Es gibt unzählige Frauen und Männer auf der Welt, die in diesem Jahr 70 Jahre alt werden, und davon sicher eine Menge in Rumänien, viele von ihnen leben in Städten, andere leben auf dem Land, sie sind Mütter und Großmütter, Väter und Großväter, Tanten und Onkel, und einige wiederum sind alleinstehend. Sie alle werden von Familienangehörigen, von Freundinnen und Freunden oder flüchtigen Bekannten und Nachbarn mit guten Wünschen und kleineren oder größeren Geschenken bedacht. So wird der Jubeltag zu einem schillernden Ereignis und man hat das wohltuende Gefühl, nicht vergessen worden zu sein.
Nun kenne ich auch einen Mann, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird: Sein Geburtstag ist der 16. März und ein Sonntag, was ich sehr gut finde. Begegnet bin ich ihm als Studentin der Anglistik und Germanistik Ende der siebziger Jahre in Bukarest: Ich stand knapp vor dem Abschluss meines Studiums und war damit beschäftigt meine Abschlussarbeit über den Roman „Ulysses“ von Joyce zu schreiben. Und er war wohl gerade als frisch Promovierter zum Hochschullektor an der Germanistik befördert worden und damit beschäftigt, meinem Jahrgang den Sinn für die rumäniendeutsche Moderne zu öffnen. Kein allzu leichtes aber umso herausforderndes Unterfangen des aufstrebenden Akademikers.
Er fiel schon rein äußerlich aus dem Rahmen: Ein attraktiver, charismatischer Typ, der seine Haare etwas länger trug als für einen rumänischen Akademiker zu sozialistischen Zeiten tunlich gewesen wäre, und der den Schalk in den dunkelbraunen Augen sitzen hatte. Oft zuckte es nur so um seine Lippen und man meinte, ein kleines, diebisches Funkeln in seinen Augen wahrnehmen zu können, so als zwinkerte einem der Schelm persönlich zu. Dazu kam seine stattliche Figur und der Hang, sich stets elegant und doch etwas sportlich zu kleiden. Bis heute hat sich wenig an seiner Erscheinung verändert: Seine Augen blitzen immer noch schalkhaft und zwinkern einem spitzbübisch zu, wenn seine Lippen zucken und ein ironisches Lächeln sie umspielt. Das Haar ist zwar etwas kürzer und lichter geworden, aber das Charisma, die lässige Eleganz und der jugendliche Schwung, das alles ist immer noch da.
Ende der 70er Jahre war er gerade aus Leipzig, wo er seinen Doktortitel erworben hatte, nach Bukarest zurückgekehrt und machte sich stark für die rumäniendeutsche Literatur als Gegenstand germanistischer Forschung. Sein ganz besonderes Interesse galt zunächst der Lyrik von Paul Celan, später kam das Werk des großen Meisters aus Weimar hinzu. Sogar die Kronstädter Skeptiker des vierten Jahres wussten sofort: Das war kein bloßes Steckenpferd von ihm, sondern regelrechte Berufung. Das war bedingungslose Hingabe, die ihn trieb und vollkommener Einsatz akademischer Energie und intellektuellen Könnens, der ihn zu immer neuen und ambitionierten Zielen wies. Denn er hatte den Mut, sich mit Autoren und Themen zu befassen, die nicht jedermanns Sache waren und die man aus mehr oder weniger guten Gründen lieber links liegen ließ. Und diesen Mut hat er bis heute nicht verloren.
Es müssen gut und gerne 20 Jahre verstreichen, bis ich ihm am Ende der 90er wieder persönlich begegne. Es ist kein Zufall, dass sich diese Begegnung ebenfalls in Bukarest in der Fremdsprachenfakultät in der Pitar-Moş-Straße ereignet: Ich melde mich zum Promotionsstudium an und werde seine Doktorandin; das gebietet mir die Loyalität meiner „alten“ Bildungsstätte und meines früheren Mentors gegenüber. Volle sieben Jahre dauert unser gemeinsames Rangeln mit der Wissenschaft – ich schlage mich mit Thomas Mann und dessen Oeuvre herum – , während dessen er mich diskret und geschickt an die Kandare nimmt, denn am Ende soll etwas Vernünftiges herauskommen , wie er immer wieder sagt, und kein Roman.
Ab diesem Zeitpunkt kreuzen sich unsere Wege in regelmäßigen Abschnitten und zwar im Takt der zahlreichen Tagungen und Kongresse, denen er vorsitzt und an denen er sich beteiligt. Und sonst? Man liest und hört Vieles und Gutes über ihn, ein unruhiger Geist, dessen Lebenszweck und Lebenswerk im Lehren und Forschen besteht. Er ist der Germanistik mit jeder Faser seines Wesens verschrieben und jene ist ihm zu Dank und Ehre verpflichtet.
Rastlos widmet er sich der Herausgabe von Büchern und Zeitschriften, schafft so nicht nur für den guten Namen des Bukarester Lehrstuhls, den er Jahre lang umsichtig zu leiten gewusst hat, eine solide Basis. Seine eigenen Anliegen stellt er oft hinten an, es geht ihm um die gute Sache der Germanistik und zwar europaweit. Gastprofessuren machen ihn im Ausland bekannt, Ehrungen und Würdigungen werden ihm berechtigter-weise zuteil. Er aber bleibt bescheiden, schreibt seinen Erfolg der guten Zusammenarbeit mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern auf dem germanistischen Exerzierfeld zu, lehrt und lebt das Beispiel der Kollegialität und des Pflichtbewusstseins vor und setzt sich für den akademischen Nachwuchs ein.
Mit siebzig ist er immer noch der tätige Mensch, der er schon in seiner Jugend gewesen ist. Er könnte sich Ruhe gönnen, sich zurücklehnen und sich etwas gehen lassen und genießend im Geleisteten verweilen, aber das liegt nicht in seiner Natur, es gehört nicht in seine Lebensplanung, denn noch ist vieles zu bestellen, zu richten und zu schaffen.
In diesem Sinne wünsche ich Professor Dr. GEORGE GU}U alles erdenklich Gute zu seinem siebzigsten Jubeltag. Möge ihm Gesundheit und Kraft beschert sein und möge ihn die Liebe seiner Gattin und die Verbundenheit seiner Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg zur Erfüllung seines weiteren Lebenswerkes beständig begleiten!