Seit Jahrtausenden helfen Brücken dem Menschen, seine Grenzen zu überwinden. Anfangs waren es nur ein Baum, den man über einen Bach gelegt hat. Oder Steine, die die Menschen ins Wasser legten, um Flüsse zu überqueren. Später folgten einfache Hängekonstruktionen aus Naturmaterialien, dann Brücken aus Stein, mit deren Hilfe größere Flüsse und tiefe Täler überwunden wurden.
Ein Leben ohne Brücken wäre heute unvorstellbar. Heute sind viele von ihnen modernster Bautechnik und beflügeln die Fantasie großer Ingenieure und Architekten.
Einer von ihnen ist Prof. Emeritus dr. Ing. Radu Băncilă aus Temeswar.
Als er uns an einem Vormittag Ende März in der Redaktion der Karpatenrundschau besuchte, waren wir alle begeistert von seiner Energie und Lebensfreude. Ich sagte, dass ich überhaupt nichts von Brückenbau verstehe, und bat ihn, mir einige Sachen zu erklären. Radu Băncilă hat mir dann einige von ihm erstellte Powerpoint-Präsentationen gezeigt und ich habe zu meiner Überraschung festgestellt, dass Brückenbau ein sehr spannender Bereich ist.
Ein treuer Leser der ADZ war er auch schon immer – die Zeitung (damals der „Neue Weg“) half ihm, die deutsche Sprache nicht zu vergessen, als seine ehemaligen Mitschüler des Lenau-Lyzeums schon längst nach Deutschland ausgewandert waren. Heute liest er sie mit derselben Begeisterung.
Eine wichtige Würdigung
Doch nicht der Redaktionsbesuch war der Grund, weshalb er aus Temeswar angereist war. Am 28. März wurde ihm im festlichen Rahmen der Ehrenprofessor-Titel der Transilvania-Universität verliehen. Überreicht wurde die Auszeichnung vom Dekan der Fakultät für Bauwesen, Prof. dr. ing. Ioan Tuns.
Bei der Verleihung des Titels waren von der Polytechnischen Universität Temeswar der stellvertretende Dekan der Fakultät für Bauwesen Prof. dr. ing. Sorin Herban, der Leiter des Departments für Tiefbauarbeiten Prof. dr. eng. Sorin Dan, Ehrengäste und Mitglieder der Kronstädter Universität anwesend. Bei dieser Gelegenheit hat Prof. Băncilă den Vortrag „Von gusseisernen Brücken zu Hängekonstruktionen. Eine kurze Geschichte der Metallbrücken“ gehalten.
Die Würdigung der Kronstädter Universität war ihm eine besondere Ehre, da er an den Ort sehr gebunden ist – die Familie seines Vaters stammt aus Törzburg. Obwohl er nicht deutscher Abstammung ist, besuchte Băncilă auf Wunsch seines Vaters, der ebenfalls Bauingenieur war, deutsche Schulen: zuerst die damalige Elementarschule Nr. 16 in der Elisabethstadt, dann die Lenauschule. „Ich war der einzige Rumäne in der ersten Klasse und musste mich schnell anpassen und Deutsch lernen“, erzählt er. Anfangs war es nicht leicht, aber seine Klassenkameraden haben ihm geholfen. Nun spricht er perfekt Deutsch. Einige seiner ehemaligen Schulfreunde konnte er vergangenen Sommer in Temeswar treffen, als ein 60-jähriges Absolvententreffen des Nikolaus-Lenau Lyzeums organisiert wurde.
Eine Brücke zu Europa
Der Initiative von Professor Băncilă ist auch die Abteilung mit deutscher Unterrichtssprache an der Bauwesen-Fakultät der TU Politehnica zu verdanken, die am 1. Oktober 1991 gegründet wurde und heute noch gut arbeitet.
Es war die vielleicht wichtigste Brücke, die er gebaut hat – eine Brücke zu Europa. Dafür erhielt er das Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
1993 wurde auch die Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München besiegelt, als anlässlich der 125-Jahr-Feier der deutschen Universität ein Partnerschaftsvertrag unterzeichnet wurde und die TUM die Patenschaft für die deutsche Abteilung in Temeswar übernahm. Die Freundschaftsbeziehungen wurden im Laufe der Jahre vertieft. Im Februar 2005 unterzeichneten der nun Präsident Emeritus der TUM, Prof. Dr. h.c. Wolfgang A. Herrmann, und der damalige Rektor der TU Politehnica, Nicolae Robu, ein Doppeldiplomabkommen – 2017 wurde dieses erneuert. Dieses Programm ermöglicht interessierten Studenten aus Rumänien, während ihres Studiums an der Abteilung für Bauingenieurwesen in deutscher Sprache auch drei Semester in München zu absolvieren und am Ende des Studiums auch in der Landeshauptstadt Bayerns ihren Bachelor abzulegen. Nach vier Studienjahren können somit Studierende aus Temeswar zwei Diplome in der Tasche haben – eines der TUM und eines der TU Politehnica. Was ihnen einen großen Vorteil auf dem internationalen Arbeitsmarkt bietet.
Heute sind die ehemaligen Studenten von Radu Băncilă in der ganzen Welt verstreut – viele von ihnen sind erfolgreiche Ingenieure, auf die er stolz ist.
Sport und Leidenschaft hält jung
Băncilă kann sich nicht nur mit seinen akademischen Leistungen rühmen, sondern auch mit seinen Sportleistungen in sieben Jahrzehnten. Zehn Jahre lang war er Leistungsschwimmer und 12 Jahre spielte er Wasserball bei der Wollindustrie Temeswar. 1964 war er Vizemeister bei der Nationalen Schwimmmeisterschaft im 200 Meter Brustschwimmen. Eine Zeitlang hat er sich auch an Masterwettbewerben (Wettbewerbe für Senioren) beteiligt, hat mehrere Medaillen gewonnen. Heute schwimmt er nur noch zum Spaß.
„Fünf mal pro Woche“ – die Antwort, als wir ihn fragen, wie oft er schwimmen geht, war verblüffend. Ich selbst schaffe es kaum einmal. „Aber ich habe mehr Zeit als Sie“, meinte der Professor. Aber so viel Freizeit kann man doch nicht haben, wenn man mit 79 noch an der Uni unterrichtet und außerdem noch bei verschiedenen Projekten mitmacht.
Er ist so aktiv, wie manche Leute es auch mit 29 nicht sind. Sein Rat an die junge Generation ist, wenigstens einmal pro Woche Sport zu treiben. Es ist der beste Rat, den es überhaupt gibt, und Professor Băncilă ist der lebende Beweis dafür, dass Sport jung hält.
„Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken“, soll Isaac Newton gesagt haben. Radu B²ncil² ist ein Mensch, der sein ganzes Leben lang Brücken gebaut hat – wörtlich und im übertragenen Sinne.