Konzerte anlässlich des 70. Todestages von Norbert von Hannenheim

Das „aron quartett“ aus Wien konzertiert am Dienstag, dem 10. November, im Patria-Saal
Foto: Österreichisches Kulturforum Bukarest

Zwar ist Hannenheim an der Welt gescheitert; es besteht aber heute Grund zur Hoffnung, dass die Welt nicht an Hannenheim scheitern wird.

Vom 6. bis 8. November wird es an der Musikakademie in Klausenburg ein Hannenheim-Kolloquium geben. Wir berichteten darüber. Anlass ist der 70. Todestag Norbert Stephan von Hannenheims, dieses am 15. Mai 1898 in Hermannstadt geborenen Komponisten, der in die Welt auszog, nein nicht das Fürchten zu lernen, sondern bei Schönberg, wie man Zwölftonmusik komponiert. Vor solcher Musik fürchten sich die Konzertgeher in der Regel, denn die Regeln der sogenannten Klassischen Musik, die das Publikum kennt und liebt, sind ganz andere.

„Von jeher ist die Musik dem flüchtigen Wind verschwistert gewesen und hat sich nach der Festigkeit der Architektur gesehnt. Bisweilen – etwa in der Wiener Klassik – hat sie ihr Ziel fast erreicht. In anderen Epochen musste sie sich geradezu dem Wehen des Windes angleichen, um dem Geist solcher Zeiten Ausdruck geben zu können.

Utopien sind Festungen gegen den Wind, der aus der Zukunft weht – einen Wind, der zumeist Zerstörung bringt. Zugleich werden sie von diesem Wind immer wieder gespeist. Die musikalischen Utopien blühten in einer Zeit, als die architektonische Sicherheit, die das 19. Jahrhundert noch besessen hatte, im Zuge der Ereignisse, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führten, verlorenging.“

So wird Albert Breier in seinem Vortrag beim Kolloquium erinnern, was da in der Zeit, als Norbert von Hannenheim jung war, in der Musikwelt vor sich ging. 1916 wollte er bei einem Konzert in der Hermannstädter ‘Hermannia’ einen Satz einer eigenkomponierten Klaviersonate aufführen. Dazu kam es dann aber doch nicht, denn der 18Jährige (!) wurde als Zugkommandant an der russischen und der italienischen Front eingesetzt. Was diese Ereignisse für ihn und seinesgleichen bedeutet hatten, daran erinnerte „musica suprimata“ mit der Konzertreihe des vorigen Jahres. Die Erfahrung des Weltkrieges erschütterte auch Hannenheim so sehr, dass er sich erst einmal besinnen musste. In Schönbergs Klasse kam er deshalb erst 1929, im Alter von 31 Jahren.

Kurz zuvor muss es gewesen sein, dass er in Hermannstadt bei einem Ball im Römischen Kaiser das Fräulein Gertrud Goldschmidt traf, die sein Herz traf, so dass es überfloss und er ihr auf den Stufen ihres elterlichen Hauses nächtens von seinen Lebensplänen erzählte. Die junge Dame hörte aufmerksam zu - ob sie ihn auch verstand? - , und im Morgengrauen brachte er sie fürsorglich zum Zug und bis nach Freck, damit sie nicht das Aussteigen verschlafen würde. Damit endet wohl die Geschichte dieser Ballnacht, aber diese Begegnung hat dem jungen Mädchen so viel Eindruck gemacht, dass die Geschichte noch heute zuweilen in ihrer Familie erzählt wird. Beispielsweise bei der Gelegenheit, als der Organisatorin der „musica suprimata“-Konzertreihe der Gedanke kam, eben solche Konzerte in Siebenbürgen stattfinden zu lassen.

In diesem Jahr also zum vierten Mal in Folge. Und von Beginn an mit diesem Ziel, „Hannenheim heim zu holen“. Das Kolloquium wird ein geeignetes Mittel zum Zweck werden. Es wird hochkarätig besetzt sein, sowohl was die Vortragenden anbelangt - inter pares der Pianist und Rektor der Universität Mozarteum Salzburg, Siegfried Mauser, der Prorektor der Musikhochschule Freiburg i. Breisgau, Ludwig Holtmeier, - als auch die Musiker, nun schon wohl bekannt in Hermannstadt: den Pianisten und ausgewiesenen Hannenheim-Interpreten Moritz Ernst.

