Die Transfogarascher Hochstraße als Parteiauftrag

„Das erste Dokument, das sich auf die Geschichte der Siebenbürger Sachsen bezieht, ist der  ‚An-dreanische Freibrief‘ (1224)“, heißt es im Vorspann der Veröffentlichung des Textes dieser grundlegenden Urkunde in der KR Nr. 42 vom 18. Oktober. Für die Übersetzung zeichnete Otto Mittelstrass. Damals wurden 750 Jahre seit dem Erlass dieser Urkunde begangen. Im erwähnten Vorspann wird auch auf die damals „800-jährige Geschichte der deutschen Bevölkerung Rumäniens“ eingegangen. Der Text des Freibriefes sollte durch diese Veröffentlichung einem großen Leserkreis zugänglich gemacht werden und: „Er könnte vor allem als Unterlage für eine Diskussion und Analyse in den Geschichts- bzw. Heimatkundekreisen unserer Schulen dienen.“

Dieselbe Meinung vertritt auch der Direktor der Honterusschule, Hans Göbbel, in einem KR-Gespräch (ebenfalls in der KR 42, Seite 7, zu lesen) bei dem auch sein Stellvertreter Ortwin Schneider, sowie Mathelehrer Detlef Hermannstädter und Grundschullehrerin Heidemarie Hantschel zu Wort kommen. Göbbel sagte: „Mehr als bisher ließe sich vielleicht im Geschichtsunterricht tun, wo eine Möglichkeit gefunden werden müsste, um unsere Schüler mit den Hauptfragen der rumäniendeutschen Geschichte vertraut zu machen. Sie wissen nämlich darüber viel zu wenig Bescheid.“  KR-Redakteur Michael Kroner wollte wissen, ob die „humanistische Ausbildung“ nicht zu leiden hätte, da „dem Trend der Zeit folgend“ dem „naturwissenschaftlich-technischen Unterricht“ mehr Achtung geschenkt werde. Direktor Göbbel spricht von einer „verfehlten Orientierung“ in Sachen Berufswahl. Zu viele Absolventen würden sich für Fakultäten mit philologischen Profil interessieren, wo die beruflichen Perspektiven bedeutend geringer seien. Die Schüler sollten angeleitet werden, „praktische Berufe“ zu ergreifen.

Einer, der viel für den Erhalt und die Förderung der historischen Baudenkmäler in Kronstadt und auch darüber hinaus unternommen hat, der Architekt Günther Schuller, kommt in der KR 41 zu Wort. Anlass dafür ist sein 70. Geburtstag, zu dem ihm die Redaktion im Vorspann des von ihm gezeichneten Beitrags „Bewährungsprobe 1975“ gratuliert und kurz auch seinen beruflichen Werdegang vorstellt. Was in seinem Lebenslauf offiziell ausgelassen werden musste, war seine Russlanddeportation. Bemerkenswert für einen 70-Jährigen: „Gegenwärtig leitet er die Restaurierungsarbeiten am Weißen Turm.“ Architekt Schuller nennt 1975 als Bewährungsprobe weil  das Jahr unter UNESCO-Schirmherrschaft zum „Jahr des architektonischen Erbes in Europa“ erklärt wurde. Er nutzt die Gelegenheit, um konkret aufzuzählen, was in diesem Sinn in Kronstadt zu tun wäre, ohne aber zu vergessen, auf Missstände in Schäßburg und in Klosdorf aufmerksam zu machen. Günther Schuller weist abschließend auf Erfolge in seiner Arbeit mit Unterstreichung der Unterstützung kompetenter Mitstreiter in seinen Bemühungen um das siebenbürgisch-sächsische Erbe. Es sind dieses Stadtarchitekt  Olschefsky, Archivar Gernot Nussbächer, Restauratorin Gisela Richter. „Und vor allem das Mitspracherecht an der Restaurierung der Schwarzen Kirche und der gemeinsame Erfolg mit Dr.  O. Richter und dem Denkmalauschuss, dass ihre Dachsilhoutte sie unverändert als einzigartige gotische Kirche bleiben lässt. Seit bald dreihundert Jahren beherrscht sie so in souveräner Ruhe die umliegende Häuserschar. Für mich und manch anderen Abendspaziergänger Quelle schöner Freude.“

Bei der „deutschsprachigen Vortragsreihe an der Volksuniversität Brașov“, geleitet von Michael Kroner, kam auch die siebenbürgisch-sächsische Geschichte ins Programm, wie man aus der KR 39 erfahren kann. Dabei wird Wert gelegt, die Kulturinterferenzen zwischen Rumänen, Ungarn und Deutschen hervorzuheben oder das Zusammenleben der „mitwohnenden Nationalitäten“ mit dem rumänischen Volk zu unterstreichen. Aber die Thematik war nicht nur auf Geschichte orientiert. Es ging auch um Natur- und Umweltschutz, um eine mögliche Überbevölkerung der Erde oder um moderne Strömungen in der bildenden Kunst und Literatur und um Kultur- und Kunstdenkmäler anderer Länder.

Interessante Beiträge zur Heimatgeschichte sind immer wieder in der KR zu finden. Einige davon, die im September und Oktober 1974 erschienen sind, wären: „Alle Wege führten nach Marienburg. Alte Verkehrsadern des Burzenlandes“ von Geza Bako (KR 36); „Gab es ein sächsisches Patriziat? Ritter, Gräven, Kaufleute in der ‚Villa Hermani‘“ von Dr. Gustav Gündisch (KR 38); „Gemeinschaftseigentum im Burzenland. Neue dokumentarische Belege über das 18. Jahrhundert“ von Ernst Rothbächer (KR 39 ); „Der Vater des sächsischen Genossenschaftswesens. 125 Jahre seit der Geburt von Karl Wolff“ von Michael Kroner (KR 40).

Die Eröffnung der Transfogarascher Hochstraße  wurde am 20. September 1974 am Bulea-See bei 2040 Meter Höhe in Anwesenheit tausender Teilnehmer von Staats- und Parteichef Nicolae Ceau{escu vorgenommen. Die KR-Reporter Hans Barth und Willi Zeidner begeben sich drei Tage später auf diese höchste Gebirgsstraße – eine besondere verkehrstechnische Leistung, die auch heute als eine der schönsten Hochstraßen Europas gefeiert wird und auf die man stolz sein kann. Zu jener Zeit nutzte die Rumänische Kommunistische Partei diesen Erfolg, erreicht in vier schweren Jahren, auch mit manchen tödlichen Arbeitsunfällen, die verschwiegen wurden, für ihre Propaganda, denn es handelte sich ja um einen „Parteiauftrag“. Die Reportage bringt Daten und Fakten zum Bau der Straße, schildert erste Eindrücke. „Es ist gleichsam, als würde man den Berg auf die Hörner nehmen. Steil geht es aufwärts. Die Schleifen und Kehren sind eng. Die Straße wird buchstäblich in den Granit gebissen. Jede Handbreit musste freigesprengt werden. Rund 4 Millionen Kubikmeter Stein wurden bewegt.“ Genannt werden auch einige von denjenigen, die an diesen großen Baustellen monatelang, bei Wind und Kälte oder Hitze und Sonnenschein im Einsatz waren – unter ihnen auch Hans Knall, der Chef der Kabinenseilbahnbauer, die zwischen Bulea-Wasserfall und Bulea-See eine neue Drahtseilbahn errichteten und somit einen Höhenunterschied von 700 Metern zu überwinden hatten.