Der hebräische alttestamentarische Namen „Salomo“ ist in einer schwach hellenisierten Form schon im 8. Jahrhundert n. Chr. in Europa auch bei Christen anzutreffen. Der Sprachforscher Adolf Socin untersuchte in seinem Buch „Mittelhochdeutsches Namenbuch“ (Verlag Helbring & Lichtenhahn, Basel 1913) die alten Personennamen am Oberrhein und fand einen „Salomo presbiter“ (im Jahr 782), „Salomonus diaconus seu cancelarius“ in St Gallen (im Jahr 778), einen „Salomon episcopus Constanz“ ( 871), einen „Salomo sacerdos“ in Strassburg 1242 , einen „Salomo Mönch“ im Kloster Murbach u. s. w. Socin vertrat den Standpunkt, dass der biblische Name „Salomon“ bis ins 13., 14. Jahrhundert im westlichen Europa aus Ländern des Nahen Ostens „eingewandert“ war.
Er wurde „künstlich“ an religiöse oder weltliche Würdenträger dann vergeben, wenn diese zu ihrer neuen Funktion ernannt wurden. Der Name des alttestamentlichen Königs Salomo (965 – 926 v.Chr.) besass eine Aura der Würde, Klugheit und Weisheit; die mittelalterlichen Würdenträger meinten, durch die Namengebung etwas von der „salomonischen Weisheit“ für ihre Person in Anspruch nehmen zu können. In Deutschland und Österreich findet mündlich eine „Eindeutschung“ über „Sohlman“, „Sal(l)man(n)“ (im Mittelhochdeutschen Treuhänder, Gewährsmann, Testamentvollstrecker bei der Übergabe von Salgut) letztlich nach „Salmen“ statt.
In Siebenbürgen ist nach Fritz Keintzel-Schön (in „Die Siebenbürgisch-Sächsischen Familiennamen“, Böhlau Verlag 1976) der Personenname „Salomon“ im deutschen Sprachbereich durch die deutschen Siedler im 12. und 13. Jahrhundert „eingewandert“.
In den Urkunden der Deutschen in Siebenbürgen aus dem 14. Jahrhundert tritt „Salomon“ als Rufname recht häufig auf. Um die den Namen tragenden Personen zu unterscheiden wurde ein Ortsname angehängt: „Salomon de Mergenburg“ (1380), „Salomon de Segeswar“ (1393), „Salomon Lauidis Kronstadt“ (1397) u. v. a.
Papst Johann XXII. verfügt im Jahre 1327 aus Avignon, dass die gegen die „Haeretiker“ ausgesandten Dominikaner-Mönche auch den Schutz des Comes Salomon von Kronstadt gewährleisten sollen („Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“ von Zimmermann und Werner, Band 1, Urkunde Nr. 452, S. 408).
Bei seinen Forschungen über die Lokalisierung der Häufigkeit des Namens Salomon in Siebenbürgen findet Keintzel–Schön eine größere Häufung im Süden Siebenbürgens in der Nähe der Abtei Kerz und der Propstei Hermannstadt. (Keintzel-Schön zufolge kommt die verdeutschte Form „Salmen“ (von Salomon) in sechs von 27 Orten in Südsiebenbürgen vor). Da Keintzel–Schön Socins Arbeit nicht erwähnt und u.U. auch nicht kannte, scheint dessen Theorie über die Ausbreitung des Namens Salomon sich auch im Osten Europas ( z. B. in Siebenbürgen) zu bestätigen.
Im Lauf der Zeit hat sich auch bei den Siebenbürger Sachsen der Personenname „Salomon“ im mündlichen Sprachgebrauch in den Formen „Sohlman“, „Salmen“ und letztlich auch im sächsischen Dialekt als „Suelmen“ eingebürgert.
Mit besonderem Nachdruck weist der Verfasser dieses Aufsatzes auf diese letzte „dialektale Eindeutschung“ des Ortsnamens in der Form „Suelmes Burg“ hin, weil diese Form aus rein sprachlicher Sicht ein sicherer Hinweis darauf ist, dass der ursprüngliche „toponymische Held“ (der Ausdruck wurde erstmals von Paul Binder in seiner rumänischen Form „erou toponimic“ verwendet) keinesfalls der ungarische König „Salomon Rex“ gewesen sein konnte, da bei diesem eine dialektale Eindeutschung nie hätte stattfinden können. Es ging hier eindeutig um einen Kronstädter „Siebenbürger Sachsen“ namens „Suelmen“ (im Hochdeutschen wohl „Salmen“). (In Keintzel-Schöns Buch wird diese Form der dialektalen Eindeutschung nicht erwähnt.)
