Sollte der öffentliche Nahverkehr kostenfrei bleiben? Sollten die Schüler ihre Lehrer bewerten? Sollten Jugendliche schon mit 16 alleine in den Urlaub fahren können?
Diese Fragen lassen sich nicht leicht beantworten. Man muss sehr gute Argumente haben, um die anderen zu überzeugen, dass du recht hast. Wenn das auch noch in deutscher Sprache passieren muss, wird es noch schwerer. Doch Schüler des Honterus-Lyzeums und des Meșotă-Kollegs schaffen es und es macht ihnen auch noch Spaß. Geholfen hat ihnen dabei ein junger Mann aus München. Felix Trojan hat sich nach dem Abitur entschieden, für ein Jahr nach Rumänien zu kommen und hier einen Freiwilligendienst zu absolvieren, bevor es zur Uni geht.
12 Monate in einem fremden Land
Jedes Jahr bekommen etwa 400 Freiwillige aus Deutschland die Möglichkeit der Mitarbeit an einem Projekt im Ausland. Der Auslandsfreiwilligendienst „kulturweit“, dessen Schwerpunkt im Bereich Bildung liegt, wurde, wird von der deutschen UNESCO-Kommission und dem Auswärtigen Amt koordiniert. Junge Leute haben die Möglichkeit, an Schulen in Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika sowie Osteuropa zu unterrichten, schulische Freizeitaktivitäten zu begleiten, Theatercamps mit Schülern zu organisieren, Untertitel für Unterrichtsfilme zu schreiben, zu bloggen oder Deutschkurse für Erwachsene zu geben. Letztes Jahr gehörte Felix zu den 400 jungen Leuten, die sich entschlossen haben, 6 Monate oder ein Jahr in einem fremden Land zu leben. „Die meisten Stellen gibt es in Südosteuropa, wo das Interesse für die deutsche Sprache groß ist. Ich war schon ein paar Mal in Kroatien, aber ansonsten kannte ich kein Land aus dem Osten wirklich gut, und deshalb war ich sehr neugierig. Außerdem hatte ich etwas bei meinen Bekannten beobachtet: Leute, die nach Osteuropa gehen, kommen glücklich zurück. So kam ich nach Kronstadt”. Beim Honterus-Lyzeum und beim Me{ot²-Kolleg machte Felix Vetretungsunterricht. Die Lehrer haben ihn in die Klassen mitgenommen, er hat geholfen, verschiedene Wettbewerbe, wie z. B die „Lesefüchse“ an beiden Schulen zu organisieren. Als er alleine eine Unterrichtsstunde halten musste, war er an fangs aufgeregt. Er war ja nur ein paar Jahre älter als die Schüler. „Sie hatten jedoch großen Respekt vor mir“, freut sich Felix.
