Wie in den Vorjahren, so gab es auch diesmal am 22. Dezember Gedenkveranstaltungen mit Kranzniederlegungen, militärischer Ehrengarde, geistlichen Handlungen für die Opfer der Schusswechsel, die in Kronstadt nach dem 22. Dezember 1989 verzeichnet wurden. Der zur Tradition gewordene Ort für diese Veranstaltungen ist der Heldenpark („Parcul Eroilor“) zwischen der Hauptpost und jenem Teil der Nicolae-Iorga-Straße, der zum Rudolfring/b-dul Eroilor führt. Da sind 30 der 68 in Kronstadt verzeichneten Todesopfer jener Dezembertage unter weißen Marmorplatten begraben. Sie gelten als Helden und/oder Märtyrer – auf jeden Fall handelt es sich um unschuldige Opfer der tragischen Ereignisse, die auch nach 33 Jahren ungeklärt bleiben. Ein großes Metallkreuz, darunter eine Tafel mit den Namen der Opfer, eine junge Eiche, die ab 1999 an den Kampf für Freiheit und Demokratie erinnern soll, gehören zu diesem Park. Ursprünglich sollte die ganze Anlage aufwendiger gestaltet werden – ein Vorhaben, das bisher das Projektstadium nicht überwinden konnte.
Dass ein Teil des kleinen Parks eigentlich ein geschlossener Friedhof ist, bedeutet für die Stadtverwaltung eine zusätzliche He-rausforderung. Andere sprachen sogar von einem „illegalen Friedhof“, dem keine weiteren öffentlichen Geldmittel zustehen sollten. Der Friedhof ist Teil eines öffentlichen Raumes, ist aber kein Soldatenfriedhof. Da muss man an die Angehörigen der Verstorbenen denken, die dort Kerzen anzünden, Blumen niederlegen und ihrer Lieben gedenken.
So seien an diesem emotions- und symbolträchtigen Ort Lösungen gefragt, die all dieses berücksichtigen und sich nicht auf das Errichten eines Denkmals beschränken, sagte Bürgermeister Allen Coliban. Fachleute wie Landschaftsarchitekten und bildende Künstler seien zur Gestaltung dieses Erinnerungsortes heranzuziehen. In dieser Hinsicht ist im Vorjahr so gut wie nichts geschehen, denn über den angekündigten Wettbewerb für die teilweise Umgestaltung des Heldenparks mit dazugehörendem Denkmal ist nichts bekannt gegeben worden, obwohl dafür ursprünglich 500.000 Lei im Stadthaushalt geplant wurden.
Als Antwort auf Proteste von Elena Vlase und Ioana Hortensia Vlase, Mutter bzw. Schwester von Nicușor Vlase, der im Alter von 19 Jahren im Dezember 1989 sein Leben verlor und dessen Grab im Park ist, wies der Bürgermeister auf die Komplexität der gesamten Problematik hin. Er erinnerte dabei auch an die berechtigten Forderungen, zwei andere Denkmäler in Angriff zu nehmen. Das eine gilt den Teilnehmern an der Arbeiterrevolte vom 15. November 1987, das andere soll Liviu Cornel Babeș würdigen, der am 2. März 1989 den Freitod durch Selbstanzündung in der Schulerau als Protest gegen die kommunistische Diktatur gewählt hatte. Als Alternative zu den drei separaten Denkmälern kommt nun ein zusammenfassendes Konzept hinzu und zwar das Anlegen eines Kronstädter „Weges des antikommunistischen Widerstandes“, der diese Monumente (einschließlich des Denkmals gegenüber dem Dramentheater das an die ehemaligen politischen Häftlinge erinnert), aufgestellt an repräsentativen Stellen in der Stadt (z. B. der Heldenpark und die Kreuzung vor dem Kreiskrankenhaus, wo am 15. November 1987 erstmals „Nieder mit Ceaușescu“ gerufen und „Deșteaptă-te române“ gesungen wurde), verbindet. Falls diese Alternative bevorzugt wird, kommt es zu einem nicht nur auf den Heldenpark beschränkten nationalen oder sogar internationalen Entwurfs-Wettbewerb unter Architekten und Stadtplanern.
Elena Vlase hatte bereits Jahre zuvor erste konkrete Schritte unternommen: Bei dem Kronstädter Bildhauer Marius Necșoiu hatte sie eine Statue in Auftrag gegeben und die Ausfertigung eines Modells selber bezahlt, nachdem ihr Vorschlag im Rahmen des Bürgerhaushaltes nicht den erhofften Anklang unter den Kronstädtern finden konnte. Die drei Meter hohe Bronze-Statue auf einem weißen Marmorsockel erinnert an die griechische Siegesgöttin Nike von Samothrake und steht für den Drang nach Freiheit, von der die Jugend bezaubert und beseelt war, als sie mit bloßen Händen und blanker Brust im Dezember 89 auf die Straße ging. Oder es kann auch als Loslösung vom irdischen Dasein in andere Dimensionen gedeutet werden. Die Statue soll das Metallkreuz auf dem Rondell vor der Gräberreihe ersetzen.
Ein angemessenes Denkmal sei man den Opfern der Dezemberrevolution schuldig, sagt die auch heute noch trauernde Mutter, die bereits etwas Bemerkenswertes für ihren viel zu früh verstorbenen Sohn getan hat. Dank ihrer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betreffend die Verzögerung der strafrechtlichen Ermittlungen der Umstände, in denen ihr Sohn erschossen wurde, hatte diese Institution 2011 hingewiesen, dass der rumänische Staat in dieser Hinsicht schneller und effizienter handeln muss: „Die hohe Relevanz für die rumänische Gesellschaft hätte die Behörden vielmehr dazu veranlassen müssen, den Fall rasch und ohne unnötige Verzögerungen abzuwickeln, um jeden Anschein der Straflosigkeit bestimmter Taten zu vermeiden“, heißt es in der rechtlichen Beurteilung des Falles. Nicușor Vlase wurde nun zum Präzedenzfall, wenn es darum geht, nachzuforschen, wer die verhängnisvollen Schießbefehle erteilt hat.
Über Endform und Symbolistik einer Statue für die Helden, Märtyrer oder Opfer von Dezember 1989 kann man geteilter Meinung sein, wie auch über den Standort einer solchen Statue. Nach 33 Jahren ist aber ein weiterer Aufschub dieses Denkmal-Projektes nicht mehr hinzunehmen.