Eine Persönlichkeit, der in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist der in Kronstadt geborene Gusto Gräser, ein europaweit bekannter Pazifist und Philosoph, der während seiner Lebensjahre Kontakte zu Persönlichkeiten wie Nobelpreisträgern, Schriftstellern, Politikern hatte, geschätzt wurde, aber auch für kontroverse Meinungen sorgte. Am letzten Wochenende des kürzlich abgeschlossenen Julimonates, fand in seiner Geburtsstadt in der Aula des Johannes-Honterus-Kollegs ein Workshop statt, der diesem Kronstädter Dichter, bildenden Künstler, Pazifist und Naturphilosophen gewidmet wurde. Organisiert wurde die Zusammenkunft von dem Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz, deren Vorsitzende Marianne Hallmen ist, gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde am 27. und 28. Juli. Ein zweiter Workshop fand eine Woche darauf, am 3. August, in Hermannstadt statt. Die Veranstaltungen wurden aus Anlass des Großen Sachsentreffens in Hermannstadt, das vom 2.bis 4. August stattgefunden hat, organisiert und erfreuten sich namhafter Referenten – Dr. Ingrid Schiel, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg, des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e.V. und Leiterin der Siebenbürgischen Bibliothek mit Archiv in Gundelsheim, Politikwissenschaftler Dr. Thomas Cieslik, Berlin – wie auch sehr interessierter Zuhörer, was auch zu einem ergiebigen Dialog führte. Begrüßt wurden in der Aula des Kronstädter Honterus-Kollegs Gäste und Teilnehmer von Christian Macedonski als Vertreter des Elternrates, der aus objektiven Gründen abwesende Direktor Prof. Radu Chiv²rean konnte seine Wertschätzung zum Abschluss der Tagung nachholen.
Marianne Hallmen, eine gebürtige Stolzenburgerin, die seit 2014, als der Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz gegründet worden ist, diesen leitet, hat im Vorjahr anlässlich einer Tagung im Oktober mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde für die Aufarbeitung der Hinterlassenschaft Gusto Gräsers geworben und hat in der Schweiz viel bewegt, nachdem sie sich eine eingehende Dokumentation über das Schaffen und Leben dieses vielseitigen Kulturmenschen und Naturphilosophen aneignen konnte. Der am 16. Februar 1879 in Kronstadt geborene Gusto Gräser entstammte einer wohlhabenden Familie. Seine Vorfahren waren Geschichtsschreiber. Anfangs hat Gusto, nachdem sein Vater und eine Schwester früh verstorben waren, sein Talent für das Handwerk entdeckt. Er beteiligte sich als Künstler an einer Ausstellung 1896 in Wien, zog dann weiter, befürwortete die Vegetarier, und führte selbst ein strenges Regime. Kehrte kurz zurück, studierte Germanistik, war Bildhauer,Maler, fühlte sich als Dichter berufen, kam nach Monte Verità wo er sich gleichgesinnten Naturfreunden und Gesellschaftskritikern anschloss, wurde als Kriegsverweigerer zweimal zum Tode verurteilt, so war er u.a. auch in der Festung am Schlossberg inhaftiert. Seine Geschichte auf Monte Verità begann 1900, als der Belgier Henry Oedenkoven mit seiner Geliebten da die vegetarische Kolonie gründete und sich dieser anschloss. In kürze kamen Intellektuelle, Schriftsteller hinzu, er verbrachte einige Jahre auch in der Höhle von Arcegno im Tessin. Diesen Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben hat er dann in mehreren Erzählungen geschildert.
In ihrem Vortrag, auch mit Archivfotos illustriert, bezog sich Dr. Ingrid Schiel auf die Siebenbürgisch-Sächsische Gesellschaft zwischen Tradition und Moderne, ging auf die Jugendzeit von Gusto Gräser ein, auf Städte, in denen sich dieser aufgehalten hat. Nachdem sein Vater nach Tekendorf bei Bistritz versetzt worden war, besuchte Gusto Gräser die Schule in Hermannstadt. Als junger Mensch stellte er sich schon Fragen bezüglich Kultur, wobei er der Meinung war, es geht dabei nicht um Bildung, sondern um Erziehung zu einem neuen Menschen. Auch müssen wir etwas anderes schaffen für die eigene Identität, war seine Überzeugung. Nach seiner Kriegsverweigerung nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914, der Inhaftierung in Hermannstadt und in Kronstadt ins Arrest am Schlossberg gebracht, wurde er zum Tode verurteilt und danach freigelassen, um einer Irrenanstalt zugeführt zu werden.
