Der Frieden von Karlowitz 1699 machte noch keinen Strich unter die schon über ein Jahrhundert dauernden kriegerischen Auseinandersetzungen in Siebenbürgen. Die kaiserlichen Truppen unter der Führung namhafter Feldherren besetzten zwar seit einiger Zeit in Siebenbürgen die größeren von Sachsen bewohnten Städte, aber große Teile des Landes wurden durch Truppen unterschiedlichster Herkunft und Zusammensetzung, angeleitet vom damaligen Fürsten Siebenbürgens Franz Rákóczy und mit ihm verbündeten Rebellenanführern, auch weiterhin verunsichert.
Diese Truppen kämpften gegen die österreichischen Besatzer und bedrohten und verwüsteten ständig die kleineren Städte in Siebenbürgen, die von den Habsburgern nicht besetzt waren. Unter diesen sogenannten Rebellen bildete sich schon am Anfang des 17. Jahrhunderts eine Gruppierung von Freischärlern, die später unter dem Namen „Kuruzen“ bekannt wurden.
Es handelt sich dabei um diverse geflohene Untertanen, Soldaten u. a., welche von habsburgischen Grenzfestungen entlassen worden waren und nun in den damaligen völlig unübersichtlichen Verhältnissen eine neue kriegerische Organisation unter einem neuen Kriegsherren suchten. Unter ihnen befanden sich auch flüchtige Adlige, die 1671 der blutigen Bestrafung der „Magnatenverschwörung“ unbeschadet entkommen waren („Kuruzen“ in „Wikipedia.org“).
Dies waren nicht nur Ungarn, sondern auch Slowaken, Kroaten u.a. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatten diese Kuruzen einen besonders großen Zulauf, was dazu führte, dass sie sich zu einer selbstständigen Gruppe von bewaffneten Kriegern ausbildeten, die besonders grausam mit der siebenbürgischen Bevölkerung und den Siedlungen umgingen. In den meisten Fällen wurden die nichtbefestigten Siedlungen gestürmt und an mehreren Stellen in Brand gesteckt. Danach verließen die Kuruzen den Kriegsschauplatz und begaben sich zur nächsten Siedlung, die sie niederbrannten und die Bewohner vertrieben oder ermordeten. In Siebenbürgen werden die kriegerischen Handlungen zwischen den Jahren 1703-1711 als „Kuruzenkriege“ bekannt bleiben.
Der interessierte Leser für diesen Abschnitt der Geschichte Siebenbürgens sei neben den bekannten Sekundärquellen von Historikern aus Siebenbürgen (Friedrich Teutsch: „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“, Hermannstadt, Bd.2, 1907 und Carl Göllner: „Geschichte der Deutschen auf dem Gebiete Rumäniens“, Erster Band, Kriterion Verlag Bukarest 1979) auch auf die österreichische Sicht der Dinge in dem sehr ausführlichen historischen Bericht von Franz Theuer: „Brennendes Land“, Kuruzzenkriege, Böhlau 1984, verwiesen.
In der Zeitspanne 1704–1706 war die befestigte Stadt Kronstadt fast zwei Jahre lang belagert. Genau in dieser Zeit spielte die Schulerau als Nebenkriegsschauplatz wieder eine wichtige Rolle. Aus den Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt Bd. VII, (S. 17) im „Simon Christophori Unparteischen Bericht“ aus dem Jahr 1704 erfahren wir: „den 22–ten früh morgens wurden unsere Knechte so von hier durch die Aue in Rosenauer Busch nach Holz waren, auf Angeben der Rosenauer (wie man vorgab) von den Zecklern überrumpelt wobei teils aus der Stadt her Nr. 56 Pferd samt etlichen Karren verloren gingen. Die Leut so dabei waren, salvierten sich meistens mit der Flucht ausser zweien welche sie gefänglich mit sich wegführten“.
Der Text schildert ein Ereignis, das sich in der Schulerau im Bereich der Ortschaft Rosenau abspielte. Die Knechte wurden von Rosenau aus in den Wald beordert, um Holz zu holen. Dabei wurden sie von „Zecklern“ (d. h. Szeklern, Ungarn die aus dem Gebiet der „Drei Stühle“ nördlich von Kronstadt stammten und die sich zu jener Zeit auch den Rebellen unter Franz Rákóczy angeschlossen hatten) überfallen. Dabei gingen wohl ein oder mehrere Pferde und mehrere Wägen verloren. Es ist anzunehmen, dass die bewaffneten Szekler zwei Knechte gefangen nahmen und wegführten.
