Eine schwarz-weiße Karikatur zeigt einen Polizisten, der eine Gruppe von vier Männern auf der Straße aufhält und dabei ist, einen Strafzettel zu schreiben. „Das sind meine imaginären Freunde!“, lautet die Entschuldigung eines Mannes, die in einer Sprechblase über seinem Kopf steht. Die Situation erscheint absurd, aber während des Lockdowns vor zwei Jahren war es wirklich nicht erlaubt, sich in einer größeren Gruppe zu treffen.
Hinter einer Glaswand sieht man eine blaue Schutzmaske mit einem Loch in der Mitte. Unten steht „Freiheit“. Die Maske erinnert an die rumänischen Flaggen mit dem Loch in der Mitte im Dezember 1989.
Mehrere Hinweis- und Verbotsschilder oder Blätter, denen man während des Corona-Alltags im Jahr 2020 begegnete, sind auf ein Brett geklebt. „Bitte höchstens drei Personen im Laden“, „Hier Hände desinfizieren“ oder „Maske obligatorisch“ ist zu lesen.
Vor zwei Jahren hat sich die Welt verändert. Begriffe wie Toilettenpapier, Desinfektionsgel, Zoom, Netflix, Maske und Impfung gehörten plötzlich immer mehr zu unserem Alltag.
Wer sich heute diese Exponate der Ausstellung „Virus-Tagebuch“ im Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Universität ansieht, kann alles sehr gut verstehen. Aber wenn sich in 20 Jahren ein junger Mensch das ansieht, wird er mit Sicherheit denken: „Was ist das? Was war da los?“
Die Ausstellung, die vom Künstler Dan Perjovschi initiiert wurde, ist wie ein Archiv der Corona-Zeit. Er forderte auf, sich in dieser Zeit, wo alles stillsteht, zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der neuen Situation zu bringen – mit den Mitteln der Kunst.
Perjovschi hatte nach dem Shutdown im Frühling 2020 die Kunstschaffenden aufgerufen, sich künstlerisch mit der Krise auseinanderzusetzen. In kürzester Zeit generierte der „Corona Call“ einen riesigen Rücklauf und es wurden hunderte von Projekte eingereicht. Eine Auswahl davon wird nun an verschiedenen Orten in Rumänien und in anderen Ländern gezeigt.
Das Projekt startete online
Das Projekt wurde von Dan Perjovschi gestartet und von der Kronstädterin Alina Andrei kuratiert, die zuzeit für die Kunstgalerie „White Cuib“ in Klausenburg arbeitet. Im Frühjahr 2020, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, bereitete man in Klausenburg die Ausstellung „reCOVER“ vor, mit allen Büchern, in denen Zeichnungen von Perjovschi veröffentlicht wurden. Die Pandemie zog den Organisatoren einen Strich durch die Rechnung. Doch Perjovschi kam mit einer anderen Idee: ein Virus-Tagebuch. So postete ab dem 23. März 2020 die Galerie jeden Tag auf ihren Social Media Accounts eine Zeichnung des Künstlers, die von der Lockdown-Realität inspiriert war.
„Es war wie eine Work-in-progress-Online-Ausstellung, die sich jeden Tag um ein Exponat bereicherte. Nach einiger Zeit wurden auch andere Künstler eingeladen, am Projekt teilzunehmen. Und so kam es dazu, dass ab einem gewissen Moment täglich 22 Künstler aus dem In- und Ausland mitmachten. Sie kommen aus Rumänien, Deutschland, der USA, Großbritanien, Österreich, Italien, Portugal, Spanien, Griechenland, Tschechien, Bukgarien, Uruguay, Indonesien, Kolumbien, Frankreich, Malaysia, China, Japan, Polen, der Republik Moldau und Montenegro. Wir posteten ihre Arbeiten wochenlang, von morgens bis spät am Abend, und so entstand eine riesige virtuelle Ausstellung“, erinnert sich Alina Andrei. Anfang Mai 2020 wollte man dann jeden Tag einen anderen Teil des „Tagebuchs“ an die Fenster der Klausenburger Galerie befestigen, damit die Leute, die daran vorbeigehen, sie anschauen können. Aber dann entschied man sich, online zu bleiben und die Vernissage der Ausstellung für einen besseren Moment aufzuschieben.
Die Ausstellung war auch in New York zu sehen
Die Arbeiten der mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Teilen der Welt schaffen einen Raum für kollektive Erfahrungen. Thema ist dabei immer wieder, wie sich die Pandemie auf Werte, Beziehungen oder Sehnsüchte auswirkt. Bis jetzt wurde die Ausstellung in Iassy, Sathmar, Madrid und New York gezeigt. Nach Kronstadt folgen Neumarkt am Mieresch (März), Temeswar (Mai-Juni), Reschitza (Juni-Juli), Piatra Neam], Heraklion und Braunschweig. In Kronstadt kann die Ausstellung bis zum 17. März täglich im Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Uni besucht werden.
Dan Perjovschi (*1961 Sibiu, Rumänien) ist unter den rumänischen Künstler einer der wichtigsten Vertreter, die sich entschieden in globale gesellschaftspolitische und kulturelle Zu- und Missstände einmischen. Bekannt durch seine markante Bildsprache aus Piktogrammen und Wortspielen, avancierte er seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre zum international renommierten Künstler, dessen Werke auf der Biennale von Venedig, in der Tate Modern, London, im Museum of Modern Art, New York und im Pariser Centre Pompidou gezeigt wurden.