Mit der Zeit ist in Kronstadt der alte Gräf Salomon (Suelmen) aus dem 14. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Zu gegebener Zeit hat sich dann unbemerkt ein entscheidender Wandel vollzogen: Dem ursprünglichen „Salomon“ wurde eine andere geschichtliche Person gleichen Namens untergeschoben: der ungarische König „Salomon“. In weiterer Folge wurde dann die anfangs schon erwähnte Sage um den König dazu gedichtet und in den mündlichen Umlauf gebracht. Anfangs scheint dieser Wandel bei der Kronstädter Bevölkerung nicht viel Aufsehen erregt zu haben; zumindest sind anfangs keine in schriftlichen Quellen und Urkunden verzeichnete Stellungnahmen zu finden. Das lag zum einen wohl daran, dass kaum jemand im damaligen Kronstadt den ohne großes Aufsehen vorgenommenen Austausch der gleichnamigen „toponymischen Helden“ bewusst zur Kenntnis nahm. Zum anderen lag das besagte Gebiet außerhalb der Stadt und spielte mit Ausnahme des Mühlenbetriebes und der saisonbedingten Wanderung der Tierherden aus der Oberen Vorstadt zu den in der Schulerau und am Schuler liegenden Weideplätzen, wirtschaftlich nur eine untergeordnete Rolle .
Die alljährlich gleich nach Ostern stattfindende Feier der „Junii“ bei den Salomonsfelsen interessierte fast ausschließlich nur die rumänische Bevölkerung aus der Oberen Vorstadt und diese nannte den besagten Ort einfach nur „Între Chietre“ (Zwischen den Steinen).
Zudem waren für die Kronstädter bedrohliche Zeiten angebrochen:Nach der verlorenen Schlacht bei Mohács (1526) wurde Siebenbürgen zu einem der „Hohen Pforte“ tributzahlenden, im Übrigen aber unabhängigen Fürstentum erklärt. Dieser Zustand dauerte fast 140 Jahre und hatte sich nachteilig auf die gesamte Wirtschaft und Kultur der Siebenbürger Sachsen ausgewirkt. Nach der Befreiung von den Türken zogen die Habsburger in die Stadt ein. Wirtschaftlich erholte sich die Stadt in der Zeit Maria Theresias. Nun begann durch die in die Stadt eingezogenen Jesuiten eine „Gegenreformation“, da die Sachsen unter Honterus 1542 geschlossen zum Protestantismus übergetreten waren. Es folgten verlustreiche Jahre durch die verheerenden Kurutzen-Kriege am Anfang des 18. Jahrhunderts. Das Fürstentum Siebenbürgen war in einen nicht enden wollenden Streit um Besitzansprüche von ungarischen (zum Teil selbsternannten) Fürsten wie Franz Rakoczy II. und den Habsburgern geraten.Diese schrieben sich bei den verlustreichen militärischen Operationen der Befreiung Siebenbürgens vom Türkischen Joch den Hauptverdienst zu und beharrten darauf, die Herrschaft in Siebenbürgen zu behalten.
Unter Berücksichtigung des gesamten geschichtlichen Hintergrundes ist es nicht verwunderlich, dass beim Wechsel des „toponymischen Helden“ bei den Salomonsfelsen nicht zufällig ein ungarischer König ins Spiel kam. Im ewigen Streit um Besitzansprüche in Siebenbürgen hatten ungarische Fürsten nicht selten in bestimmten Ortschaften Sagen und Legenden um ungarische geschichtliche Persönlichkeiten in Umlauf gebracht, um damit auf die, aus ihrer Sicht geschichtlich verbürgten, territorialen Ansprüche in Siebenbürgen noch einmal in aller Deutlichkeit hinzuweisen. (Zu diesen Praktiken siehe auch Franz Theuers Buch „Brennendes Land“, Böhlau Verlag 1984.)
Aus den heute verfügbaren Quellen und Urkunden sowie aus der einschlägigen Sekundärliteratur ist festzustellen, dass bis ins späte 19. Jahrhundert beide Ortsbezeichnungen, sowohl „Salomonsburg“ als auch „Salomonsfelsen“, verwendet wurden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich dann die Bezeichnung „Salomonsfelsen“ durch, da mittlerweile die ehemaligen Burgmauern nicht mehr sichtbar waren und das ursprüngliche Objekt, nach welchem die Ortsbezeichnung sich durchgesetzt hatte, verschwunden war.