Im selben Band auf S. 79 erfahren wir: „Den 7-ten mussten die hiesigen Müller auf des Herren Commandanten Befehl mit etlichen Karren in die sogenannte Aue fahren, Bau–Holz heren zu bringen, zu welcher Bedeckung 5 Ratzen commandiert waren. Da aber diese ziemlich berauschet sich ganz sicher, fein hurtig unter die Bäume schlafen gelegt hatten, überrumpelten sie etlich Kurutzen, führten 3 gebunden nebst etlichen Müllerschen Pferden mit sich fort die übrigen 2 aber, unter welchen einer hart blessiert war, kamen und brachten die Post hiervon“.
Auch in diesem Bericht handelt es sich um ein Ereignis, das sich in der Schulerau zur Zeit der Kuruzenkriege abspielte. Eine aus 5 Personen bestehende Gruppe wurde vom „Commandanten“ der österreichischen Besatzungstruppen in Kronstadt beauftragt, aus der Schulerau Bauholz zu schlagen und in die Stadt zu befördern. Zum Schutz dieser Arbeiter wurden als Begleitpersonen fünf „Ratzen“ (bewaffnete Personen serbischer Herkunft) mitgeschickt.
Diese waren aber betrunken und anstatt die Waldarbeiter zu beschützen, hatten sie sich unter die Bäume schlafen gelegt. Das verschaffte den sich in nächster Nähe aufhaltenden feindlichen Kuruzen die Gelegenheit, die Waldarbeiter zu überfallen. Drei von ihnen wurden gebunden und von den Kuruzen samt einigen Pferden verschleppt. Zwei von den Waldarbeitern konnten sich verletzt der Gefangennahme entziehen und kamen zurück in die Stadt und berichteten über den Zwischenfall.
Ein weiterer Text aus dieser Zeit befindet sich in „Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt“, Band VII, S. 451 ( aus dem Diarium des Seyberger Blasius). Es handelt sich auch hier um ein Ereignis, das sich am 29. Mai 1704 (oder 1705), also zur Zeit der Belagerung Kronstadts, in der Schulerau abspielt: „29. Mai treffen die Kurutzen die Ratzen in der Au als sie unsere Leut in der Wallachei convoieren, an, blessieren den Capitany Jurka, auch andere seiner Leut, weswegen unsere Leut nicht von Victualie herausbringen können, also dass das Fleisch zu Pfingsten ziemlich süss geschmeckt und sind viel Stück zersprungen.“
Dieses Ereignis schildert den Transport von Lebensmitteln (Viktualien), mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Walachei nach Kronstadt, unter einer zum Schutz der Reisenden beauftragten Begleittruppe von bewaffneten „Ratzen“. Der begleitete Lebensmittel–Konvoi wird von den Kuruzen überfallen, der Hauptmann Jurka wird verwundet und der Transport vorerst gestoppt, mit dem Risiko, dass das transportierte Frischfleisch verdirbt. Etwas unverständlich bleibt, dass die „Au“ in diesem Text erwähnt wird.
Unter Umständen handelt es sich hier nicht um die Schulerau, da über diese kein direkter Weg in die Walachei führt. Wahrscheinlich meint der Bericht eine „Au“ auf dem damaligen üblichen Handelsweg von Kronstadt in die Walachei über Törzburg/Bran – Langenfeld/Cîmpulung.
Eine andere mögliche Deutung der damaligen Ereignisse wäre, dass in Anbetracht der Belagerung der Stadt Kronstadt der übliche Weg durch die Stadttore in die Stadt nicht frei war und der Lebensmittel-Konvoi von Törzburg auf einem Umweg über Rosenau – Schulerau – Obere Vorstadt zu dem nichtbelagerten Stadttor in der Südwestseite der Mauer hinzielte.