Dem Ereignis seien noch einmal musikalisch Sahnehäubchen aufgesetzt: Bereits am 5. November gibt es im Thalia-Saal ein Konzert der Geigerin Marianne Boettcher und des Cellisten Wolfgang Boettcher. Diese beiden in Berlin lebenden Geschwister gehören zu der weitverzweigten Familie derer von Hannenheim-von Larcher-Hoffmeister. Wolfgang Boettcher hat anlässlich des Gedenkens ein Duo für Geige und Bratsche Norbert von Hannenheims transponiert für Geige und Cello, um mit seinem Spiel seinen Vorfahren ehren zu können.

Im übrigen, beim Kolloquium steht für die familiäre Komponente Gerhard S. von Hannenheim mit seinem Vortrag, mit dem er erinnert, dass ein Komponist ja nicht ausschließlich ein Teil der Kultur seiner Zeit ist, sondern auch ein Menschenkind mit seinem Schicksal.

Über die Aktualität von Norbert von Hannenheims Musik schreibt Albert Breier:

„Das Werk Norbert von Hannenheims, von dem durch unglückliche Umstände nur ein kleiner Teil überliefert worden ist, kann heute größte Aufmerksamkeit beanspruchen. Bei Hannenheim handelt es sich um eine äußerst scharf profilierte Künstlerpersönlichkeit. Dabei besitzt seine Musik durchaus ein ‘Lokalkolorit’; sie ist in ähnlicher Weise durch die Atmosphäre Berlins geprägt wie die Musik Alban Bergs und Anton Weberns durch das Lebensgefühl Wiens. Als Schüler Schönbergs hat Hannenheim mindestens im selben Maße zu künstlerischer Eigenständigkeit gefunden wie Berg oder Webern. Die Tragik, daß ihm durch den Nationalsozialismus jede äußere Wirkungsmöglichkeit genommen wurde, soll nicht die Tatsache verdecken, daß Hannenheims Musik keinem luftleeren Raum entstammt, sondern aufs genaueste einen geschichtlichen Moment bezeichnet. Diese Musik zeigt, welche Art von Kunst im Deutschland der dreißiger und vierziger Jahre möglich gewesen wäre, hätte Hitler  nicht alle Ansätze zu ihrer Entfaltung erstickt... Fast alle erhaltenen Kompositionen Hannenheims haben das Zeug zu Repertoirestücken. Zwar ist Hannenheim an der Welt gescheitert; es besteht aber heute Grund zur Hoffnung, dass die Welt nicht an Hannenheim scheitern wird.“

Das wäre nun ein schönes Schlusswort. Aber doch ist noch nachzutragen, dass der Schluss der Veranstaltungsreihe am 10. November ist, dann wird es noch einmal ein Konzert geben, und zwar in der Philharmonie Kronstadt/Braşov. Dort spielen die Mitglieder vom „aron quartett“ Wien - Barna Kobori, Georg Hamann und Christophe Pantillon, sie waren 2011 schon einmal hier -  zusammen mit der Pianistin Aurelia Vişovan auch noch einmal Hannenheim innerhalb ihres Programms.

Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass diese schönen Veranstaltungen wohl dem Idealismus der Organisatoren entspringen, aber dass selbstverständlich auch Geld für solches in die Hand genommen werden muss. Und das kommt nun schon seit Jahren verlässlich von deutschen und österreichischen staatlichen Institutionen wie der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien der BRD, dem Österreichischen Zukunftsfond und dem Österreichischen Kulturforum. Und als Pate seit eh und je von der Pro Musica Viva - Maria Strecker-Daelen - Stiftung.

www.musica-suprimata.eu
Konzert Marianne und Wolfgang Boettcher am 5. November im Thalia-Saal der Philharmonie Hermannstadt-Sibiu, Beginn 19 Uhr
Konzert ‘aron quartett’ Wien und Aurelia Vişovan am 10. November im Patria-Saal (Kleiner Saal) der Philharmonie Kronstadt, Beginn 19 Uhr