Wenn es um Kultur geht, profitiert Kronstadt immer wieder von der deutsch-französischen Freundschaft. Schon zum elften Mal haben das Kronstädter Deutsche Kulturzentrum und die Alliance Française mit Unterstützung der „Rédoute“ vom 8. bis 10. November das Jugendtheaterfestival „EuroArt“ organisiert.
Schüler- und Studentenensembles spielten in rumänischer, deutscher, ungarischer, französischer oder englischer Sprache; abends waren Profis mit Gastspielen an der Reihe – aus Bukarest, Frankreich und Deutschland; seitens der „Gastgeber“ trat das „Duo Bastet“ auf. Ein vielfältiges Programm, eine „echte“ Bühne für die angehenden Hobbyschauspieler und zugleich ein Anlass für internationales Theater am Fuße der Zinne – all das trotz der vielen Krisen und Sparmaßnahmen, an denen die Kultur immer wieder zu leiden hat.
Von den jungen Ensembles habe er sich etwas weniger Aggressivität und mehr klassische Stücke gewünscht, unterstrich in seinem Fazit der Schauspieler und Direktor der „Rédoute“, Marius Cisar. Auch schien seines Erachtens das Caragiale-Jahr in der Repertoirewahl vergessen zu sein. Ironie und Absurdität fehlten dennoch nicht – sehr präsent waren sie in der deutschsprachigen Adaption „Lena und Lena“ nach Georg Büchner. Das alternative Theaterduo „Die Gruppe“ von der Transilvania-Universität Kronstadt hatte sich das skurrile Stück schon vor längerer Zeit vorgenommen und realisierte es nun unter der Spielleitung von Dr. Carmen Elisabeth Puchianu.
Mit Musik, Bewegung, Tanz, Text und auch Schweigen gestalteten sie eine Liebesgeschichte, deren Ursprung in einer dekadenten Langeweile liegt. Lebensmüdigkeit und Traumversunkenheit wurden von den zwei Schauspielerinnen überzeugend wiedergegeben. Selbst der Zusammenhalt der Szenen schien an manchen Stellen auseinanderzugehen – gewiss war es absichtlich.
Einwandfrei war das Ensemble „Piggy Blu“ vom Kunstkolleg „Octav Băncilă“ aus Jassy mit dem Stück„Love 4all“ von Robert deLuxa. Die jungen Darsteller strahlten ansteckende Freude am Schauspiel aus, setzten zahlreiche Profi-Bühnentricks ein, blieben durchgehend „in der Rolle“, verkörperten glaubwürdige und witzige Figuren und bewegten sich mit Natürlichkeit zwischen der Commedia dell’arte und der modernen Zeit. Auch Aussprache, Gestik, Gesichtsausdruck waren sorgfältig geschult. Gelächter im Saal und reicher Beifall bestätigten die gelungene Aufführung.
Bei der deutschsprachigen Gruppe „Innuendo IV“ handelte es sich um Studenten der Klausenburger Uni, die zum Teil in Kronstadt zu Hause sind. Ilinca Bulgărea, deren Stück gespielt wurde, und Beatrice Benedek, die Hauptdarstellerin, sind ehemalige Leiterinnen der Theatergruppe „ImPuls“ des Kronstädter Jugendforums. Gemeinsam mit einem Kommilitonen versetzten sie die Zuschauer in ein Nervenkrankenhaus, in dem die Grenzen zwischen Realität und Illusion verschwanden.
Bei der Realität – ohne Illusionen – blieb es in der Bearbeitung nach „West Side Story“, die das Jugendfestival abschloss. Die Theatergruppe „Catharsis“ vom Gheorghe-Şincai-Kolleg Bukarest überraschte mit einer anspruchsvollen, dynamischen Inszenierung, die den jungen Schauspielern so manches abverlangte – an komplizierten Tanzschritten wie an Sologesang oder atemberaubendem Tempo. Im Saal war nicht sehr viel Publikum, dafür aber sehr aufmerksames. „Leider interessierten sich wenige der jungen Theatergruppen für die Aufführungen ihrer Kollegen“, kritisierte Marius Cisar, bevor er die Urkunden vergab.
Die Krönung des Abends war das Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim mit dem Erzähltheaterstück „Kohlhaas“ nach Heinrich von Kleist.
Die Adaption der italienischen Theatermacher Marco Baliani und Remo Rostagno reduziert das komplexe Original auf den Kern: die moralische Entwicklung der Figuren. Nach einem üblen Scherz fordert der Pferdehändler Kohlhaas sein Recht ein, doch niemand scheint ihn zu hören, am allerwenigsten die Institutionen, die Gerechtigkeit garantieren müssten. So greift das Opfer, ein anständiger Bürger, aus Verzweiflung zur Selbstjustiz und tut seinerseits Unrecht. Das Problem ist zeitlos – und wurde entsprechend inszeniert. Simpel, direkt, geradlinig, lebendig. Uwe Topmann gelang ein hervorragendes schauspielerisches Solo, bei dem der Gegensatz Idealwelt –Wirklichkeit deutlich wurde.