Meeburg zwischen Alt und Mieresch

Der wertvolle Flügelalter steht heute in der Schäßburger Bergkirche; Kirchenturm verdient renoviert zu werden

Kirchenburg Meeburg 2007 Foto: Friedrich Meeburger

Juliana Fabritius-Dancu: Meeburger Mädchentracht 1977 (Plakatbild der Aquarellausstellung)

Die Ortschaft Meeburg/Beia, an der Wasserscheide zwischen Alt und Mieresch, liegt an der Eisenbahnlinie Kronstadt/Braşov – Schäßburg/Sighişoara, so dass ihr spitzer weißer Kirchturm inmitten der kleinen Kirchenburg auch heute als stummer Zeuge auf die vorbeifahrenden Züge blickt - wie vor 70 Jahren, als die Güterwaggons mit den deportierten Siebenbürger Sachsen vorbeirollten (siehe auch Kopony, Helene-Martha: Fünf Jahre Arbeitslager, Aldus-Verlag Kronstadt/Braşov). Der Berg, unter dem die Eisenbahnzüge dort durchfahren, ist Schnittpunkt der Landkreise Kronstadt, Mieresch/Mureş und Harghita. Jahrhundertelang, bis nach dem 2. Weltkrieg, hat Meeburg verwaltungsmäßig zu Schäßburg gehört, sprachlich und kunstgeschichtlich (Möbelmalerei) allerdings zum Repser Land.

Heute gehört Meeburg sowohl verwaltungsmäßig als auch kirchlich zu Kronstadt. An einem Gestühl in der Meeburger evangelischen Kirche kann man auch heute das Wappen des ehemaligen Schäßburger Bürgermeister von Rosenthal (ein Arm mit drei Rosen ) erkennen, sowie den lateinischen Wahlspruch „per spinas ad rosas“ (Durch die Dornen zu den Rosen). Der bekannte Dichter Michael Albert beschrieb meisterhaft in „Der Pfarrer aus dem Haferland“ den beschwerlichen aber malerischen Weg aus der abgelegenen Meeburger Region nach Schäßburg. Zwischen 1966-1976 kam die bewundernswerte Malerin Juliana Fabritius-Dancu oft in dieses Gebiet, um authentische siebenbürgisch-sächsische Trachten näher kennenzulernen.

Die Meeburger Mädchentracht konnte man damals sogar als Plakatbild ihrer Aquarellaustellung über siebenbürgisch-sächsischen Trachten in Bukarest und Kronstadt bewundern (siehe Foto). Nördlich von Meeburg liegt die ungarischen Nachbargemeide Dersch/Dârjiu, deren Kirchenburg auf der UNESCO-Liste als Weltkulturerbe steht, wie die Schäßburger Burg und die Kirchenburg in Weißkirch bei Reps, also weitere Sehenswürdigkeiten in der Region. Nordöstlich von Meeburg liegt Draas/Drăuşeni, früher vielen bekannt als die östlichste Siedlung der Siebenbürger Sachsen auf Königsboden. Das symbolische Draaser Schwert, das von der Einwanderung der Siebenbürger Sachsen zeugt, und beispielsweise auch im Wappen von Hermannstadt/Sibiu abgebildet ist, ist auch heute noch Meeburger Augenzeugen bekannt. Weiter östlich erheben sich die Harghita-Berge als Teil  der Ostkarpaten. Somit ist diese Region Siebenbürgens im oberen Hommorodtal vor allem natur- und kulturinteressierten Touristen zu empfehlen.

Der beliebte Reiseleiter Oswald Zerwes, dessen Urgroßvater der erste namentlich bekannte Organist in Meeburg war, hat nicht nur Kulturreisen durch Deutschland, Belgien und Italien organisiert, sondern immer wieder gern auch Reisen durch Siebenbürgen, zu den Moldauklöstern, oder ins Donaudelta. Nächsten August plant er wieder eine Busreise durch Siebenbürgen – diesmal eben auch ins obere Hommorodtal.

Die etwa 10-tägige Reise soll voraussichtlich in Oberbayern starten, und durch Österreich und  Ungarn nach Siebenbürgen und ins Banat führen. Dabei können die Reisenden u.a. die bekannten Orte Großwardein, Klausenburg, Bistritz, Schäßburg, Kronstadt, Mediasch, Hermannstadt und Temeschburg besichtigen. Höhepunkt der Reise soll die Einweihung des Meeburger Altarbilds Anfang August in der Meeburger ev. Kirche sein, wenn möglich im Beisein des Repser und des Schäßburger ev. Stadtpfarrers. Dechant Pfarrer Fröhlich fühlt sich mit Meeburg besonders verbunden, da einer seiner Urahnen früher als Prediger in dieser Gemeinde gewirkt hat. Genaueres zur oben genannten geplanten Reise können Interessenten von Oswald Zerwes unter Tel.: 08669/12498 erfahren.