Debattieren hilft auch später im Leben
Nachdem er herausgefunden hat, dass beim Me{ot²-Kolleg ein Debattierclub in deutscher Sprache im Rahmen des Projekts „Jugend debattiert“ stattfindet, kam er auf die Idee, das Projekt auch den Honterusschülern vorzustellen. „Nach einem Treffen mit Robert Marian vom Honterus Alumni Club habe ich die Entscheidung getroffen. Robert hat gesagt, es wäre toll, auch im Honterus-Lyzeum einen Debattierclub zu gründen. Wir trafen uns mit einigen Schülern und er hat ihnen erklärt, wie wichtig Debattieren ist und wie viele Vorteile man dadurch in verschiedenen Lebenssituationen haben kann. Wir haben Werbung dafür gemacht, und beim ersten Training waren 23 Schüler aus der 9. Klasse da. Die Schüler, die im „Me{ot²-Kolleg debattieren, sind etwas älter, sie gehen in die 10. und 11. Klasse“. Zusammen mit dem Fachschaftsberater Carol Szabolcs bereitete Felix die ersten Trainings-Stunden vor und erstellte Materialien. Debatten beantworten Fragen, wie sie sich überall stellen: in der Familie, im Beruf, in der Politik. Am Anfang jeder Debatte steht eine Entscheidungsfrage, auf die man nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann. Wer mit „Ja“ antwortet, spricht sich für das Gefragte aus („pro“). Wer „Nein“ sagt, wendet sich dagegen („contra“). Eine gute Debatte lebt von gegensätzlichen Ansichten, die sachlich vertreten werden. Ebenso wichtig wie die Position ist die Begründung. Der Debattier-Club traf sich einmal in der Woche. „Manchmal waren es mehr Schüler, manchmal weniger, aber immer machte es Spaß“. Am Ende des Schuljahres wurde ein Wettbewerb organisiert, an dem die Teams des Honterus-Lyzeums und des Me{ot²-Kollegs teilnahmen. „Die Schüler traten in gemischten Teams gegeneinander an, es hat großen Spaß gemacht“. Wie es im nächsten Schuljahr weitergehen wird, wenn er nicht mehr da sein wird, weiß Felix noch nicht. „Wichtig ist, dass die Schüler sich wünschen, weiter zu machen. Es war ein gelungenes Projekt, das ohne die Initiative von Robert Marian und Herrn Szabolcs nicht zustande gekommen wäre“.
„Eine sehr bereichernde Erfahrung“
Doch nicht nur Schule gehörte zum Alltag des jungen Münchners. Er lernte im Jahr, das er hier verbrachte, auch das Land kennen. „Ich war schon in Bukarest, Constan]a, Fogarasch, mehrmals im Schloss Törzburg, im Schloss Pele{, bei der Tartlauer Kirchenburg, in Schäßburg, Reps, Keisd, auf der Rosenauer Bauernburg, in Targovi{te und in Hermannstadt. Was Kronstadt betrifft, finde ich die Stadt toll und könnte mir gut vorstellen, ein paar Jahre hier zu leben. Ich kann mich gut an die Worte meiner Mutter über Kronstadt erinnern. Sie meinte, wenn man Ansichtskarten oder Bilder von der Stadt ansieht, schaut Kronstadt aus wie ein riesiges Museum. Doch eigentlich ist die Stadt sehr lebendig. Das Lebendige an dieser Stadt fasziniert mich“.
Oft traf sich Felix während seines Aufenthalts mit anderen Freiwilligen, die im Land verstreut waren. Auf der Transfogarascher Straße ist ihnen einmal ein Bär begegnet. Doch das findet Felix nicht seltsam. Merkwürdiger ist, dass in der Schule in allen Pausen das Radio angeht. „Das würde in deutschen Schulen nicht passieren“. Ebenfalls findet er, dass in Rumänien die Schulpausen zu kurz sind. Und den dreispurigen Kreisverkehr findet er auch komisch. „Doch einen Kulturschock hatte ich auf keinen Fall“. Doch am Wichtigsten an seinem Aufenthalt waren die Menschen, die er kennengelernt hat. Felix hatte Glück, kurz nach seiner Ankunft in Kronstadt ein paar rumänische Freunde zu gewinnen,die ihm ganz viel gezeigt haben.
Später wünscht sich Felix, Politik und Recht in Münster oder Frankfurt an der Oder zu studieren. „Ich stelle mir ein Berufsleben im diplomatischen Bereich vor. Es ist toll, öfter den Ort zu wechseln man lernt die Welt besser kennen“.
Sein Aufenthalt in Kronstadt war prägend, meint er. „Vor wenigen Wochen war ich mit mehreren anderen Freiwilligen in Bukarest, in der Kantine des rumänischen Innenministeriums. Plötzlich hat sich ein Mann zu uns umgedreht und hat uns gesagt, er freue sich unheimlich für uns, dass wir diese interkulturelle Erfahrung machen können. Er hatte recht. Der Aufenthalt in Rumänien ist für den Rest meines Lebens eine sehr bereichernde Erfahrung“.