„Tunnelverbindung für die Obere Vorstadt“, „Zerstörung historischer Bauten“, „Zu kostspielige Lösung“ waren einige der Schlagzeilen, welche auch dieses Jahr in der Kronstädter Lokalpresse zu lesen waren, als das Thema des Tunnels unter der Graftbastei und den beiden Türmen, dem Weißen und dem Schwarzen, aufgegriffen wurde. Zwar wurde kein endgültiger Beschluss vom Stadtrat getroffen/mitgeteilt, doch dürfte eher die schon vor Jahren ausgearbeitete Lösung einer Ringstraße an den Berghängen als realistisch betrachtet werden. Was geschieht aber mit dem Abschnitt, an der Graft, der malerischen Allee zwischen Wehrmauer und Wald?
Stadtratsmitglied Christian Macedonschi hatte dazu eine Initiative – die auch durchgeführt wurde – und mehrere Vorschläge und Feststellungen, die er uns mitteilte.
„Der Mauerabschnitt ist gut saniert worden, die Fußgängerallee ist in gutem Zustand, nicht schlecht beleuchtet und von Besuchern geschätzt“, erklärte er, fügte aber im selben Zug auch einige „aber“ hinzu: „Die Allee führt den Graft-Bach (genauer: ein künstlich angelegter Kanal) entlang und damit haben wir auch das erste Problem: das Wasser dieses Baches. An unserer Säuberungsaktion beteiligte sich auch Architekt Gruia Hilohi, der uns mitteilte, dass nachweislich etwa 150 Haushalte aus der Oberen Vorstadt einen Teil ihrer Abwässer direkt in diesen Bach leiten. Das ist an und für sich ungesetzlich aber gleichzeitig auch höchst gefährlich, da diese verschmutzten Gewässer ein Infektionspotenzial darstellen. Vermutet wird auch eine Einspeisung von Abwasser aus dem Bereich der Geburtenklinik, was noch gefährlicher ist. Demnach verderben wir, gemeint ist der schlechte Geruch, einen der schönsten Bereiche unserer Stadt und setzen Passanten, Besucher und Stadtbewohner Gefahren aus“.
Malerisch ist die Allee an der Graft durchaus und das nicht seit gestern. Sie lieferte Stoff für Anekdoten und Geschichten, wurde gemalt, in Öl und Aquarell, war Filmkulisse und ist, egal zu welcher Jahreszeit, eines der beliebtesten Fotomotive. Irgendwann im Mittelalter, als die Notwendigkeiten der Stadtverteidigung es verlangten, war der Eingang von der Oberen Vorstadt her mit einer zentnerschweren Kette versperrt worden. Abnehmbar, versteht sich. Das eine Ende der Kette war an dem vorstehenden Felsen befestigt auf welchem der Schwarze Turm steht, das andere an der Ecke, wo die Stadtmauer in die Schmiedbastei übergeht. Was war die Folge? Ein Witz über Kronstadt! „Welches ist die wildeste Stadt Siebenbürgens?“, lautete die Frage. Die Antwort war: „Kronstadt! Die Stadt musste an die Kette gelegt werden“.
Weniger witzig ist, dass an der Graft viel zu wenige Mülltonnen stehen, was zur Folge hat, dass aus der Graft und im Wald haufenweise Verpackungen und Plastikmüll gesammelt und gefischt werden, wenn sauber gemacht wird. Und nebenbei fehlt es auch an öffentlichen Toiletten, wozu der angrenzende Wald benutzt wird.
Zu den Pluspunkten muss aber auch eine Initiative erwähnt werden, die den Besuchern Informationen – außer Schildern und Schautafeln – bietet: An der Seitenwand der Graftbastei, in einer Schießscharte, wurden Lautsprecher angebracht über welche in Schlaufe ein Text mit der Geschichte der Bastei, der Graft und der Stadtmauer ausgestrahlt wird. Minuspunkt: nur in Rumänisch. „Zu all dem was wir angetroffen haben und selber feststellen konnten, werden wir Vorschläge im Stadtrat vorlegen und uns für deren Durchsetzung engagieren“, erklärte uns Christian Macedonschi der noch einen konkreten Vorschlag hat: „Hier befinden sich auch im Felsen, mehrere, allgemein als ‘Katakomben’ bekannte alte Luftschutzbunker.
Zurzeit dienen diese als Schlupfloch für Obdachlose. Bei der Säuberung haben wir nur aus dem Eingangsbereich, mehrere Säcke mit alten Matratzen, Decken, Kleidung und Abfall entfernt. Diese Tunnel eignen sich durchaus für ein Museum, z. B. eines des Kommunismus, aber nicht nur. Oder für Ausstellungen. Dafür müssten sie erstmals gesäubert, gesichert und teilweise eingeebnet werden. Eine elektrische Beleuchtung dürfte nicht sehr schwierig sein und, wenn einmal die Eigentumsrechte geklärt und an jemanden übertragen sind, dann können sie verwertet werden. Diese Vorschläge werden wir, wie gesagt, zusammen mit unseren Feststellungen in der nächsten Sitzung des Stadtrates vorstellen.“
An die „Katakomben“ erinnern sich viele Kronstädter, die irgendwann einmal im „Lausbubenalter“ mit Taschenlampe und vielleicht einem Seil die Gänge erforscht haben. Von solch einer „Expedition“ dürfte auch die handgefertigte Zeichnung stammen welche uns Christian Macedonschi freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat und welche hier abgebildet ist. Über das Anlegen der Gänge waren manche Geschichten in Umlauf, doch die Tatsachen sind viel nüchterner. Es handelt sich nicht um irgendwelche geheime Tunnel, die als unterirdische Verbindung zwischen den darüber stehenden Wehrtürmen angelegt worden sind, mit Eingängen aus dem Rathaus oder Kellern. Sie wurden 1944 angelegt, als Luftangriffe der Alliierten-Bombergeschwader eine Bedrohung wurden, genauso wie andere Luftschutzbunker im Mauerbereich am Fuße der Zinne. Um leichter erreichbar zu sein, wurde auch ein Durchgang in der Stadtmauer, in unmittelbarer Nähe der Graftbastei angelegt. Dieser ist heute mit einer Blechtüre verschlossen.
Erst viel später, nach 1960, wurden die in der Zeichnung dargestellten Tunnel um einen weiteren Abschnitt erweitert und ausgebaut. Vor den Eingang wurde ein heute mit Graffiti bedecktes Wärterhaus gebaut und im Inneren ein Kommunikationszentrum für Notfälle eingerichtet. An die im Sommer davor sitzenden und sich langweilenden Uniformierten, erinnern sich wohl noch einige Kronstädter. Spätere Entwicklungen im Bereich Kommunikation und Fernmeldetechnik machten die Anlage irgendwann überflüssig und so ist sie bis heute geblieben. Eine neue Verwendung könnte sich bestimmt, laut Christian Macedonschi finden, wobei die Kosten – da die Gänge und Tunnels vorhanden sind – nicht besonders groß sein dürften.