Der Meeburger Flügelaltar von 1513 stammt aus der Werkstatt des Schäßburger Meisters Johann Stoß, Sohn des Nürnberger Bildhauers Veit Stoß. Die Festtagsseite zeigt vier Bilder aus dem Leben der heiligen Ursula, Märtyrerin von Köln, die sich um die Zentralgestalt reihen. Das ist Jesus in der seltenen symbolischen Darstellung als Weltherrscher mit der Weltkugel in der Hand, also nicht am Kreuz, wie wir ihn aus zahlreichen Darstellungen kennen, sondern als Sinnbild des Lebens und der Nächstenliebe. Die Werktagsseite (Rückseite des Flügelaltars) zeigt Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu‘.

Nach der Wende wurde der wertvolle Meeburger Altar vor den Kunsträubern gesichert, da sie bekanntlich Kunstgegenstände aus siebenbürgischen Kirchen entwendeten, wie den Meeburgern von der Nachbargemeinde Radeln/Roade{ her bekannt war. Ende der 1990-er Jahre konnte der Flügelaltar auch dank des Engagements des Schäßburger Pfarrers  Fröhlich restauriert in der Schäßburger Bergkirche aufgebaut werden. Heute wird der Flügelaltar da von hunderten Touristen jährlich bewundert. Das Altarbild, das erstmals 2014 durch das Engagement von Johann Schell (ebenfalls mit Meeburger Wurzeln) in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart ausgestellt wurde, ist eine bewundernswerte Kopie des genannten Flügelaltars. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn als zweiter Schritt die entsprechende Renovierung des bereits erwähnten, von Weitem sichtbaren Meeburger Kirchturms folgen würde. Der Kirchturm war nämlich schon in der Zwischenkriegszeit sogar in Westrumänien bekannt - die Banater bewunderten ihn, wenn sie per Eisenbahn von Temeschburg und Arad nach Bukarest reisten. So hatte sich bis dahin herumgesprochen, dass nach dem Eisenbahntunnel unter einem Berg in Siebenbürgen, wo drei Verwaltungskreise zusammentreffen, ein besonders hoher weißer Kirchturm zu sehen ist (zu Details siehe den Artikel „Meeburg … mit dem spitzen, weißen Kirchturm“ in der KR vom 30.10.2010).

Der Sage nach soll die Jesusstatue des Meeburger Flügelaltars aus dem Nonnenkloster stammen, das sich früher auf der „Koppe“ (ungarisch „Léanyhalom“) in der Nähe Meeburgs befand, und von wo die Jungfrau (sieb.-sächs. „Meed“) abstammt, die der Ortschaft am Fuße des Berges den Namen „Meeburg“ gab. Die Jungfrau soll „Bea“ geheißen haben, von wo der rumänische Name der Ortschaft „Beia“ abstammen soll, wie so mancher annimmt.

Der Sage nach warnte die Jungfrau von der Koppe die Ortschaften der Umgebung rechtzeitig vor den nahenden Feinden, damit sie sich in ihre Kirchenburgen zurückziehen konnten. Heute kennen die Bewohner Meeburgs zu dieser Geschichte bloß die rumänischen Flurnamen der Region: „Dealul Chiliei“ (Kapellenberg) und „Pârâul Chiliei“ (Kapellengraben), sowie den ungarischen Flurnamen „Romocsag“ (nur Trümmer). Von da oben hat man auch heute eine hervorragende Aussicht von den Harghita-Bergen und der ungarischen Ortschaft Petecu/Petek im Nord-Osten, über die Gemarkungen der Nachbarortschaften Arkeden/Archita, Radeln(mit Maffays Ferienheim für traumatisierte Kinder) und Schweischer/Fischer (mit dem evangelischen Altersheim im Repser Ländchen), sowie über die Repser Burg im fernen Süden, bis Katzendorf/Caţa, Königsdorf/Paloş und Draas. Diese Route am Rande des Haferlandes ist heute ideal etwa für Mountainbiker, die eine Region mit fast unberührter Natur im  Hommorodtal erkunden möchten, Region die schon früher als „Luftkurort“ geschätzt wurde, und heute sogar von Persönlichkeiten wie Prinz Charles bewundert wird. Dazu muss die bewundernswerte Volkskunst der Region erwähnt werden, vor allem die bemalten Möbel aus Meeburg, die heute von Siebenbürgen bis Nordamerika verstreut sind (siehe auch „Karpatenrundschau“ vom 10.04.2008).

Weitere Infos über die Region Meeburg können Interessente auch im Bildband „Das Repser und das Fogarascher Land“ erfahren (zu bestellen unter Tel. 07132/9511612 beim „Buchversand Südost“), oder unter www.meeburg.de  > Nachbarzeichen > Dokumentation (in der Siebenbürgischen Bibliothek, im Foto- und Nachlassarchiv Gundelsheim am Neckar und in online-Zeitungsarchiven). Zu der Möbelmalerei und den früheren Meeburger Malermeistern hat bereits die  „Siebenbürgischen Zeitung“  berichtet  (siehe SZ vom 31.01.2000.)
Heute freuen sich die Meeburger, dass sie engagierte Freunde zu ihrer Gemeinschaft zählen dürfen wie den Kunstexperten Werner Förderreuther, den Historiker Martin Rill u.a., die sich als Fachleute für ganz Siebenbürgen einsetzen.