Die ersten schriftlich belegten Stellungnahmen zur Aufklärung des realen Sachverhaltes bei der Ortsbezeichnung „Salomonsburg“/„Salomonsfelsen“ sind erst in der Mitte des XIX. Jahrhunderts erfolgt. In dieser Zeit ist durch die Beseitigung der mittelalterlichen Stadttore und Mauern, durch Parkanlagen und Wanderwege auf die umliegenden Berge und Gebirge, durch Erstellung von Karten nach topologischen Vermessungen, durch die Neugestaltung des gesamten Forst- und Jagdwesens auch das Gebiet unter der Schulerau in den Mittelpunkt des vorwiegend touristischen Interesses gerückt.
Zur gleichen Zeit setzte vorwiegend in Kronstadt durch geschichtskundige Gymnasialprofessoren und Archivare die mühevolle Aufarbeitung der Quellen zur Geschichte der Stadt aus dem Fundus der Rechnungen, Berichte und Tagebücher aus den Stadtarchiven ein. Bedingt durch die etwas verspätet einsetzende Geistesströmung der Aufklärung in Siebenbürgen, werden im 19. Jahrhundert erstmals die spezifisch siebenbürgischen Märchen (Haltrich) und Sagen (Fr. Müller) gesammelt und veröffentlicht. Bei dieser Gelegenheit wird erstmals auch die Notwendigkeit der Klärung zwischen „Dichtung und Wahrheit“ in der „Salomonslegende“ aktuell.
Friedrich Müller erfasst in seinem schon anfangs zitierten Buch die „Salomons Sage“ unter der Nr. 367 und fügt im Text bei der Erwähnung von „Bulgarien“ eine Fussnote ein. In dieser Fussnote weist Müller auf Schwandners Regesten S.R.H. 131 hin und übersetzt aus dem Lateinischen( Twrocz LVI) die Beschreibung des Endes des ungarischen Königs Salomon: König Salomon flüchtete bedrängt vom griechischen Kaiser mit einer Gruppe berittener Krieger über die zugefrorene Donau. Um den Kriegern eine Ruhepause zu gönnen,machten sie Halt in einem dichten Wald. Der König legte seinen Schild ab und zog sich abseits in den dichten Wald zurück. Von dort kam er nicht wieder zum Vorschein.
Müller will damit den sagenhaften Charakter der Geschichte vom Ende des Königs Salomon hervorheben, indem er aufgrund von authentischen Geschichtsquellen nachweist, dass König Salomon nicht bei den Salomonsfelsen starb, sondern weit ab von Siebenbürgen, in der damaligen Walachei.
Der Schriftsteller Traugott Teutsch nimmt die zeitlichen Unstimmigkeiten zwischen dem Todesjahr des Königs Salomon und der Besiedlungszeit des Kronstädter Tales zum Anlass und versucht den Mythos des Königs im Tal der Salomonsfelsen auf sehr kategorische Art und Weise zu zerstören. Er schreibt unter der geschichtlichen Bemerkung Nr. 21 im Anhang zu seinem Roman „Schwarzburg“: „Die Sage, dass der ‘Salomonsfels’ am oberen Ende des Kronstädter Thalgrundes seinen Namen vom ungarischen König Salomon herhabe, der, von den Kumanen fliehend, sich hier verborgen und in einer Höhle gehaust habe, entbehrt jeder Unterlage von Wirklichkeit. Warum? Einfach darum weil der König Salomon schon im Jahre 1074 (?) starb, Kronstadt aber erst hundertvierzig Jahre später gegründet wurde – folglich noch gar niemand da war, der solche Mär hätte wissen, sie der Nachwelt hätte überliefern können.
Die Fabel vom König Salomon ist demnach sicherlich erst später, wohl erst in neuerer Zeit erfunden und dem romantischen Felskegel oktroyirt worden: Nachdem nämlich das Wissen vom richtigen Salomon den Kronstädtern abhanden gekommen war.
Dieser richtige Salomon war aber ohne Zweifel der erstmalige Besitzer des betreffenden Bodenflecks, dessen Name sich auf den Felskegel ebenso folgerecht übertrug, wie der Name Zeimen auf den im selben Thalgrunde befindlichen ‘Zeimesgarten’: jedenfalls ein Kronstädter sächsischer Mann, namens Salomon, der wenn nicht das umliegende Gebiet, so doch eine Mühle unter dem Felskegel besass – vielleicht sogar der Gräff Salomon von Kronstadt, der recht begüterte Trotzkopf, der ja auch Mühlen besaß.“
(Fortsetzung folgt)