Auch der nächste Quellentext weist hin auf die ständigen gewaltsamen Begegnungen zwischen den die Schulerau durchwandernden feindlichen Kuruzen und den Begleittruppen der „Ratzen“. In den „Quellen“ Band VII , S. 80, wird berichtet: „Den 27–ten wurden die unter dem 7–ten huius in der Aue gefangenen Ratzen gegen 3 Kurutzen von hiesigem Schloss vor der Blumenau im freien Feld ausgewechselt“.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen um Kronstadt zur Zeit der Belagerung der Stadt zwischen 1704 und 1706, und wohl auch nachher, müssen zeitweilig den Charakter von heutigen Guerilla-Kriegen der grausamsten Art angenommen haben. Ein Ereignis, das sich diesmal nicht in der Schulerau abgespielt hat, legt Zeugnis davon ab: In der „Kurzgefassten Jahr-Geschichte von Siebenbürgen, besonders des Burzenlandes“ von Joseph Teutsch in den „Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt, Band IV, ist zu lesen: „Liessen die Kurutzen den Petersberger Hannen Klesen Hannes enthaupten und seinen Diener spiessen; deswegen liess auch der Croner Commandant 2 Wallachen von Kuruzischer Seite als Kriegsgefangene enthaupten.“
Wie angespannt die gesamte Lage damals war, lässt sich auch aus einer Nachricht vom 19. Januar 1705 entnehmen, wo berichtet wird, dass der damalige Stadthauptmann Franz Czack mit den Rebellen einen angeblich allzu vertrauten Umgang gehabt hatte und deswegen zum Tode verurteilt wurde; „allein er bekam noch Gnade“, so die Quellen.
Die sich wiederholenden Zwischenfälle mit Kuruzen in der Schulerau gaben Anlass zur Bedrohung und Sorge in Kronstadt. In manchen Quellen gibt es Hinweise, dass zeitweilig in der Schulerau einige Zehntschaften von Kuruzen auftauchten, die dann noch rechtzeitig aufgespürt und vertrieben werden konnten. Es darf darum auch nicht verwundern, wenn der Magistrat in jenen Jahren mit dem österreichischen Stadtkommandanten den Beschluss fasste, wöchentlich eine bewaffnete Reiterpatrouille in die Schulerau zu entsenden, um der Infiltrierung feindlicher Rebellen in der Schulerau entgegen zu wirken. Die gesamten kriegerischen Auseinandersetzungen endeten erst nach dem Frieden von Sathmar, am 7. Mai 1711 .
Die Zeit der Besatzung siebenbürgischer Städte durch die Habsburger im 18. Jahrhundert war für alle Beteiligten, aber vor allem für die Gastgeber, durch die hohen Forderungen zum Unterhalt der kaiserlichen Truppen als Besatzungsmacht sowie der Kriegsentschädigungen sehr belastend. Nun erhoben die Habsburger sogar zusätzlich Steuern von den ungarischen Adligen wie auch von den Szeklern, die vorher nie Steuern bezahlt hatten.
Besonders bedrückend gestaltete sich die intolerante Haltung der Habsburger gegenüber den in Siebenbürgen vertretenen nicht katholischen Religionen. Vor allem durch den Einzug (unter Habsburgischem Protektorat) der Jesuiten in die siebenbürgischen Städte begann eine gezielte „Gegenreformation“ mit massiver Unterstützung des Habsburgischen Kaiserhauses. Nur am Rande sei erwähnt, dass die unter den Österreichern nach Kronstadt eingeschleusten Jesuiten, unter dem Druck der Stadtkommandanten das „Peter und Paul“-Kloster in Kronstadt für sich beanspruchten.
Für die dort untergebrachten Dominikaner musste in der Stadt ein Ersatzquartier gesucht werden. Auch machten sich die Jesuiten in der Stadt durch lautstarke Aufmärsche lästig bemerkbar. Öfters endeten diese organisierten Wanderungen auf der Zinne, wo der zum Katholizismus übergetretene Stadtrichter Draudt eine kleine Kapelle erbauen ließ (Kapellenberg).
Die prekäre wirtschaftliche Lage in der damaligen Zeit, die hohen Verluste an Menschen und Gütern durch Kriegshandlungen, die Verwüstung der Äcker, Felder und Gärten schaffte den Nährboden für die Ausbreitung der Pest. Schon im Jahre 1718 brach im Burzenland eine verheerende Pestepidemie aus. Wegen der hohen Zahl der Erkrankten verordnete der Stadtkommandant die Schließung der Stadttore und verbot alle öffentlichen Versammlungen, selbst die Gottesdienste. Aus Angst vor Ansteckung verließen die Besatzungstruppen panikartig die Stadt. Im Sommer des Jahres 1719 verzeichnet Kronstadt 2000 Pesttote; im ganzen Burzenland waren es über 18.000!
Durch die Sperrung der Stadttore und die Quarantäne wurde die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln stark beeinträchtigt: Es herrschte akute Hungersnot. Im Jahre 1724 reichte die rumänische Bevölkerung aus der Oberen Vorstadt ein Memorium mit Forderungen an den Kaiser in Wien ein. Es handelte sich um Forderungen, für welche der Magistrat der Stadt schon seit längerer Zeit keine Lösung gefunden hatte.
(Fortsetzung folgt)