Das Los Tausender deutscher Angehöriger aus Rumänien, die 1945 zur Zwangsarbeit in die damalige Sowjetunion deportiert wurden, teilte auch Helene-Martha Kopony. Sie war noch nicht zwanzigjährig, als sie gemeinsam mit ihrer älteren Schwester für fünf Jahre Elternhaus und Heimat verlassen musste, um Schwerarbeit zu leisten und darüber hinaus unmenschlichen Behandlungen und Verachtungen ausgesetzt zu werden.
Der vor Weihnachten 2013 im Kronstädter aldus Verlag unter dem Titel „Fünf Jahre Arbeitslager – Meine Erinnerungen an Dnjepropetrowsk“ erschienene Band, der von Christine Chiriac redigiert und ins Rumänische übersetzt wurde, ist angetan, nicht nur dem deutschsprachigen Leser die Deportation zu vergegenwärtigen, sondern auch die rumänischen Leser – was sehr wichtig ist – darüber in Kenntnis zu setzen. Leider sind Letztere viel zu wenig über die Geschichte der deutschen Minderheit informiert. Die Mehrheitsbevölkerung des Landes kennt kaum die Willkürmaßnahmen – Enteignung, Deportation, Evakuierung, politische Prozesse –, denen die Deutschen in den Nachkriegsjahren ausgesetzt wurden und die dazu führten, dass die Aussiedlung als einzige Lösung für die Entrechtung galt.
Martha Kopony wurde 1925 in Rosenau geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugendjahre im Elternhaus. Nach ihrer Heimkehr aus der Deportation am Ende des Jahres 1949, fand sie eine Anstellung als Schneiderin und leitete später eine Werkstatt mit 16 Angestellten. Sie siedelte 1972 nach Deutschland aus, wo sie in Frankfurt am Main in der gleichen Branche arbeitete. Nach der Wende von 1989 kehrte sie in die Heimat zurück, wo sie Chancen für einen Neuanfang sah. Bewundernswert ist dabei ihre Ausdauer und Hartnäckigkeit, ehemaliges Eigentum rechtmäßig zurückzubekommen: Sie führte Jahre hindurch Prozesse und wurde dadurch auch etwas unbeliebt bei den öffentlichen Behörden von Rosenau. Aber Arbeit, mit der sie schon als Kind vertraut wurde, war immer ihr höchstes Ziel und dadurch ist es ihr gelungen, auch über die schwersten Etappen ihres Lebens hinwegzukommen.
Als zweitälteste von vier Schwestern hat sie auch die Feldarbeit von früh auf erlernt und, als der Vater im Krieg war, hat sie so „ziemlich alles“ allein gemacht. Sie sei „wie ein Bub gewesen“, vermerkt sie in den Erinnerungen. Sie und ihre ältere Schwester wurden bei einer rumänischen Familie versteckt, in der Hoffnung nicht deportiert zu werden, und entkamen dem ersten Transport. Doch da die Zahl der vorgesehen Personen für die Deportation stimmen musste, bestand die Gefahr für die Mutter und die jüngere Schwester, die kaum eine Typhus-Erkrankung überstanden hatten, ausgehoben zu werden. So stellten sich die beiden Schwestern selbst. Ergreifend ist die Beschreibung der Fahrt im Winter in den ungeheizten Viehwaggons bis in das ukrainische Donbass-Gebiet. Und da war es auch nicht besser. Die größten Feinde der Deportierten waren Kälte, Krankheiten, Hunger und Schmutz, denen viele erlagen.
