Eine Frauenbar in der Klostergasse

Aus der Vielzahl von Berichten, Nachrichten, Gesprächen und Fotos bleiben heute solche Beiträge interessant, die etwas über den Alltag von damals, ohne jede propagandistische Beeinflussung, aussagen. Wenn es sich dann auch um eine Glosse handelt, wenn Ironie hinzukommt, ist alles lebendiger und echter. Unter der Rubrik „Ohne Filter“ erschienen solche kritischen Bemerkungen, die wahrscheinlich bei den Lesern auch gut angekommen sind.

Ein solcher „Ohne Filter“-Beitrag (KR 31/ 2. August), dessen Verfasserin nur mit den Initialen E.P. zeichnet, beschreibt, wie es vor 50 Jahren in einer Frauenbar in der Klostergasse (damals strada „7 Noiembrie“) zuging. Allein die Tatsache, dass damals ein Lokal in Betrieb war das nur Frauen zugänglich war, ist bemerkenswert. Es hieß, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, „Intim“ und war eine Premiere in jenen Jahren. Ob es heute noch eine Gaststätte nach diesem Prinzip in Kronstadt oder anderswo in Rumänien gibt, wage ich zu bezweifeln. „Erscheinst du allein, erregst du keine Aufmerksamkeit“, heißt es in der Beschreibung dieser Bar. Das Lokal schien diskret zu funktionieren: „Zwar findest du das Lokal etwas schwer, denn eine Unmenge toter Leuchtreklamen hängen über dem Torgang, aber kein Schild“. Und es gibt auch keine erkennbare Hausnummer. Drinnen konnten die Frauen ungestört sich ausruhen, Musik hören, etwas bestellen und, zu jener Zeit fast selbstverständlich, auch rauchen. Diese Initiative kann einerseits lobend erwähnt werden – etwas Konkretes in Form einer ausschließlich ihnen gedachten Gaststätte wird den Frauen (nicht nur zum Internationalen Frauentag am 8. März) zur Verfügung gestellt. Andrerseits beweist das, dass damals (und bestimmt auch noch heute in zu vielen Fällen) alleinstehende Frauen oder Frauen ohne Männerbegleitung zumindest kritisch beäugt, wenn nicht sogar belästigt wurden, wenn sie ein Restaurant betraten. 

Nicht diese Überlegungen sind aber der Leitgedanke des Kommentars, sondern die Art und Weise, wie die Bar funktioniert. Da scheint man in erster Linie an den Gewinn gedacht zu haben. Denn wir erfahren, dass es an der Bartheke keinen erfrischenden Saft gibt außer Ananassaft aus der Dose zum stolzen Preis von 25 Lei.  Und das so begehrte, weil so seltene Pepsi-Cola gab es nur, wenn auch Kognak mitbestellt wurde. Ein Glas Wasser gehörte nicht zum Angebot und auf Filterkaffee musste man ebenfalls verzichten, obwohl die Kaffeemaschine da stand.  Dafür gab es löslichen Kaffee („Etwas dünn und nicht so schmackhaft wie gefiltert, aber doch Kaffee“). Was aber ganz inakzeptabel erscheint, tritt ein, als zwei Mädchen, die auf Frage der Autorin zugeben, dass sie fünfzehn Jahre alt sind, ihre zwei Pepsi-Flaschen ebenfalls nur zusammen mit zwei Kognakgläsern erhalten. „Es gibt kein Pepsi ohne Kognak!“ erklärt eines der Mädchen ihrer Freundin. „Versuchshalber nippen sie an den Gläsern – etwas zu scharf für so junge Kehlen – und lassen sie dann stehn.“ Die Autorin ist aufgebracht und fragt sich rhetorisch: „Ist so etwas möglich in einer Frauenbar, außer teurem Dosensaft kein Erfrischungsgetränk zu erhalten und vor allem weibliche Jugend zwangshalber zum Alkoholkonsum anzuregen?“ Damals gehörte es zur Schulordnung, dass der Alkoholkonsum den Schülern verboten war. Von Drogenkonsum sprach man nur in Verbindung zu der „dekadenten“ kapitalistischen Gesellschaft des Westens denn Rauschgift im sozialistischen Rumänien gab es nicht.

Im Gegensatz zum Mädchenbesuch der Frauenbar steht die Jugendbaustelle in der Schulerau, wo rund 800 Lyzealschüler (darunter auch Honterianer) während der Sommerferien im Einsatz waren. Es steht zwar nicht, dass sie freiwillig dabei waren. Aber „enthusiastisch“ waren sie doch – denn das Lagerleben hatte seinen Reiz. Der Bericht (KR 32/ 9. August) soll auch seinen Teil zur vermeintlichen allgemeinen Begeisterung beitragen durch einen schwungvollen engagierten Ton: „Die Jungs springen aus ihren Betten und nach Morgenturnen, Frühstück und allem Drum und Dran geht es los mit Spaten und Schaufeln, mit Brechstangen und Spitzhacken. Gräben werden ausgehoben, Beton gegossen. Die Tage werden in Kubikmeter Erde gezählt und in Tonnen Beton.“ Der Bericht endet mit einer Behauptung die so unglaubwürdig klingt, dass sie niemand ernst nehmen konnte: „Schüler arbeiten auch auf der Baustelle der Trinkwasseranlage in Tîrlung. Andere wieder stehen im Ernteeinsatz. Überall helfen sie mit, um mit ihrem bescheidenen Beitrag den XXX. Jahrestag der Befreiung und den XI. Parteitag zu ehren.“ Andrerseits waren solche Sätze zur Floskel geworden, so dass sie gar nicht mehr auffielen.

Selbstverständlich erscheinen im Vorfeld des damaligen Nationaltags, der 23. August, mehrere Dokumentationen zur Waffenumkehr gegen Hitlerdeutschland – immer mit der Hervorhebung der angeblich führenden Rolle der Kommunisten bei diesem Staatsstreich gegen Antonescu. Interessant in dieser Artikelreihe ist der Beitrag „Heiße Augusttage. Siegreicher bewaffneter Aufstand im Burzenlande“ gezeichnet von Al.A. Ro{ca (KR 31). Dabei zitiert wird auch die Aussage eines deutschen Militärangehörigen, der man entnehmen kann, dass Kronstadt und Umgebung Ende August 1944 glücklicherweise von sinnlosen und verlustreichen Kämpfen verschont bleiben konnte. Die Aussage des Deutschen lautet wie folgt: „Der Abzug selbst war wohl das Beschämendste, was wir je erlebt hatten. Kolonne auf Kolonne zog aus der Stadt. Keiner von uns hatte gewusst, dass derart viel deutsches Militär in Brașov war. Dazu hatten wir noch schwere Waffen, mit denen man schon etwas hätte anfangen können...“