur gefangen und sind weiterhin auf Gnade und Erlösung angewiesen? Beides ist wohl gleichzeitig richtig – weshalb uns die Kunst absichtlich an die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten heranführt. So will der Karfreitag viele Aspekte unserer menschlichen Beziehung zu Gott ansprechen: Trauer und Freude, Schuld und Vergebung, Tod und Hoffnung.
In der Honterusgemeinde versuchen wir in diesem Jahr, diese Fülle von Bedeutungen in einem musikalischen Passionsspiel aufzunehmen. Der Bachchor, das Canzonettaensemble, der Kinderchor und Musiker der Philharmonie werden am Karfreitag in der Schwarzen Kirche vor allem Stücke aus der Johannespassion und dem Messias sowie modernere Lieder singen. Dazu werden die Jugendlichen der Konfirmandenstunde Szenen aus der Passionsgeschichte aufführen. Alle Texte, von den Liedern über das Passionsspiel bis hin zur Predigt, werden in Übersetzung auf eine Leinwand projiziert. Die Honterusgemeinde möchte so mit ihrer Verkündigung ganz bewusst auch die rumänischssprachigen Gemeindeglieder, anderskonfessionelle Ehepartner und Gäste erreichen. Auch alle anderen Gemeinden aus dem Burzenland sind herzlich eingeladen. Der Gottesdienst beginnt am Karfreitag, dem 03. April um 18 Uhr und wird annähernd 90 Minuten dauern. Für ältere Gemeindeglieder, die Schwierigkeiten haben, so spät nach Hause zu kommen, steht bei zeitgerechter Anmeldung im Pfarramt nach dem Gottesdienst ein Fahrdienst bereit.
So verbleiben wir mit den besten Grüßen und einer herzlichen Einladung zu diesem besonderen Gottesdienst,
die Kantoren Ingeborg Acker und Dr. Steffen Schlandt sowie Pfarrer Martin Meyer