Nach Fluchtversuchen, von denen der erste scheiterte, wurden sie wieder gefangen und arbeiteten auf einer Kolchose. Auch von da flohen sie unter rumänischen Decknamen und kamen bis Dnjepropetrowsk, wo sie gleiches Los erlitten und Prügel erhielten. Schließlich wurde Martha Kopony in ein Stahlwerk zugeteilt, wo sie Schwerstarbeit leistete. Sie erkrankte an Malaria und überstand die Krankheit nur knapp. Anschließend arbeitete sie auf einem Brotauto. Im September 1949 wurden Martha Kopony und ihre Schwester zu einem Kombinat nach Saporoschje gebracht. Es war ihr letzter Aufenthaltsort, bevor sie am 11. Dezember einwaggoniert wurden und nach acht Tagen über Sighet in Rosenau eintrafen.
Auch der Vater war nach Russland deportiert worden, kam aber bereits 1948 zurück. Zwischen 1952 bis 1954 wurde er dann nach Reps evakuiert. Er siedelte aus, heiratete zum zweiten Mal, starb aber sechs Monate bevor Martha Kopony auch in Deutschland ankam, um sich um die Erbschaft des Vaters zu kümmern. Obwohl sie auch heute an gesundheitlichen Folgen der Deportation leidet und die schmerzlichen Erinnerungen immer wieder auftauchen, hat die Autorin die positiven Erlebnisse nicht vergessen. So die Solidarität von rumänischen Mitbürgern aus der Heimat, die versucht haben, den von der Deportation Betroffenen zu helfen. Auch in den fünf Jahren schwerster Arbeit im Donbass-Gebiet hatte sie Gelegenheit, unerwartete Hilfe von russischen Bewohnern zu erhalten , die insbesondere das Leid der letzten Jahre ertragbarer machte.
Dieser ergreifende Erlebnisbericht ergänzt die Reihe mehrerer bisher erschienener Buchveröffentlichungen, die der Deportation gewidmet wurden. Voraussichtlich werden weitere erscheinen, in Anbetracht der 2015 zu begehenden 70jährigen Wiederkehr dieser gegen alle Menschenrechte getroffenen Maßnahme. Leider werden nur noch wenige der Betroffenen die Mahnveranstaltungen erleben. Die Buchveröffentlichungen sind umso wichtiger, damit die Ereignisse von der Nachwelt zur Kenntnis genommen werden und nicht in Vergessenheit geraten.
Ein ähnlicher Erlebnisbericht des Zeidner Gärtnermeisters und Mundartautors Walter Peter Plajer wurde 1996 in München unter dem Titel „Lebenszeit und Lebensnot“ veröffentlicht. Herausgegeben wurde dieser von Dr. Horst Schuller Anger, der auch das Vorwort schrieb. Die Rumänien-Vertretung der Friedrich Ebert Stiftung veröffentlichte 2000 im ADZ Verlag den Band mit Illustrationen von Friedrich Bömches „Tief in Russland bei Stalino“, der drei Jahre später auch in rumänischer Fassung erschien.
Banater Erlebnisberichte zur Deportation brachten Hans Frombach, Luzian Geier, Adam Kernleitner, Mathias Loris in einem Sonderband der Heimatortsgemeinschaft Jahrmarkt (1995) heraus. Eine der wichtigsten Veröffentlichungen ist die von Hannelore Baier in rumänischer Sprache herausgebrachte Dokumentensammlung (1994), die Klarheit über die Hintergründe der Deportation schafft. Michael Kroner und Horst Göbbel brachten im gleichen Jahr in Nürnberg die Schrift „Flucht – Deportation – Enteignung – Entrechtung“ heraus. Diese Aufzählung könnte fortgeführt werden. Die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung aller Bücher ist aber, dass derartige Maßnahmen gegen die Menschenrechte nie wieder stattfinden dürfen.
Das Buch von Martha Kopony, das in der Kronstädter aldus Buchhandlung gekauft oder bestellt werden kann, ist auch handlich und grafisch ansprechend gestaltet. Es bietet eine anregende und ergreifende Lektüre sowohl dank der Autorin, als auch der Zusammenarbeit mit Christine Chiriac, die den Band fachlich betreut und eine gute Übersetzung ins Rumänische geboten hat.