Dr. Thomas Cieslik ging in seinem Referat auf die geistesgeschichtliche Entwicklung in den Lebensjahren Gräsers ein, auf den wachsenden Nationalismus, auf die Industrierevolution, auf den Ersten Weltkrieg, deren Folgen auch in der Literatur Niederschlag gefunden haben. Der Pazifismus, der Gräser eigen war, bezeichnet eine Grundhaltung, die jede Anwendung von Gewalt ablehnt und mit aller Kraft für den Frieden eintritt. Nach der zweiten Verhaftung und dem neuen Todesurteil sowie sechs Monaten Arrest in Klausenburg, wurde er freigelassen und er kehrte zurück nach Ascona. 1917 soll es 16.000 Kriegsverweigerer gegeben haben. Der Schwärmer und Naturphilosoph Gusto Gräser ist am 27. Oktober 1958 in München gestorben
Anlässlich der in Kronstadt stattgefundenen Tagung wurde das Geburtshaus von Gusto Gräser in der Schulmeistergasse, zur Zeit Vlad-}epe{-Straße Nr. 1 besichtigt. Zugang konnte nicht erzielt werden, da das Tor abgeschlossen war. Sowohl diesem wie auch jenem am Fuße des Monte Verità, dem Nachlass von Gusto Gräser, den weiteren Forschungen über Leben und Schaffen soll sich eine zu gründende Gusto-Gräser-Gesellschaft widmen, wobei diesem Vorhaben Hermann Müller einen besonderen Beitrag und Unterstützung bietet. Während des Workshops stellte der Journalist Wolfgang Wittstock aus dem Familienbesitz zwei Postkarten aus dem Jahre 1914 aus. Be-kanntlich hat Gusto Gräser jeweils für jeden Wochentag zwei Postkarten angefertigt, mit einem ansprechenden Text, den wir einer dieser entnehmen: „ Auch die Not und die Entbehrung / wird ein rechter Mann begehren / Und er dankt für die Bescherung / Eines Lebens ohne Beschwerung. / Denn da kommt er nicht zu Ehren / Durch Kämpfe schwarz und schwer / kommt er lichtbeglückt / daher.“ Auch stellte unser ehemaliger Redaktionskollege einen Ausschnitt unserer Wochenschrift Nr. 13/1978 von Horst Schuller aus, der Gusto Gräser gewidmet war.
Welche Persönlichkeit Zeit seines Lebens Gusto Gräser, genannt auch evangelischer Apostel, darstellt, ist den Gesprächen und Kontakten, die er geführt hat u.a. mit August Bebel, Hermann Bahr, Rainer Maria Rilke, Johannes Schlaf, Hermann Hesse, Wladimir Iljitsch Lenin, Thomas Mann zu entnehmen. Im fernen Mexiko erschien ein Roman über den Monte Verità, wobei die Heldin in ihrer Erzählung den Einsiedler auf Monte Verita verehrt. Gusto Gräser, der sich auch Arthur Siebenbürger nannte, war kein Unbekannter in Kronstadt auch durch gelegentliche Veröffentlichungen von Gedichten. Adolf Meschendörfer verewigte ihn mit einem Gedicht in seiner Zeitschrift „Die Karpathen“. Wie auch in dem Band „Aus Kronstädter Gärten“, der Festschrift für die Vereinstage 1930 in Kronstadt, die von Adolf Meschendörfer im Auftrag des Festausschusses herausgegeben wurde. Die Festschrift ist durch ihren Inhalt ein Zeugnis der Vielzahl an Kulturschaffenden in der Stadt unter der Zinne. Ernst Kühlbrandt widmete Gräser das Lustspiel in vier Aufzügen „Der Naturapostel“, das ausführlich von Dr. Frank-Thomas Ziegler, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit in der Evangelischen Honterusgemeinde den Teilnehmern an dem Workshop vorgestellt wurde. Besonderen Anklang haben seine Führung durch die Schwarze Kirche, die Details über das Kirchenarchiv, einige besonderen Archivalien, die von Dr. Agnes Ziegler geboten wurden, gefunden, wobei die beiden Kunsthistoriker den Aufenthalt der Gäste in Kronstadt bei diesem Anlass, zu einem besonderes Erlebnis werden ließen.